Mannheim. „Wo schwerstbehinderte Kinder betreut werden, von denen sich manche gar nicht bewegen können, ist es unmöglich, die Heizung auf 20 oder 19 Grad herunter zu drehen“, erklärt Petra Röder, Geschäftsführerin von Reha Südwest Regenbogen, bei einem Pressegespräch des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Nicht nur ihr liegt am Herzen, öffentlich zu machen, warum massiv steigende Energiekosten kombiniert mit einer galoppierenden Inflation soziale Einrichtungen und Dienste besonders hart treffen.
Als Ulf Hartmann, Vorstand des „Paritätischen“ Baden-Württemberg, vor einer Woche die Einladungen für das in der Jugendherberge veranstaltete Gespräch an die Redaktionen schickt, ist noch unbekannt, dass die Landesregierung als Ergänzung zu dem Entlastungspaket des Bundes ein zusätzliches, eigenes Hilfsprogramm auflegen will. „Super!“ lautet die einhellige Botschaft der am Tisch sitzenden sozialen Träger. Aber noch sei unklar, gibt Ulf Hartmann zu bedenken, wer davon profitiert und ja in welchem Umfang: „Wichtig ist, dass die Hilfsmittel schnell und unbürokratisch abrufbar sind.“
Ob es sich um Angebote für Kinder, Jugendliche, Frauen, Familien oder für Menschen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung handelt - gleich einem roten Faden zieht sich durch die Schilderungen, dass gemeinnützige Träger begrenzt Rücklagen bilden dürfen und die nur schmalen Reserven ohnehin während der Virus-Pandemie aufgebraucht worden sind.
Mehrausgaben durch Schnelltests
„Corona hat uns richtig gebeutelt“, kommentiert Andrea Knerr, Geschäftsführerin des Kinder- und Jugendhilfezentrums Familie Wespin-Stiftung. Sie berichtet von Sonderausgaben aufgrund von regelmäßigen Virus-Schnelltests und vielen personellen Ausfällen - „weshalb wir den Pool für Vertretungskräfte aufstocken mussten“. Auch sie erläutert, warum in vielen der vorgehaltenen Einrichtungen die Raumtemperatur nicht einfach mit einem 19-Grad-Ziel gedrosselt werden könne. Beispielsweise in der Mutter-Kind-Wohngruppe.
Philipp Gerber, Geschäftsführer des Drogenvereins, betont ebenfalls, dass sich vervielfachende Energiekosten unterschiedlich herausfordern: „In unserer Beratungsstelle ist zumutbar, dass man für eine gewisse Zeit im dicken Pullover oder Mantel dasitzt - aber nicht dort, wo Menschen ihr Zuhause haben.“
„In unserer Kita kommt das dicke Ende wohl im nächsten Frühjahr“, fürchtet Petra Röder und berichtet, dass bei den mit Gas beheizten inklusiven Tagesstätten für Kinder mit und ohne Behinderung möglicherweise drei bis vier Mal so hohe Kosten wie bisher anfallen. Nicht nur die Sprecherin des Reha-Verbandes hofft auf einen milden Winter.
Dass soziale Einrichtungen am Anschlag arbeiten, weiß Sonja Lingelbach von der Paritätischen Kreisgeschäftsstelle. Aktivitäten jenseits des Berufsalltags „sind kaum noch drin“. Sie erzählt, dass bislang weit weniger Anmeldungen als sonst für den Neujahrsempfang der Stadt Mannheim im Rosengarten vorliegen, wo üblicherweise soziale Träger ihre Angebote vorstellen und das Gespräch suchen. „Aber dafür gibt es wohl kaum noch Luft.“ Wohl auch deshalb, weil vielerorts Personal fehlt. „Der Markt an Fachkräften ist leergefegt“, umschreibt Andrea Knerr von der Wespin-Stiftung eine weitere Herausforderung.
In den Redebeiträgen taucht immer wieder die Forderung nach Versorgungssicherheit auf. Denn anders als gemeinhin angenommen, müssen auch von Wohlfahrtsverbänden getragene Einrichtungen Insolvenz anmelden, wenn sie unterfinanziert sind und deshalb in rote Zahlen rutschen. „Und dies bedeutet, dass dringend notwendig Angebote eingestellt werden müssen“, sagt Ulf Hartmann und erklärt, dass schon jetzt viele Mitgliedsorganisationen des Paritätischen finanziell „mit dem Rücken zur Wand stehen“.
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