Verkehr

Stadt Mannheim geht bei Bahn-Tunnel auf Konfrontationskurs

Mannheim liegt an einer der wichtigsten Bahnstrecken Europas. Diese soll ausgebaut werden. Aber wo und wie? Über diese zentralen Fragen wird seit Jahren gerungen. Jetzt legt die Stadt ihre Forderungen auf den Tisch

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Martin Geiger
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Mannheim liegt an einer der wichtigsten Bahnstrecken Europas. Diese soll in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ausgebaut werden. Aber wo und wie? Über diese zentralen Fragen wird bereits seit Jahren gerungen. Jetzt legt die Stadt ihre Forderungen auf den Tisch. Ein Überblick.

Um was genau geht es eigentlich?

Mannheim steht im Zentrum zweier großen Neubauvorhaben der Deutschen Bahn, die dazu dienen sollen, die wichtige Verkehrsachse zwischen Rotterdam und Genua für die Zukunft fit zu machen: die Neubaustrecke zwischen Frankfurt und Mannheim und die Neubaustrecke zwischen Mannheim und Karlsruhe. Erstere ist in der Planung schon deutlich weiter vorangeschritten. Zweitere ist für die Stadt aber noch etwas wichtiger: Denn im Zuge dieses Projekts wird auch entschieden, wo und wie die mehreren hundert Güterzüge, die künftig täglich erwartet werden, durchs Stadtgebiet rollen werden.

Wie ist der Sachstand beim Neubauprojekt Mannheim-Karlsruhe?

Laut Bahn werden zurzeit noch drei Varianten geprüft (siehe Grafik), wie die Züge künftig durch Mannheim fahren werden: entweder oberirdisch auf den bestehenden Gleisen der westlichen und östlichen Riedbahn oder unterirdisch in einem Tunnel, der von der Blumenau bis nach Ludwigshafen führt und damit den Mannheimer Rangierbahnhof nicht anbindet. Oder unterirdisch in einem Tunnel von der Blumenau bis zum Rangierbahnhof - der allerdings laut Bahn mit dem Fahrlachtunnel kollidiert. Die Entscheidung für eine Vorzugsvariante wird Anfang 2025 erwartet. Denn Ende dieses Jahres soll eine Prognose vorliegen, mit wie vielen Zügen 2040 gerechnet wird. Und davon wird abhängen, ob die oberirdische Variante ausreicht oder ein Tunnel mit zwei neuen Gleisen benötigt wird.

Wie weit ist die Planung bei der Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim?

Hier steht die Vorzugsvariante seit November 2020 fest. Klar ist inzwischen auch, dass die Bahn zwischen Lorsch und dem Mannheimer Norden einen bergmännischen Tunnel bauen will. Dieser endet auf der Blumenau kurz vor der A 6, geht in einen Trog über und schließt dann an das Bestandsnetz an. Die detaillierte Planung steht noch nicht fest, deshalb wird damit gerechnet, dass die Strecke „deutlich nach 2030“ in Betrieb genommen werden kann. Was jetzt jedoch ansteht, ist die sogenannte parlamentarische Befassung.

Was ist die parlamentarische Befassung?

Das ist ein neues Instrument, das - unter anderem nach den Erfahrungen mit Stuttgart 21 - geschaffen wurde, um den Bundestag bei Aus- und Neubauprojekten stärker einzubinden. Es bietet den betroffenen Städten die Möglichkeit, Forderungen vorzubringen, die über die Mindeststandards hinausgehen. Die Bahn muss dann die technische Machbarkeit prüfen und die Kosten ermitteln. Zum Schluss entscheidet der Bundestag über Umsetzung und Finanzierung der Vorzugsvariante sowie der kommunalen Forderungen. Dies wird für die Neubaustrecke zwischen Frankfurt und Mannheim voraussichtlich im nächsten Jahr geschehen. Darum hat die Stadt nun ihre Forderungen vorgelegt.

Kommentar Mannheim braucht einen Bahn-Tunnel

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Martin Geiger
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Was fordert die Stadt in der parlamentarischen Befassung für die Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim?

Grob gesagt vier Dinge: Erstens, dass die Planung zwingend mit der zweiten Neubaustrecke gekoppelt wird - und damit auch mit der Frage der Durchfahrt Mannheims. Zweitens, dass die Mannheimerinnen und Mannheimer „stadtverträglich“ vor Lärm geschützt werden. Drittens, dass die Eingriffe in die Natur so gering wie möglich ausfallen. Und viertens, dass ein neuer S-Bahn-Halt im Bereich Blumenau/Schönau mitgeplant wird.

