Mannheim. Trassen für zwei zusätzliche Bahngleise zwischen Mannheim und Karlsruhe zu finden – damit sind aktuell die Planer des Bahnprojekts Mannheim-Karlsruhe beschäftigt. „Das Projekt ist noch in einer sehr frühen Phase, aktuell betrachten wir rund ein Kilometer breite Korridore für den möglichen Trassenverlauf“, erklärt Projektleiter Stefan Geweke im Gespräch mit dieser Redaktion. Für das Stadtgebiet Mannheim liegen fünf Möglichkeiten auf dem Tisch – drei davon verlaufen in Tunneln unterhalb des Stadtgebiets. Bei zwei weiteren handelt es sich um einen Umfahrungstunnel im Westen und eine zum großen Teil oberirdische Umfahrung im Osten. Ein Überblick.
Möglichkeit 1: Tunnel entlang des Rheins
Bei dieser Möglichkeit würde ein Tunnel nördlich von Sandhofen beginnen und dann entlang des Rheins und des Mühlauhafen-Beckens verlaufen, um schließlich im Rangierbahnhof wieder „aufzutauchen“. Der Vorteil dieses Korridors laut Projektleiter Geweke: Die zwei neuen Gleise im Tunnel hätten eine vollständige Anbindung an den Rangierbahnhof. Der Nachteil: Die Tunnelrampe westlich des Rangierbahnhofs würde genau dort liegen, wo sich aktuell der Fahrlachtunnel für Autos befindet.
Möglichkeit 2: Tunnel unter der westlichen Riedbahn
Hier würde der Tunnel ungefähr auf Höhe des Stadtteils Schönau beginnen, dann grob gesagt unterhalb der westlichen Riedbahn verlaufen und schließlich südlich der Quadrate wie bei Möglichkeit 1 in den Rangierbahnhof münden. Die Vor- und Nachteile dieser Variante sind im Hinblick auf die Anbindung des Rangierbahnhofs dieselben wie bei Möglichkeit 1.
Möglichkeit 3: Tunnel unter Neckarstadt und Luisenpark
Bei diesem Korridor verläuft der Tunnel zunächst wie bei Möglichkeit 2, also mit einem Start auf Höhe der Schönau und dann weiter unterhalb des Waldhofs. Danach führt er allerdings unterhalb von Herzogenried, Neckarstadt-Ost, Hauptfriedhof und Luisenpark und taucht dann im Rangierbahnhof wieder auf. Vorteil dieses Korridors laut Projektleiter Geweke: Es gibt keinen Konflikt mit dem Fahrlachtunnel. Der Nachteil: Ein solcher Tunnelkorridor schafft nur eine Teilanbindung des Rangierbahnhofs, wie Geweke erklärt. Das heißt: Züge, die aus Richtung Norden kommen, können nur am Rangierbahnhof vorbeifahren. Züge aus Richtung Süden können sowohl durch den Rangierbahnhof hindurch als auch daran vorbeifahren, um in Richtung Norden den Tunnel zu nutzen.
Möglichkeit 4: Westliche Tunnelumfahrung
Dieser Korridor würde – genauso wie Möglichkeit 1 – nördlich von Sandhofen starten und zunächst ebenfalls komplett östlich des Rheins unterirdisch verlaufen. Auf Höhe der Friesenheimer Insel würde dieser Tunnelkorridor allerdings nach Westen abknicken, dann unterhalb des Rheins und des Stadtgebiets Ludwigshafen verlaufen und im Raum Limburgerhof/Neuhofen auftauchen. Der Nachteil: Der Korridor wäre eine reine Transitlösung ohne Anbindung an den Rangierbahnhof.
Möglichkeit 5: Östliche, meist oberirdische Umfahrung
Trasse fünf wäre eine überwiegend oberirdisch verlaufende mit zwei Gleisen, die bereits nördlich der Mannheimer Stadtgrenze Richtung Osten abzweigt, zwischen dem Osten Mannheims und Viernheim durch den Käfertaler Wald führt, um schließlich nach zwei kleineren Tunneln östlich von Vogelstang und Wallstadt wieder oberirdisch entlang der A 6 zu verlaufen. Diese Trasse könnte in Richtung Süden entlang der A 6 oder im Bereich des Rangierbahnhofs in Richtung Friedrichsfeld-Süd fortgeführt werden. Der Nachteil wäre der gleiche wie bei Möglichkeit 4: Die Trasse wäre eine reine Transitlösung ohne Anbindung an den Rangierbahnhof. Als Untervariante böte sich laut Geweke eine „Anbindungsspange zwischen Maimarkt und Flughafen mit Anbindung des Rangierbahnhofs in Parallellage zur östlichen Riedbahn“ an. Die könnte eine vollständige Anbindung des Rangierbahnhofs ermöglichen. „Allerdings stehen dieser Option unter anderem die Start- und Landevorgänge des Flughafens entgegen.“
Wie geht’s weiter?
