Mannheim. Es soll eigentlich eine öffentliche Besprechung der „Letzten Generation“ werden, wie es mit den Protesten weitergeht. Zum Treffen im Naturfreundehaus im Herzogenried erscheint dann aber keine Gruppe, sondern nur eine einzelne Person. „Alle anderen sind in der GeSA, der Gefangenensammelstelle“, sagt Leo Elgas.
Fünf oder sechs Aktivisten seien bei der Klebeaktion am Nachmittag verhaftet worden, erklärt er. Am Anfang sei die „Letzte Generation“ noch ignoriert worden. Die Strafen würden nun aber zeigen, dass es ein politisches Interesse gibt, mit den Aktionen aufzuhören, meint Elgas. „Ich weiß nicht, ob wir gewinnen werden. Aber bestraft werden wir.“
Einen Tag später kommen im Jugendkulturzentrum Forum Aktivistinnen und Aktivisten von verschiedenen Gruppen aus ganz Deutschland zusammen, um bei der „Mannheimer Konferenz für Klimagerechtigkeit“ zu beratschlagen, mit welchen Strategien die Bewegung weiterkommt. In einer Podiumsdiskussion sprechen am Abend Aktivistinnen und Aktivisten fast zwei Stunden lang über Chancen, Strategien und Probleme der Klimabewegung.
Wer steht eigentlich hinter der Klimabewegung?
Es gibt nicht die eine Gruppe, die für Proteste der Klimaschutzbewegung verantwortlich ist. Vielmehr entsteht bei der Konferenz zeitweise der Eindruck, die Bewegung gleicht einem Flickenteppich. Im Forum diskutieren Vertreterinnen und Vertreter zahlreicher Organisationen und Gruppierungen miteinander über den ihrer Meinung nach richtigen Weg für den Klimaschutz.
Neben etablierten Gruppen wie „Ende Gelände“ und „Fridays for Future“ sind auch recht neue Gruppen wie „End Fossil“ oder „Die letzte Generation“ auf dem Podium. Nach der Räumung des Dorfes Lützerath stehen dagegen andere Gruppen wie „Lützerath lebt“ vor dem Aus.
Mitglieder würden sich Initiativen mit längerfristigen Zielen anschließen, erklärt Aktivist Florian aus Heidelberg, der wie alle anderen nur mit Vornamen auftritt. Alle Gruppen verfolgen das gleiche Ziel: mehr Klimaschutz, und das zu sozial-verträglichen Bedingungen. In der Art und Weise aber sind sie sich teilweise nicht einig.
Wie positionieren sich die Gruppen zur „Letzten Generation“?
Schwierig. Eine wirklich klare Haltung dazu gibt es nicht. Man äußere „solidarische Kritik“ an der „Letzten Generation“, erklärt Franzi von „Ende Gelände“. Aber man distanziere sich nicht. Konkret bedeutet das: Mehrere Aktivistinnen und Aktivisten kritisieren an dem Abend die Form der Proteste der „Letzten Generation“, solidarisieren sich aber mit der Gruppe beim gemeinsamen Ziel Klimaschutz.
Blockaden verärgern Menschen und wirken deshalb als Bremse für die ganze Bewegung
„Ende Gelände“ setzt sich in der Anti-Atom- und -Kohlekraft-Bewegung ein und blockiert mindestens einmal im Jahr Kraftwerke. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft „Ende Gelände“ als „linksextremistisch beeinflusst“ ein. Amadeo von „Fridays for Future“ Köln gesteht der „Letzten Generation“ indes zu: „Sie hat es geschafft, mit einem hochschwelligen Angebot verhältnismäßig viele Menschen für den Klimaschutz zu gewinnen.“
Er kritisiert aber auch: „Blockaden verärgern Menschen und wirken deshalb als Bremse für die ganze Bewegung.“ Die Aktions- und Protestformen seien „eine Hürde, wenn es darum geht, eine Zusammenarbeit innerhalb der Klimabewegung zu finden“. Der Aktivist verweist unter anderem auf Angestellte des ÖPNV, die aufgrund von durch Blockaden erzeugten Staus im Fahrplan verspätet seien oder Überstunden machen müssten.
Was sagt die „Letzte Generation“ zu dieser Kritik?
Evelyn, sie kommt aus Weinheim, geht nur kurz darauf ein. „Ihr habt eure Projekt, wir unsere – ihr müsst uns dabei nicht groß unterstützen.“ Stattdessen sei der Austausch wichtig, um sich zu solidarisieren. „Es gehört zum Konzept des zivilen Ungehorsams, dass Menschen damit nicht zurecht kommen.“
Welche Strategien verfolgen die Gruppen in den kommenden Jahren – auch in Mannheim?
Die „Letzte Generation“ kündigt an, ihre Proteste in bekannter und fast schon gewohnter Art fortführen zu wollen – auch in Mannheim. Die spektakulärste Ankündigung des Abends äußert Amadeo für „Fridays for Future“.
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Die Gruppe wolle die vor Wochen erprobte Zusammenarbeit mit Gewerkschaften im Verkehrsbereich ausbauen. Ob Mannheim dazu bereit sei, über den Sommer hinweg mit Beschäftigten des ÖPNV eine Bewegung aufzubauen, fragt er. „Seid ihr bereit, mit dieser Bewegung im März 2024 auch Mannheim lahmzulegen?“ Kaum überraschend erntet er dafür vom politisch wohl wenig diversen Publikum großen Applaus.
Indes glaubt Joni von der Göttinger Gruppe „End Fossil“, dass sich von der noch recht jungen Initiative immer mehr Ableger bildeten – in ganz Deutschland. „End Fossil“ besetzt Klassenzimmer in Schulen und Hörsäle oder Seminarräume in Hochschulen und Universitäten, um mit jungen Menschen über die Klimakrise zu sprechen. „Schulen und Unis sind für die Bildung und die Politik essenziell“, begründet Joni die Orte der Aktionen.
Extremisiert sich die Klimabewegung also immer stärker?
Das ist schwer zu prognostizieren. Die Diskussion lässt aber zumindest eine zunehmende Radikalität erahnen – das war zuletzt auch abseits des Podiums zu beobachten. So hat etwa die Zahl der Aktionen der „Letzten Generation“, auch in Mannheim, zugenommen. Die Politik erfüllt nach Meinung der Gruppe deren Forderungen nicht.
Sowohl beim Treffen mit Elgas als auch bei der Diskussion im Forum wird klar: Das Vertrauen in die Politik fehlt – gerade die Grünen werden mehrfach kritisiert. Die Aktivisten und Aktivistinnen sind darin einig, deutliche Proteste etablieren zu wollen, um den Druck zu erhöhen. „Wir müssen anerkennen, dass auf Parlamente und Politik kein Verlass ist“, sagt Franzi von „Ende Gelände“.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Der Umgang mit der "Letzten Generation" ist eine Gefahr für die Demokratie