Bürgerfest

So war der Mannheimer Neujahrsempfang im Rosengarten

Viel los an den Ständen, ein Überraschungsgast bei der Rede des Oberbürgermeisters und ein Wissenschaftler, der den Weg aus der Einsamkeit in Richtung Gemeinschaft zeigt: der Mannheimer Neujahrsempfang im Rosengarten

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Timo Schmidhuber
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Großer Andrang: Den ganzen Tag über war an den Ständen von Vereinen, Einrichtungen und Unternehmen, die im Mannheimer Rosengarten aufgebaut waren, jede Menge los. © Michael Ruffler

Mannheim. Das Motto „Miteinander“ für den städtischen Neujahrsempfang hat sich ziemlich schnell mit Leben gefüllt. Kurz nach der Öffnung des Rosengartens wimmelt es im Foyer neben dem Mozartsaal schon von Menschen. Sie schlendern an den vielen Ständen von Vereinen, Einrichtungen und Unternehmen entlang, die dort aufgebaut sind.

Die MVV ist genauso dabei wie das Marchivum, das Oststadttheater oder das Mannheimer Institut für Integration und interreligiöse Arbeit. Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) wird später in seiner Rede sagen, die große Resonanz zeige, „dass die Bürger die Stadt mitgestalten wollen“. Er freue sich darüber, dass dieser städtische Neujahrsempfang jetzt schon zum 25. Mal über die Bühne geht. „Was für ein schönes Zeichen der Beständigkeit!“

ZI-Direktor Andreas Meyer-Lindenberg bei seinem Vortrag. © Michael Ruffler

Doch ehe der Oberbürgermeister seine Rede im Mozartsaal hält, präsentiert dort der Kinder- und Jugendchor des Nationaltheaters ein starkes musikalisches Zeichen für Miteinander und Zusammenhalt - mit dem Lied „A Song for Peace“, das Passagen in acht Sprachen hat. „Ein guter Einstieg für das Jahr 2025“, findet Merve Uslu-Ersoy. Die Mannheimer Filmemacherin und Musikerin moderiert gemeinsam mit der Mannheimer Olympiasiegerin im Kugelstoßen, Yemisi Ogunleye, diesen Festakt.

Großer Applaus für die olympische Goldmedaille

Dass es zwei Frauen sind, ist eine Premiere. Und dass es diese beiden Frauen sind, war ein ausdrücklicher Wunsch von Specht, der sie als zwei wichtige Botschafterinnen der Stadt sieht. Moderationserfahrung haben die beiden kaum. Aber an diesem Vormittag wirkt es so, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Der große Applaus für Ogunleye bei deren Vorstellung macht noch einmal deutlich, was für ein besonderer Erfolg eine olympische Goldmedaille doch ist. „Wie Du siehst, haben wohl einige mitgefiebert und sich über Deinen Erfolg gefreut“, sagt Uslu-Ersoy zu ihrer Co-Moderatorin. Auch für Uslu-Ersoy war 2024 ein besonderes Jahr. Ihr Film „Kismet II“, in dem es um das Leben von Gastarbeiter-Familien geht, war in Kinos in ganz Deutschland zu sehen.

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Ein kurzer Filmbeitrag des Rhein-Neckar-Fernsehens blickt dann zurück, wie 2024 für Mannheim war. Ein wichtiges Thema darin ist natürlich der tödliche Messerangriff auf den Polizisten Rouven Laur auf dem Marktplatz. Es geht aber auch um den Bau von Brücken, Radwegen und Ganztagsschulen - und wie sich der Krieg im Nahen Osten auf das Miteinander in der Stadt auswirkt.

Ein wenig zurück, aber ganz viel nach vorne blickt dann der Oberbürgermeister in seiner Neujahrsansprache. Auch dort ist das Miteinander natürlich ein zentrales Thema. „Erst der gesellschaftliche Zusammenhalt macht aus einer Stadt einen Ort, an dem man sich zuhause fühlt. Deshalb ist der Dialog wichtig“, betont Specht.

Mohammad Alsaadi (r.) mit Oberbürgermeister Christian Specht. © Michael Ruffler

Trotz aller Konflikte und Auseinandersetzungen in der Stadt, sagt er, dürfe man nicht vergessen, „dass unser Land und unsere Stadt für viele Menschen ein Ort der Hoffnung ist, der es möglich macht, sich ein neues, ein besseres Leben aufzubauen“. Als Beispiel bittet Specht Mohammad Alsaadi auf die Bühne des Mozartsaals. 2016 war er - mit damals 16 - als Geflüchteter aus Syrien gekommen und konnte kein Wort Deutsch. Mittlerweile absolviert Alsaadi eine Ausbildung zum Zahntechniker und ließ sich einbürgern.

