Mannheim. Mannheim liegt auf einer zentralen Route zwischen Rotterdam und Genua. Vor allem der Güterzugverkehr durchs Stadtgebiet ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen - deshalb fordern Bürgerinitiativen, Stadtverwaltung und viele Parteien seit langem einen Güterzugtunnel. Aber wie realistisch ist der überhaupt? Ein Überblick zum aktuellen Sachstand.
Plant die Deutsche Bahn einen Tunnel unter dem Stadtgebiet?
Es gibt zumindest Überlegungen dazu. Um ein Schienennetz möglichst ohne Engpässe zu schaffen, will die Bahn zwischen Mannheim und Karlsruhe zwei zusätzliche Gleise bauen. In dem vor knapp vier Jahren gestarteten Bahnprojekt, in dem auch Kommunen, Verbände und Bürgerinitiativen mitarbeiten, werden mögliche Varianten für Trassen untersucht. Für Mannheim sind zu Beginn vier Tunnelvarianten und eine größtenteils oberirdische Umfahrung geprüft worden. Zwei Tunnelvarianten sowie die oberirdische Umfahrung wurden inzwischen aus jeweils unterschiedlichen Gründen verworfen. Damit sind nach Angaben der Bahn aktuell noch zwei Tunnelvarianten mit jeweils zwei Gleisen im Rennen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass im Stadtgebiet Mannheim auf die zwei zusätzlichen Gleise gänzlich verzichtet wird und die Züge stattdessen das bestehende Netz nutzen.
Wo genau würden die zwei Tunnel verlaufen, die noch in der Diskussion sind?
Die eine Variante wäre ein Tunnel, der nördlich der Blumenau beginnen und dann unterhalb der westlichen Riedbahn und des Hauptbahnhofs bis zum westlichen Kopf des Rangierbahnhofs verlaufen würde. Die andere Variante wäre etwas umfangreicher: Sie würde im nördlichen Bereich gleich wie die bereits skizzierte Variante verlaufen. Auf Höhe Neckarstadt-West würde sie dann aber weiter nach Südwesten führen, unter dem Neckar und dem Rhein sowie unter dem Stadtgebiet Ludwigshafen hindurch verlaufen und dann südlich von Rheingönheim wieder „auftauchen“.
Was wären Vor- und Nachteile der jeweiligen Varianten?
Die erste genannte Variante hätte den Vorteil, dass der Tunnel den Mannheimer Rangierbahnhof anbinden würde, der zu den größten in Europa gehört. Der Nachteil: Das Tunnelende Richtung Rangierbahnhof würde genau dort liegen, wo sich aktuell der Fahrlachtunnel befindet. Der müsste in diesem Fall also „entfallen oder verlegt werden“, wie die Bahn erklärt. Wie das bei einer derart wichtigen Verkehrsader gehen soll, ist schwer vorstellbar. Die Stadt Mannheim hatte schon vor zwei Jahren an die Planer appelliert, einen Konflikt mit dem Fahrlachtunnel zu vermeiden. Beim Tunnel, der unterhalb des Stadtgebiets von Ludwigshafens weitergehen würde, gibt es diesen Konflikt nicht. Aber auch diese Variante hat einen großen Nachteil: Es wäre ein reiner Transittunnel, ohne Anbindung des Rangierbahnhofs.
Gibt es auch Varianten, die gar keinen Tunnel in Mannheim vorsehen?
Ja. Da würden die Züge auch in Zukunft komplett über die bestehenden Trassen fahren. Als Voraussetzung für diese Option bereits zugrundegelegt ist die Reaktivierung des zweiten Gleises auf der östlichen Riedbahn zwischen Neuhermsheim und Käfertal.

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Für diese Inbetriebnahme hat die Bahn - trotz heftigster Gegenwehr von Stadtverwaltung, Kommunalpolitik und Bürgerinitiativen - inzwischen einen Planfeststellungsbeschluss vom Eisenbahn-Bundesamt. Die Arbeiten zur Reaktivierung des Gleises sollen den Angaben zufolge im Jahr 2027 starten und vier Jahre später abgeschlossen sein.
Wovon hängt es ab, ob die Bahn im Stadtgebiet Mannheim mit zwei zusätzlichen Gleisen und damit einem Tunnel plant oder nicht?
