Serie "Orte der Demokratie"

Wie das Mannheimer Schloss bürgerlich wurde

Es war mal absolutistische Machtdemonstration. Aber dann erlebt das Schloss Mannheim zwei Revolutionen, wird Museum und beherbergt nun die Universität Mannheim

Von 
Peter W. Ragge
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Das Mannheimer Schloss in den 1920er Jahren, als es zum Museum und Bürgerschloss wurde. © Reiss-Engelhorn-Museen

Mannheim. Es klingt wie ein Widerspruch: Ein Barockschloss, also ein absolutistisches Bauwerk, als Ort der Demokratie? Aber der monumentale Prachtbau in Mannheim, einst als Machtdemonstration des Kurfürsten von der Pfalz errichtet, hat auch revolutionäre Zeiten erlebt, sich über die Jahrhunderte gewandelt und ist zum Bürgerschloss geworden.

Als Kurfürst Carl Philipp 1720 Heidelberg verlässt und in Mannheim den Grundstein für ein neues Schloss legt, will er nicht einfach nur eine neue Residenz. Er will zeigen, wer er ist – einer der sieben Regenten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, welche den Kaiser wählen dürfen. Er vertritt als Reichsvikar den obersten Herrscher nach seinem Tod. Carl Philipp ist damit einer der Mächtigen Europas, und 1742 wohnt in Mannheim bei ihm sogar kurze Zeit ein Kaiser.

Landschaftsgarten des Schlosses wird für alle Bürger zugänglich gemacht

Aber die höfische Pracht endet 1778 mit der Verlegung der Residenz nach München. Der höfische Glanz lebt nur kurze Zeit wieder auf, als 1819 bis 1890 Großherzogin-Witwe Stéphanie de Beauharnais Mannheim als Witwensitz zugewiesen bekommt. Sie lässt Gartenbaudirektor Johann Michael Zeyher zwischen Schloss und „Schnickenloch“ einen Landschaftsgarten im englischen Stil anlegen und ihn für alle Bürger zugänglich machen – der erste Schritt zur Demokratisierung.

Als es im April 1848 während der Revolution zu Gefechten an einer Barrikade bei der Rheinbrücke kommt, ist der Schlossgarten Teil dieser Kämpfe – und auch das Schloss selbst, aus dem die deshalb Großherzogin-Witwe zeitweise flüchtet. Während des Badischen Aufstands im Frühjahr 1849 befindet sich in einem Seitenflügel die Kommandantur der Bürgerwehr, und im Schlosshof stehen die Kanonen der Aufständischen.

Als der spätere BASF-Gründer Friedrich Engelhorn, Kommandant der Mannheimer Bürgerwehr, erkennt, dass die Lage für die Demokraten aussichtslos ist, will er weitere Zerstörungen und Todesopfer verhindern und übergibt diese Kanonen preußischen Soldaten.

Revolutionäre im November 1918 in der Eingangshalle und dem Treppenhaus, auf einer Zeichnung festgehalten. © marchivum

Ein paar Jahrzehnte später ist das Schloss erneut Schauplatz der Revolution, obwohl gar kein Regierungssitz. Am 9. November 1918 besetzt der Arbeiter- und Soldatenrat zahlreiche öffentliche Gebäude, darunter das Schloss. Von hier nimmt er Telefonkontakt zur badischen Regierung in Karlsruhe auf, um seine Forderungen zu übermitteln. Volkswehr und Sicherheitspolizei ziehen in die ehemals großherzoglichen Räume, die Räterepublik wird ausgerufen.

Das große Holztor des Mittelbaus, das sich sonst nur den bei Hofe eingeladenen, ausgewählten Personen geöffnet hat, steht plötzlich jedem offen. Marodierende Gruppen ziehen über Monate über die Flure, richten Schäden an. Am 2. Februar 1919 wird das Amtsgericht, am westlichen Schlossflügel gelegen, gestürmt und geplündert, Zellen im Keller werden geöffnet und Gefangene befreit.

Haus Baden dankt 1918 ab, das Schloss Mannheim wird verstaatlicht

1918 dankt das Haus Baden ab und ist Geschichte. Das Schloss Mannheim fällt an den badischen Staat. Danach wird es Sitz des Landespreisamts (das die Inflation auch nicht in den Griff bekommt), der Ortskohlen- und der Landeskohlenstelle sowie sogar der französischen Kohlenstelle, die von hier aus die Versorgung der linksrheinischen, französisch besetzten Pfalz mit Heizmaterial sichern soll.

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Gemäß „Abfindungsgesetz“ zwischen der neuen Republik Baden und der Familie des ehemaligen Großherzogs von 1919 dürfen die früheren Herrscher bei den Gebäuden, die an den Staat fallen, zumindest einen Teil der Ausstattung behalten. „Das haben die Mannheimer als sehr undemokratisch empfunden“, weiß Uta Coburger, heute Konservatorin der Staatlichen Schlösser und Gärten für Schloss Mannheim. Schließlich werden viele kostbare Einrichtungsgegenstände wie Uhren, Porzellane, Vasen, aber vor allem die edlen Tapisserien als Familienbesitz nach Karlsruhe und Baden-Baden abtransportiert.

Mitte der 1950er Jahre zieht dann die Universität in das Mannheimer Schloss ein

Ironie der Geschichte: 1995, als die markgräfliche Familie Geld braucht und privates Inventar in großem Stil versteigert, gibt das Land Baden-Württemberg für 100 Kunstgegenstände 10,1 Millionen D-Mark aus. Darunter sind auch die wertvollen Gobelins, die wieder im Mannheimer Schloss hängen, seit es 2007 als Museum mit rekonstruierten Räumen eingerichtet worden ist.

„Ein demokratischer Ort wurde das Schloss als Schlossmuseum aber schon in den 1920er Jahren – statt ausgewählter Gäste durfte nun jeder in die Beletage“, so Uta Coburger. „Das war ein wichtiger Moment der Verbürgerlichung und Demokratisierung eines feudalen Sinnbildes“, meint sie. Dieses erste Schlossmuseum ist eine Idee des ersten Stadthistorikers Friedrich Walter. Der Mannheimer Altertumsverein beantragt es bereits 1919. Eröffnet wird es aber erst 1926 in vom badischen Finanzministerium mietfrei überlassenen Räumen.

Getragen von Stadt und Mannheimer Altertumsverein, umfasst es Sammlungen des Altertumsvereins aus großherzoglicher und kurfürstlicher Zeit. Die Sammlungen wachsen auch, vor allem durch Ankäufe sowie Stiftungen von Bürgern und Vereinen. Große Teile der Exponate werden indes, da nicht rechtzeitig ausgelagert, im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die Reste befinden sich heute größtenteils in den Reiss-Engelhorn-Museen. Noch demokratischer wird das Schloss, als die Jugend einzieht, nachdem ab 1955 die Wirtschaftshochschule und spätere Uni den Ostflügel nutzt.

Redaktion Chefreporter

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