Die Antwort auf die Frage, ob überhaupt und, wenn ja, wo ein Bahntunnel in Mannheim gebaut wird, liegt noch in weiter Ferne, wie die Ausführungen von Projektleiter Stefan Geweke zeigen. „Es geht derzeit nur um die Frage, ob diese Korridore für Tunnel denkbar sind. Wir haben hier noch keine Baugrunduntersuchung gemacht.“ Solche Tunnel würden laut Geweke im Rhein- und Neckargebiet aufgrund des Untergrunds mit Sanden und Kiesen normalerweise in geschlossener Bauweise mit einer großen Tunnelbohrmaschine entstehen.
Das weitere Vorgehen sieht nach Angaben des Projektleiters nun wie folgt aus: Bis zum Ende des Jahres 2023 sollen sich die Beteiligten im Dialogforum zum Bahnprojekt Mannheim-Karlsruhe – also unter anderem Bahn, Abgeordnete, Kommunen, Verbände und Bürgerinitiativen – auf eine favorisierte Trasse verständigen, die auch die Streckenführung im Stadtgebiet Mannheim beinhaltet. Dann wird ein sogenanntes Raumordnungsverfahren beim Regierungspräsidium Karlsruhe eingeleitet. Darin wird untersucht, ob die Trasse grundsätzlich mit Aspekten von Umweltschutz und Raumplanung vereinbar ist.
Für dieses Raumordnungsverfahren rechnet Geweke mit mindestens einem Jahr Dauer. Erst dann würde die Bahn bei einem positiven Ergebnis in eine technische Vorplanung einsteigen, zu der zum Beispiel auch eine Baugrunduntersuchung gehört. Diese Vorplanung wird nach Einschätzung des Projektleiters weitere zwei bis drei Jahre dauern. Der Bundestag könnte sich also frühestens 2026 oder 2027 mit dem Bauprojekt befassen, das der Bund dann ja auch finanzieren müsste.
Das prinzipielle Kriterium für eine Zustimmung ist – neben der generellen Frage, wie viel Geld für Bahnprojekte in den betreffenden Haushaltsjahren bereitgestellt wird –, wie die Nutzen-Kosten-Berechnung für den Streckenausbau ausfällt. Dieser Quotient muss größer als 1 sein – und zwar für den gesamten Rheintal-Abschnitt zwischen Köln und Karlsruhe, wie Geweke betont.
Es geht bei der Frage, ob Güterzugtunnel in Mannheim oder nicht, also nicht in erster Linie darum, für Mannheim mehr Lärmschutz zu schaffen, wie es sich Bürgerinitiativen und Kommunalpolitik wünschen. „Wir wollen ein engpassfreies Netz schaffen, das die benötigten Kapazitäten zur Verfügung stellt und das zu erwartende Wachstum im Schienenverkehr aufnehmen kann“, sagt Geweke. „Natürlich haben wir dabei die Anliegen der Anwohner immer im Blick. Letztlich ist ein Tunnel in Mannheim nur dann zu rechtfertigen, wenn er zur Schaffung eines solchen engpassfreien Netzes beiträgt.“
Was sagt die Stadtverwaltung?
Der zuständige Bürgermeister Christian Specht (CDU) betont auf Anfrage, dass die Stadt Mannheim seit vielen Jahren einen Güterzugtunnel fordere. „Im Mannheimer Knoten, der von nationaler und internationaler Bedeutung ist, haben wir schon jetzt die Kapazitätsgrenze teilweise stark überschritten“, erklärt Specht. Um künftig – gerade mit Blick auf die Verkehrswende – mehr Güterverkehre durch die Region zu führen und dem Verkehrswachstum des Fern-, Regional- und Güterverkehrs gerecht zu werden, seien „erhebliche Investitionen“ in den Ausbau erforderlich. „Es braucht eine Lösung, die eine zukunftsfähige Infrastruktur für die nächsten 100 bis 150 Jahre schafft, einen möglichst geringen Eingriff in die Natur bedeutet und für unsere Bürgerinnen und Bürger den bestmöglichen Lärmschutz bietet.“
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Von einer oberirdischen Umfahrung, wie sie Möglichkeit 5 vorsieht, hält die Stadt deshalb wenig. Sie wäre laut einer Sprecherin „mit inakzeptablen Zerschneidungen von Wald, Grünzügen und Wohnquartieren verbunden“. Was die Planung eines Güterzugtunnels angeht, fordert das Rathaus von der Bahn, dass diese auch solche Alternativen prüfe, „die einen Konflikt mit dem bestehenden Fahrlachtunnel vermeiden“. Denn das sei sehr wohl möglich, so die Sprecherin.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Bahntunnel in Mannheim: Ein spektakuläres Projekt - und ein teures!