Mannheim. Am Mittwoch, 2. April, startet im Rosengarten der 14. Deutsche Seniorentag. Eine gute Gelegenheit, „alt sein beziehungsweise für alt gehalten werden“ blitzlichtartig auszuleuchten. Ohne Anspruch auf ausgewogene Vollständigkeit habe ich mir dazu als 76-jährige Journalistin, die über ein halbes Jahrhundert im Beruf ist, Gedanken gemacht. Du liebe Güte, klingt das „antik“!
Alt werden möchten alle, aber nicht alt sein. Klar ist man so alt, wie man sich fühlt. Weshalb die Medizin biologisches und kalendarisches Alter unterscheidet. Aber für was man zu alt ist, darüber befinden jene, die noch nicht alt sind. Alt sein spiegelt auch die Sprache – wenngleich selbst Worte „veralten“. Als junge Redakteurin habe ich unbekümmert Menschen als Greis oder Greisin bezeichnet, die jünger waren, als ich heute bin. Inzwischen mutet die vom Mittelhochdeutschen „grau“ abgeleitete Bezeichnung fast satirisch an. Weshalb Jürgen von der Lippe, der gerade als Komiker-Oldie im Mannheimer Capitol begeisterte, zu frotzeln pflegt, nichts gegen die Schlagzeile zu haben „Greis rockt knallvollen Saal“.
Steile Polit-Karrieren jenseits von Pensionierungsgrenzen
Bei der Suche nach einschlägigen Artikeln ploppt im Internet ein von mir vor acht Jahren im „Mannheimer Morgen“ veröffentlichter Text auf. Und der endet: „Tja, mit dem Alter ist es so eine Sache!“ Damals, 2017, galt, dass auf dem Jobmarkt selbst gut qualifizierte Mittfünfziger zum „alten Eisen“ gehörten, wie die Agentur für Arbeit konstatierte.
Deutscher Seniorentag in Mannheim
Öffnungszeiten:
- Mittwoch, 2. April: 9 - 18 Uhr
- Donnerstag, 3. April: 9 - 18 Uhr
- Freitag, 4. April: 9 - 16 Uhr
- Die Eintrittskarten berechtigen zum Besuch aller Veranstaltungen und der Messe des Deutschen Seniorentages im Congress Center Rosengarten. Tageskarte: 15 Euro, 3-Tage-Karte: 35 Euro.
- Während der Veranstaltungstage sind Eintrittskarten direkt an der Tageskasse im Congress Center Rosengarten erhältlich. Onlinebestellung, Ermäßigung, Telefon bei Fragen und mehr unter: https://www.deutscher-seniorentag.de/besucher/eintrittskarten
- Auch der „Mannheimer Morgen“ ist mit einem Stand vor Ort . Redakteurinnen und Redakteure stehen für Interessierte und Leserinnen und Leser bereit. Der „MM“ informiert zudem umfassend über seine digitalen Produkte und Angebote. Außerdem erwartet Interessierte das Reisegewinnspiel mit tollen Preisen. Sie finden das Team des „MM“ täglich am Stand E05. Redaktionssprechstunde am Freitag, 4. April, 10 bis 15 Uhr. see
Gleichzeitig erklommen Polit-Akteure jenseits der Pensionierungsgrenze Karriereleitern: Der mächtigste Mann der Welt, Donald Trump, hatte schon bei der ersten US-Präsidentschaft sein 70. Lebensjahr vollendet. Was für den baden-württembergischen Ministerpräsidenten während der zweiten von drei Legislaturperioden zutraf. Würde der amtierende „Ländle“-Chef auf die Idee kommen, privat im Urlaub ein Auto zu mieten, könnte der 76-Jährige, insbesondere im Ausland, an der Altershöchstgrenze scheitern.
Wow, Bestattungsvorsorge bis zum 95. Geburtstag
Auch wenn die Tourismusbranche Senioren und Seniorinnen global umgarnt, haben diese Mühe, jenseits der 75, aber auch ab 70 eine Reiseversicherung zu finden, die keine Altershöchstgrenze hat beziehungsweise einen moderaten „Grufti-Aufschlag“ (so der Volksmund) verlangt. Die Autorin weiß, wovon sie schreibt. Bei ihrer letztjährigen Thailand-Reise hatte sie mit 75 auf den letzten Drücker Glück, dass ihre Kreditkarte Versicherungsschutz gewährte. Dafür lassen ihr mehrere Assekuranzen zum Abschließen einer Bestattungsvorsorge noch vier Jahre Zeit – und ein Anbieter gar bis zum 95. Geburtstag. Wow, das ist ja mal was!
Für alt und damit für arglos-senil gehalten zu werden, kann sich ziemlich kurios festmachen: Als in einem Prozess um betrügerische Schockanrufe das Ausbaldowern von Rufnummern zur Sprache kommt, berichtet ein Angeklagter, Telefonbücher nach ältlich klingenden Vornamen zu durchforsten, die leichte Opfer verheißen. Beispielhaft taucht „Waltraud“ auf. Nicht nur dieses eher skurrile Erlebnis bringt ins Grübeln. Als frei schaffender Rentner-Redakteurin geht mir durch den Kopf, dass ich zwar über spannende Fälle aus Gerichtssälen berichte, aber als Schöffin nicht mehr in Betracht käme: Weil Ehrenamtliche auf der Richterbank bei ihrer Berufung jünger als 70 sein müssen. Eine Altersvorgabe, die freilich nicht für Anwälte gilt. Und so hat bei einem pensionierten Mannheimer Oberstaatsanwalt die schwarze Robe keineswegs ausgedient, der Endsiebziger wechselt lediglich die Seite im Gerichtssaal.
Muse küsst auch Hochbetagte – wenn sie will
Apropos Justiz - die bestätigt Sprichwörtliches: Alter schützt vor Torheit nicht. Aber genauso wenig schließt das Alter Tore im Alleingang – da bedarf es schon Verbündeter wie Krankheit. Mir kommt der höchstdotierte lebende, nach wie vor präsente Künstler Gerhard Richter in den Sinn, der 88 war, als er vor fünf Jahren bekanntgab, nicht mehr für seine Riesengemälde auf Leitern zu steigen und den Pinsel wegzulegen. Klar würde wohl jeder und jede liebend gern bis ins hohe Alter von der Muse geküsst werden. Gleichwohl wäre töricht anzunehmen, man könne dieses Geschenk mit Joggen und Joghurt oder sonst wie erzwingen.
Wie es sich wohl früher verhielt, als die meisten Menschen starben, ehe sie (aus heutiger Sicht) alt waren? Vermutlich nicht viel anders - sofern es gelang, entgegen lausiger Lebenserwartung lange zu leben. Schließlich nahm Goethe noch 82-jährig an seinem Faust letzte Manuskriptänderungen vor. Und der von ihm literarisch geadelte Götz von Berlichingen hat mit seinem berühmt-berüchtigtem „Kann mich mal!“-Ausspruch dem damals üblichen Höchstalter getrotzt. Vom ewig jungen Traum der Freiheit beseelt wurde er anno 1562 „uber etlich und achtzig Jahr“.
„Die Zeit verwandelt uns nicht, sie entfaltet uns nur“, so der zeitgenössische Schriftsteller Max Frisch. Wie wahr. Warum sich also über Falten der Haut grämen, statt sich der „Viel-Falt“ des Lebens zu erfreuen. Jedenfalls so lange es geht. In welchem Alter auch immer.
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