Warum ist die erste Forderung so wichtig?

Die Bahn betrachtet die beiden Neubaustrecken als separate Projekte. Zudem ist das eine in der Planung schon deutlich weiter als das andere. Darum fordert die Stadt in der Vorlage für den Gemeinderat: „Folglich muss zwingend sichergestellt werden, dass Qualität und Zukunftsfähigkeit des Knotens Mannheim, ebenso wie die Mannheimer Bevölkerung nicht unter dieser fragwürdigen Projektaufteilung leiden. Im Rahmen des Projekts Frankfurt-Mannheim dürfen keine Tatsachen geschaffen werden, die die Optionen für mögliche zusätzliche Gleise durch Mannheim in einem Güterverkehrstunnel einschränken.“

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Was ist mit der zweiten Forderung gemeint?

Konkret verlangt die Stadt hier, dass mehr oder weniger alle denkbaren Lärmschutzmaßnahmen umgesetzt werden. Und das so, dass die betroffenen Stadtteile baulich nicht von bis zu sechs Meter hohen, dunklen Lärmschutzwänden „zerschnitten“ werden oder Angsträume entstehen. Stattdessen sollen etwa durchsichtige oder begrünte Wände genutzt werden.

Was bedeutet das für die Neubaustrecke Mannheim-Karlsruhe?

Eigentlich geht es in der parlamentarischen Befassung gar nicht um diese. In der Vorlage für den Gemeinderat bezieht die Stadtverwaltung jedoch auch dazu Stellung: „Entsprechend kann aus Sicht der Stadtverwaltung nur eine Tunnelvariante, die direkt an den Tunnel der Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim anknüpft und auch die bestehende Riedbahn von Norden kommend anbindet und den Mannheimer Rangierbahnhof anknüpft, die Kapazitäts- und Lärmprobleme im Knoten Mannheim zukunftsorientiert lösen. Dabei muss weiterhin die vollständige Anbindung des Mannheimer Hauptbahnhofs an den Fernverkehr sichergestellt sein, ebenso wie eine Nutzung freiwerdender Kapazitäten auf oberirdischen Strecken für den Ausbau des Regional- und S-Bahnverkehrs. Ein Verlauf des Tunnels unterhalb des Hauptbahnhofs könnte zudem perspektivisch einen Haltepunkt im Tunnel zur Erweiterung der oberirdisch begrenzten Kapazitäten möglich machen.“

Aber kollidiert diese Variante nicht mit dem Fahrlachtunnel?

Nach Angaben der Bahn schon. Dieser müsse in diesem Fall „entfallen oder verlegt werden“, erklärte eine Sprecherin unlängst. Ein Sprecher der Stadt Manheim erklärt dagegen, dass der Rangierbahnhof auch angebunden werden könne, ohne den Fahrlachtunnel anzutasten: wenn man dort Wendegleise verlege. Die Bahn, so der Stadtsprecher weiter, schließe bisher jedoch Eingriffe in den Rangierbahnhof aus.

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Wie ist dann die Position der Stadt in diesem Konflikt?

„Die Stadt Mannheim fordert eine Vollanbindung des Rangierbahnhofs durch einen Tunnel Mannheim“, teilt deren Sprecher mit. „Auf welchem Weg das gelöst wird, ist - ebenso wie die Finanzierung des Vorhabens - Aufgabe der Deutschen Bahn als Vorhabenträgerin beziehungsweise des Bundes als Auftraggeber.“ Aus städtischer Sicht müssten vor einem Eingriff in den Fahrlachtunnel jedoch „alle anderen Optionen inklusive möglicher Eingriffe in den Rangierbahnhof geprüft und abgewogen werden“.

Wie geht es jetzt weiter mit den Forderungen?

Am Dienstag werden diese im Hauptausschuss des Gemeinderats beraten. Dort fällt auch die Vorentscheidung. Da die meisten Stadträtinnen und Stadträte parteiübergreifend bislang bei den Neubaustrecken ähnliche Positionen vertreten haben, wird mit großer Zustimmung gerechnet. Das Gleiche dürfte auch für den Gemeinderat gelten, der den Beschluss Mitte Juni noch bestätigen muss, ehe die Forderungen ganz offiziell die der Stadt Mannheim in diesem Verfahren sind. Ebenfalls Mitte Juni will die Stadt das Thema auch mit Vertretern des Regionalverbands erörtern. Um den politischen Druck zu erhöhen, sollen sich diese möglichst den Forderungen der Stadt anschließen.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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