„Tiefe Dankbarkeit gegenüber Deutschland“

„Ich stehe heute vor euch, um meine tiefe Dankbarkeit gegenüber Deutschland auszudrücken“, sagt der junge Mann den Gästen im Mozartsaal. „Ihre Hilfe hat mir nicht nur bei den ersten Schritten geholfen, sondern gibt mir auch die Kraft, nach vorne zu schauen und eine bessere Zukunft zu gestalten.“ Die Aufnahme und die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit „haben mir eine Perspektive für die Zukunft gegeben“.

Nicht mit dem Miteinander, sondern mit dem Gegenteil - der Einsamkeit - beschäftigt sich zum Schluss des Festaktes Andreas Meyer-Lindenberg. Der Psychiater und Psychotherapeut ist Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim. Die Forschungs- und Behandlungseinrichtung in der Innenstadt feiert in diesem Jahr ihren 50. Geburtstag.

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Peter W. Ragge
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Trotz der vielen Kontaktmöglichkeiten in einer Großstadt wie Mannheim und trotz der ständigen Vernetzung durch soziale Medien fühlten sich viele Menschen einsam, so der ZI-Chef. Doch was ist Einsamkeit überhaupt? „Ein Missverhältnis zwischen den sozialen Beziehungen, die man haben möchte, und denen, die man hat“, erklärt der Wissenschaftler. Bildgebende Verfahren hätten gezeigt, dass Einsamkeit bei Menschen wie ein Schmerz wirken könne. Einsamkeit könne jeden treffen, betont Meyer-Lindenberg. Es gebe aber Bevölkerungsgruppen, die besonders gefährdet seien. Zum einen ältere Menschen, weil sie zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen weniger mobil seien.

Die Moderatorinnen Merve Uslu-Ersoy (l.) und Yemisi Ogunleye. © Michael Ruffler

Aber auch Alleinerziehende und Alleinlebende sowie Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Migranten könnten aufgrund ihrer Lebenssituation ein höheres Risiko haben. Auch eine Gruppe, von der man es gar nicht erwarten würde, sei der Forschung zufolge häufig von Einsamkeit betroffen: Jugendliche und junge Erwachsene. „Trotz ihrer digitalen Vernetzung berichten viele junge Menschen von Einsamkeitsgefühlen“, so der ZI-Chef. Die ständige Vergleichbarkeit in sozialen Medien könne dazu führen, dass sie sich unzulänglich fühlten und Schwierigkeiten hätten, echte Verbindungen herzustellen. Was nach Angaben des Psychiaters und Psychotherapeuten ebenfalls Einsamkeit begünstigen kann, ist Armut: Wer wenig Geld hat, kann es sich häufig nicht leisten, an sozialen Aktivitäten teilzunehmen.

Grünflächen und Ehrenamt als Hilfe gegen Einsamkeit

Egal, was die Ursachen sind - Einsamkeit hat Auswirkungen auf die Gesundheit. Sie begünstigt laut Meyer-Lindenberg Herzkrankheiten und Schlaganfälle genauso wie Demenz oder Depressionen. „Für die Gesundheit ist Einsamkeit ungefähr insgesamt so schädlich wie 15 Zigaretten pro Tag.“ Was lässt sich also tun? Der Wissenschaftler nennt mehrere Punkte: Einer davon ist die Schaffung von Grünflächen. Zeit in der Natur wirke sich nicht nur positiv auf das Wohlbefinden aus. Grünflächen böten gleichzeitig auch Raum für gemeinschaftliche Aktivitäten. Das müsse Stadtplanung berücksichtigen.

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Meyer-Lindenberg nennt auch ganz konkrete Tipps für Menschen, die unter Einsamkeit leiden: Eine Möglichkeit sei, Vereinen oder Gruppen beizutreten. „In den Sportverein zu gehen oder miteinander zu singen.“ Noch besser sei, sich ehrenamtlich zu engagieren. Denn da knüpfe man nicht nur Kontakte, sondern könne auch „die eigene Selbstwirksamkeit erleben“. Aber nicht nur die Betroffenen selbst - auch jeder einzelne Bürger könne etwas tun, um „miteinander aus der Einsamkeit“ zu kommen, wie der Vortrag betitelt ist. „Indem wir auf Menschen zugehen und ein respektvolles Miteinander haben.“ Das, so gibt Meyer-Lindenberg den Gästen im Mozartsaal mit, sei doch ein guter Vorsatz fürs neue Jahr.

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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