Von den zu erwartenden Zugzahlen für Personen- und Güterverkehr. Die aktuellste Prognose bezieht sich aufs Jahr 2030. Die dort erwarteten Zahlen könnte das bestehende Netz im Stadtgebiet - inklusive ausgebauter Riedbahn - „mit kleineren, zusätzlichen Ausbaubaumaßnahmen“ aufnehmen, wie eine Bahnsprecherin erklärt. „Dieses Ergebnis ist jedoch äußerst knapp, und es könnten nahezu keine weiteren Züge aufgenommen werden.“
Deshalb will die Bahn die Prognosen für das Jahr 2040 abwarten, an der Gutachter derzeit noch arbeiten. Um eine Idee von der Größenordnung der Zugzahlen zu bekommen: Die bereits einige Jahre alte Prognose für 2025 geht allein auf der östlichen Riedbahn von mehr als 250 Güterzügen pro Tag aus - das ist im Schnitt alle sechs Minuten ein Zug.
Wie geht es jetzt weiter?
Nach derzeitigem Stand will das Bahnprojekt Mannheim-Karlsruhe voraussichtlich Anfang des kommenden Jahres eine favorisierte Trassenvariante benennen. Diese wird dann - vereinfacht gesagt - unter verschiedensten Kriterien weiter vertiefend geprüft. Am Ende muss der Bundestag über den Bau entscheiden, weil der Bund für die Finanzierung solcher Investitionen ins Bahnnetz zuständig ist. Das Parlament dürfte sich erst gegen Ende des Jahrzehnts damit befassen können. Klar ist aber schon jetzt: So ein Tunnel wird mehrere Milliarden kosten.
Wenn die Bahn zum Ergebnis kommt, dass im Stadtgebiet doch ein Tunnel nötig ist: Nach welchen Kriterien wird dann entschieden, welche Variante es wird?
Es gelten nach Angaben der Sprecherin die gleichen Kriterien wie bei allen Varianten-Bewertungen im Bahnprojekt. Ziel sei es, „eine gesamthaft umwelt- und raumverträgliche Linienführung zu finden, die bestmöglich auch die verkehrlichen und betrieblichen Projektziele erfüllt sowie genehmigungs- und finanzierungsfähig ist“.
In einem anderen Bahnprojekt wird aktuell eine ICE-Neubaustrecke zwischen Mannheim und Frankfurt geplant. Für die Mannheimer Stadtteile Blumenau, Schönau, Gartenstadt und Waldhof sind hier mehrere gewaltige Lärmschutzwände vorgesehen, die trotz einer Höhe von bis zu sechs Metern die Lärmschutzvorgaben vielfach nicht werden einhalten können.
Gibt es bei der Bahn Überlegungen, die beiden Projekte zusammenzulegen und für Mannheim eine Tunnel-Lösung „aus einem Guss“ zu machen?
Danach sieht es nicht aus. Die Bahn betrachtet die beiden Projekt separat, wie die Ausführungen der Sprecherin deutlich machen. Wegen der baulichen Eingriffe bei der Einbindung der ICE-Neubaustrecke erfolge dort eine eigenständige Ermittlung der Lärmschutzmaßnahmen. „Dies ist auch unabhängig von der für das Bahnprojekt Mannheim-Karlsruhe noch zu entscheidenden Vorzugsvariante einer möglichen ober- bzw. unterirdischen Durchfahrung von Mannheim.“
Tunnel sind extrem teuer, gleichzeitig will die Bahn ihr bestehendes Netz sanieren, und im Bundeshaushalt ist die Lage ohnehin angespannt. Wie realistisch ist die Umsetzung des Bahnprojekts Mannheim-Karlsruhe überhaupt?
Die Bahn wirkt in Sachen Finanzierung wenig besorgt. Auf die Frage erklärt sie, sie halte an ihren Neu- und Ausbauvorhaben fest. Der Bund habe sich klar zur Schiene bekannt, so die Bahn-Sprecherin. Gemeinsam mit dem Verkehrsministerium „setzen wir uns dafür ein, dass der zusätzliche Mittelbedarf bis 2027 für eine leistungsfähige Schiene vollständig aufgebracht wird“.
Mehr zum Bahnprojekt unter www.mannheim-karlsruhe.de
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Verkehr Bahntunnel in Mannheim: Jede Menge Fragezeichen