Verkehr

Stadt Mannheim räumt bei Fahrlachtunnel „gesamtorganisatorisches Versagen“ ein

Wie konnte es zur Schließung des Fahrlachtunnels kommen? Antworten gab die Stadt am Dienstagabend im Gemeinderat. Die Ergebnisse lassen teilweise fassungslose Stadträte zurück, von "einer Schande" ist die Rede

Von 
Sebastian Koch
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Die Stadtverwaltung ist nach eigenen Angaben weiter zuversichtlich, dass eine Öffnung des Fahrlachtunnels noch in diesem Quartal möglich ist. © Christoph Blüthner

Mannheim. Wenn es um eine Aufarbeitung der Vergangenheit geht, ist selten davon auszugehen, dass die Ergebnisse Euphorie auslösen. Meist schockieren sie. So gesehen ist das, was Alexandre Hofen-Stein und Alex Stork am Dienstag dem Technik-Ausschuss des Gemeinderats präsentieren, keine Überraschung.

Seitdem die Stadt den Fahrlachtunnel Ende August 2021 wegen Sicherheitsmängeln abrupt vollständig gesperrt hat, mussten die beiden für die Wiedereröffnung zuständigen Projektkoordinatoren schon das eine oder andere Mal die Stadträte über zahlreiche Missstände in den Röhren informieren. Die Dimension der Fehlentscheidungen und Versäumnisse der Verwaltung, die Hofen-Stein und Stork nun in der Aufarbeitung der Schließung den Stadträtinnen und Stadträten erklären, schockieren aber selbst erfahrene Politiker.

Kaum nachvollziehbare Fehler 

Man könne froh sein, dass zwischen der Eröffnung im April 1994 und der Schließung keine Menschenleben im Tunnel in Gefahr geraten seien, meint Achim Weizel (ML). „Der Tunnel ist eine Schande in der Geschichte der Stadt.“

Zuvor hatten Hofen-Stein und Stork phasenweise absurd klingende und nach Jahrzehnten heute kaum mehr nachvollziehbare Fehler präsentiert. Warum etwa ist die Zahl der Lüfter von einst 18 pro Röhre bei der Bedarfsberechnung 1986 schrittweise auf nur noch acht pro Röhre in einer Aktennotiz zur Lüfteroptimierung 1993 reduziert worden? Das sei unklar, sagt Stork. „Der Optimierungsvorschlag 1993 ist fachlich nicht gerechtfertigt.“ Ein Grund für die Schließung des Tunnels war die mangelnde Lüftungstechnik, die im Zuge mehrerer Brandrauchversuche mittlerweile optimiert worden sei.

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Hat es nach einer neu erlassenen Richtlinie zur Ausführung und dem Betrieb von Straßentunnel im Jahr 2003 Änderungen im Notfallmanagement gegeben, indem etwa ein Brandschutzbeauftragter eingestellt worden ist? Auch das könne heute nicht mehr festgestellt werden, präsentiert Hofen-Stein die Ergebnisse der Aufarbeitung, die durch veraltete Unterlagen, fehlende Digitalisierung und mangelnde Dokumentation immer wieder vor Probleme gestellt worden sei, wie beide Koordinatoren bereits im November im Interview mit dieser Redaktion angedeutet hatten.

„Zwischen 1994 bis 2020 hat kein dokumentierter Funktionstest der gesamten Anlage stattgefunden“, stellen beide nun weiter fest. Zwar seien - immerhin - bei regelmäßigen Wartungen die Einrichtungen auf ihre Funktionen geprüft worden. „Dabei erfolgte jedoch kein Abgleich mit dem geltenden Regelwerk.“ Einzelne, bekannt gewordene Mängel seien entsprechend beseitigt worden. Auch sei heute aber kein Beleg mehr für einen gewerkeübergreifenden Funktionstest zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme zu finden.

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Ein weiterer Punkt in der gefühlt nicht enden wollenden Mängelliste: die Kommunikation. So sei es dem Anschein nach zu Abstimmungsproblemen zwischen den Fachbereichen gekommen, die sich lange Zeit die (damals übliche) Unterhaltung des Bauwerks geteilt hatten: Hochbauamt und Tiefbauamt. Es sei „unklar, wie verwaltungsintern“ mit dem Rundschreiben umgegangen ist, mit der eine 2006 greifende neue Richtlinie eingeführt wurde. Klar ist: Die darin enthaltenen „erforderlichen organisatorischen und technischen Änderungen“ - etwa bei Fluchtwegen, der Tunnellüftung, der Beleuchtung oder der Lautsprecheranlage - seien „seitens der Verwaltung nicht umgesetzt“ worden.

Erst 2013 sei es mit Einzelmaßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie gekommen. Eine „systematische Abarbeitung der Mängel“ habe aber nicht stattgefunden, erklärt Hofen-Stein. „Auf Basis der Aktenlage lag ein gesamtorganisatorisches Versagen vor.“ Und weiter: „Der schlechte Gesamtzustand der technischen Anlagen im Tunnel ist nach derzeitiger Kenntnislage insbesondere durch organisatorische Versäumnisse entstanden.“ Immerhin hätten regelmäßige Bauwerksprüfungen stattgefunden, die - auch mit Blick auf die Generalsanierung - belegen, dass sich der Tunnel in einem guten baulichen Zustand befinde.

Wie steht es um die Brücken?

Mehrere Stadträtinnen und Stadträte loben Stork und Hofen-Stein in ihren Wortbeiträgen für ihre „detektivische“ Arbeit, wie es Thomas Hornung ausdrückt. Der Befund sei von „erschreckender Härte“, sagt der CDU-Stadtrat. „Es ist das schlechtmöglichste Zeugnis, das Sie ausstellen müssen. Das muss uns alle erschrecken“, erklärt er - und bedauert, dass Verantwortliche heute kaum mehr zu greifen seien. Reinhold Götz (SPD) spricht von einer „schonungslosen Aufarbeitung“ und einem „ernüchternden Bericht“, der ihm in seinem beruflichen Leben so noch nicht allzu oft untergekommen sei.

Die zuständige Bürgermeisterin Diana Pretzell (Grüne) kündigt einen weiteren Brandrauchversuch an - erst nach dem könne man entscheiden, in welchem Rahmen eine Öffnung stattfinde.

Man sei aber weiter zuversichtlich, dass eine Öffnung noch in diesem Quartal möglich sei. Abschließend greift die Bürgermeisterin mehrere Fragen nach dem Zustand der Brücken im Stadtgebiet auf. Man werde darüber zeitnah informieren. „Wir werden mit Ihnen einen ernüchternden Blick darauf werfen“, verspricht Pretzell. „Hier steht uns einiges an Sanierungsmaßnahmen bevor.“

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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