Mannheim. Sie haben dafür eigens eine Personalstelle geschaffen – „durch Umstrukturierung, nicht zusätzlich“, wie Generaldirektor Wilfried Rosendahl betont: Die Reiss-Engehorn-Museen werden die Digitalisierung und die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) vorantreiben. „Wir wollen da europaweit führend sein, ich glaube, das können wir schaffen“, hat sich Leslie Zimmermann vorgenommen, der neue Referent für digitale Strategien des Museums.
Schon vor der Corona-Pandemie waren die Reiss-Engelhorn-Museen digital sehr aktiv, in der Pandemie hat das Haus mit Fördergeldern technische Ausstattung gekauft und das Angebot ausgebaut – und es danach beibehalten. Mit Erfolg: Die Social Media Kanäle haben allein 2023 ein enormes Wachstum erzielt, etwa Instagram um 58,6 Prozent auf 5266 Fans. Die Zugriffe auf Audio-Podcasts seien 2023 um 23 Prozent gewachsen, die Newsletter-Abonnenten um 34 Prozent, wie Marketing-Abteilungsleiterin Magdalena Pfeifenroth vorrechnet. „90 Prozent der musealen Arbeit passiert hinter verschlossenen Türen“, sagt Rosendahl. Mit digitalen Vermittlungsangeboten solle „der Hauptteil musealer Arbeit sichtbar gemacht werden“.
Gute Erfahrungen habe man bereits mit der App zur Ausstellung „Eiszeit-Safari“ 2016 gesammelt, die seither an allen Standorten der Ausstellung erfolgreich zum Einsatz gekommen und zudem als digitaler Mehrwert für das Begleitbuch verwendbar sei. Solche digitalen Angebote, auch Videos, Audio-Podcasts und Blog, würden bei jungem Museumspublikum und auch bei klassischen Kulturgängern gerne genutzt. Im Bereich der Inklusion arbeite man ebenso mit digitalen Formaten, etwa Videos mit Gebärdensprache.
Allerdings sei die Zielgruppe des Museums heterogen, weiß Rosendahl. Es gebe weiterhin „einen wichtigen Anteil“ Besucher, der sich analog informiere. „Deshalb fahren wir zweigleisig“, erklärt Pfeifenroth: „Beispielsweise gibt es weiter ein gedrucktes Quartalsprogramm und Ausstellungsflyer zeitgleich zum elektronischen Newsletter. Es gibt eine gedruckte Faltkarte mit Ausflugstipps, aber sie ist auch online verfügbar.“ Häufig fehle es noch an Finanzierung oder Personalstellen für digitale Angebote, weshalb Online-Führungen oder Online-Veranstaltungen nicht möglich seien.
Digitale Erschließung der historischen Kostümentwürfe
Leslie Zimmermann soll nun aber die Digitalisierung vorantreiben. Zuvor beim Städel und der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern tätig, hat er gerade auf einer Fachtagung in Berlin seine Ideen vorgestellt. Künstliche Intelligenz könne für Museen „eine Revolution“ darstellen, so Zimmermann. Aber Museen seien Institutionen im Dienst der Gesellschaft, betont Rosendahl. Man wolle daher Sorgen und Hoffnungen ernst nehmen, von Anfang an alle Mitarbeiter mitnehmen. Zimmermann setzt zunächst auf „kleine, agile Projekte, die schnell umgesetzt und bei Bedarf flexibel angepasst werden können“. Er arbeitet derzeit an einer Initiative zur Modernisierung des Archivmanagements, um Prozesse zu beschleunigen und die globale Zugänglichkeit der Sammlungen zu verbessern, am Einsatz in der Provenienzforschung und konkret für die Theatersammlung an der digitalen Erschließung der historischen Kostümentwürfe und der Porträtbilder des Opernensembles, die – mal als Test – automatisiert katalogisiert und beschrieben werden sollen.
Auch die Kunsthalle hat mit Heiko Daniels einen Mitarbeiter für Digitale Strategie und Neue Medien. Er betrieb gemeinsam mit dem Kunstmuseum Stuttgart ein Forschungsprojekt „Vom Werk zum Display“, um für 22 ausgewählte Werke aus den Sammlungen beider Häuser ein digitales Vermittlungsformat zu erarbeiten. Unter anderem wurde Édouard Manets Werk „Die Erschießung Kaiser Maximilians“, das wertvollste Werk der Kunsthalle, mit drei weiteren Versionen aus Museen in Boston, London und Kopenhagen virtuell überlagert. „Das lässt sich dann auf einem Tablet im Museum in unmittelbarerer Nähe zum Original, zu Hause oder unterwegs auf dem eigenen Endgerät betrachten“, so Daniels Kollegin Nina Reinhardt über das von der Kulturstiftung des Bundes geförderte Projekt, das am 20. Juni präsentiert werden soll.
Schon jetzt neu angeboten wird von der Kunsthalle der Online-Ticket-Express-Druck. Sobald die Jahreskarte oder das Online-Ticket bei einem neuen Automaten eingelesen sind, gibt der ein kleines Klebeetikett aus, das auf der Kleidung angebracht wird und das Anstehen an der Kasse erspart. „Das wird gut angenommen und bereits jetzt von über zehn Prozent der Besucher genutzt“, so Reinhardt. Zudem werde die Museumsapp regelmäßig aktualisiert. Zur Ausstellung „Zwischen einer Linie“ enthält sie einen Audioguide mit den Künstlerinnen Katharina Hinsberg und Monika Grzymala, die ihre Arbeiten beschreiben.
Marchivum-Ausstellungen gelten als Vorreiter
Zu den Vorreitern bei der Digitalisierung zählt das Marchivum – sind doch sowohl die Stadtgeschichtliche Ausstellung als auch die zur NS-Zeit auf neuestem Stand multimedial und interaktiv sehr attraktiv gestaltet, womit das Marchivum auch bundesweit Maßstäbe gesetzt hat, etwa mit dem digitalen Stadtmodell oder den animierten Kurfürsten-Bildern, die miteinander sprechen.
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Und das ist nicht alles: In der Corona-Zeit entstanden, werden sowohl der wöchentliche Blog als auch die Live-Übertragung nahezu aller Vorträge und Ausstellungseröffnungen ins Internet seither fortgesetzt – mit großem Erfolg. Das sowie der Newsletter mit 1700 Abonnenten erfreuten sich „großer Beliebtheit“, sagt Sebastian Steinert vom Marchivum: „Der Blog zum Beispiel gehört mit zu den meistfrequentierten Unterseiten auf unserer Homepage.“ Andere Angebote dagegen „müssen noch bekannter werden“, wozu er etwa den Podcast zählt, „Zeitzeugen online“, wo Videointerviews mit Zeitzeugen ausgestrahlt werden, oder die digitale Sprechstunde, mit der das Marchivum neue, interaktive Wege beschreitet. Dabei können Interessierte an ausgewählten Terminen live von Zuhause oder von unterwegs in einem Online-Meeting mit Marchivum-Experten zu ausgewählten Themen kommunizieren, und sie erhalten direkt Antworten auf ihre Fragen.
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