Hochschule

Rektor der DHBW Mannheim: „Wir müssen dort handeln, wo wir es wirklich können“

Nachdem ein Studierendenvertreter die DHBW Mannheim kritisiert hat, sie arbeite nicht nachhaltig, spricht Rektor Georg Nagler über den Vorwurf, über die Hoffnung auf neue, energieeffizientere Gebäude und sein Verständnis von Nachhaltigkeit an einer Hochschule

Von 
Sebastian Koch
Lesedauer: 
An der DHBW Mannheim studieren etwa 5600 Menschen in einem dualen System. © DHBW Ma/Anna Logue

Mannheim. Herr Nagler, der Studierendenvertreter der DHBW, Hauke Platte, hat im Interview mit dieser Redaktion den Standort Mannheim recht scharf kritisiert. „Ich darf mir regelmäßig anhören, dass wir eine total nachhaltige Hochschule sind. Wenn es dann aber um Details geht, wird erzählt, dass wir ja nicht als Hochschule nachhaltig sein müssen, sondern wir Studierende nur ausbilden müssten, wie man in Zukunft nachhaltig sein kann.“ Was sagen Sie dazu?

Georg Nagler: Das Thema Nachhaltigkeit ist ein weites Feld, dem sich auch unsere Präsidentin Martina Klärle für ihre erste Amtszeit angenommen hat. In Mannheim sind wir in einer Situation, in der wir unsere vorhandenen Gegebenheiten betrachten müssen. Das beginnt, da stimme ich Aussagen von Herrn Platte im Interview mit Ihnen vollkommen zu, mit der Raumsituation .

Er sagt, es gebe fast keine Räume mehr für Studentinnen und Studenten, und Renovierungen könnten nicht durchgeführt werden, weil Räume nur angemietet seien.

Nagler: Genau. Etwa 70 Prozent unserer Fläche ist angemietet. Das hat damit zu tun, dass wir vor 49 Jahren mal mit 40 Studenten in Mannheim begonnen haben. Jetzt sind wir 5600 – das sind etwa 140 Mal so viele. Wenn man sich staatliche Planungsprozesse anschaut, weiß man, dass Hochschulbau eine Frage von Jahrzehnten ist. Schauen Sie sich die Friedrichsparkbebauung der Uni an: Als ich 2013 in Mannheim angefangen habe, ist das schon diskutiert worden – bis jetzt ist noch keine einzige Baumaßnahme erfolgt.

Wir kämpfen seit 15 Jahren für einen Neubau, in dem wir technische Studiengänge in einem modernen Campus zusammenführen wollen.

Was bedeutet das für die Nachhaltigkeit der DHBW?

Nagler: Dort, wo wir bauen könnten, werden Standards realisiert. Dort, wo wir eingemietet sind, haben wir Gebäude angemietet, die zum damaligen Zeitpunkt aus Haushaltssicht im Rahmen des Möglichen waren – meistens haben die einen Klimaschutzstandard, der 40 Jahre alt ist. Wir sind deshalb bestrebt, dass Neubauten kommen. Meiner Meinung nach gleichen vernünftige Neubauten rentierlich das aus, was wir in jetzigen Gebäuden für Energie ausgeben. Ich muss aber die Gegebenheiten zur Kenntnis nehmen: Wir als DHBW sind über die Gebäude in der Colbitzallee, in Käfertal und in Eppelheim nicht mal verfügungsberechtigt – das ist das Vermögen- und Bauamt (VBA) in Heidelberg.

Das heißt, Sie haben wenig Gestaltungsspielraum bei der Planung?

Nagler: Im Prinzip, ja. Wenn ich ein nachhaltiges und energieeffizientes Gebäude bauen will, kann ich das nicht so einfach. Ich kann Bedarf melden und appellieren, dass das Amt daraus Schlüsse zieht. Wir hatten bei der Planung des Glücksteinquartiers eine Wissenschaftsmeile vorgeschlagen: Von der Hochschule auf dem Lindenhof über die DHBW im Glücksteinquartier bis zur Uni im Schloss. Das wurde wohl aus Gründen der Realisierungsgeschwindigkeit abgelehnt – und wenn ich das Tempo sehe, von dem, was dort jetzt alles gebaut wurde, aus Stadtsicht zurecht. Wir kämpfen seit 15 Jahren für einen Neubau, in dem wir technische Studiengänge in einem modernen und effizienten Campus zusammenführen wollen. Wir könnten dann wenig nachhaltige Gebäude entmieten. Die Bauten bekommen wir aktuell nicht. Auch das VBA ist da ein Getriebener: Die haben so viele Baustellen mit Hochschulbauten. Die DHBW ist eines ihrer Probleme – aber, mit Verlaub, nicht das größte.

Sie geben Herrn Platte Recht, wenn er sagt, die Gebäude seien wenig nachhaltig. Gibt es keine anderen Möglichkeiten, dass duales Studieren in Mannheim in nachhaltigeren Gebäuden als jetzt möglich ist?

Nagler: Es ist absehbar, dass der Gewerbegebietsbereich in Neuostheim neu strukturiert wird. Das hat im Eastside positiv begonnen und setzt sich nun bei uns fort, weil auch andere Immobilien veraltet sind. Bei der Umstrukturierung bemühen wir uns um Neuanmietungen, wenn sie möglich sind. Letztlich muss es nicht immer ein neuer Bau sein – auch durch Neuanmietungen und Umzüge in modernere Gebäude kann man nachhaltiger sein als davor.

Seit 2013 DHBW-Rektor

  • Georg Nagler wurde im März 1959 in Amberg geboren.
  • Nachdem er das Abitur als Jahrgangsbester mit 1,0 abschloss, studierte er Rechtswissenschaften in München.
  • Seit 2013 ist Nagler Rektor der DHBW Mannheim. Zuvor arbeitete er u.a. am Landratsamt Amberg-Sulzbachsowie an der Fachhochschule Biberach und war Gründungspräsident der Fachhochschule Hof. 

Was müsste ein Gebäude für die DHBW mitbringen, damit man dort vernünftig studieren kann?

Nagler: Da unterscheiden wir uns von Universitäten. Wir haben keine großen Vorlesungen, sondern arbeiten im Schnitt mit maximal 35 Menschen pro Gruppe. Deshalb könnten wir großflächige Büroräume in Seminarräume umwandeln. Die Bautätigkeiten in den letzten Jahren machen mich prinzipiell zuversichtlich, Ersatzanmietungen vornehmen zu können, die zeitgemäß sind – wenn wir das genehmigt bekommen. Wir sind aber eben nicht unser eigener Hausherr. Wir sind nicht mal Herr unserer Heizungen, die auch vom VBA gesteuert und bezahlt werden.

Das ist für junge Menschen wohl eher unbefriedigend.

Nagler: Ich kann die Unruhe absolut verstehen. Aber nochmals: Mir sind als Rektor ein Stück weit die Hände gebunden, wenn es darum geht, konstruktive Nachhaltigkeit zu realisieren. Was ich für mich in Anspruch nehme: Ich habe bei entsprechenden Stellen hinterlegt, dass man angemietete Gebäude verlassen sollte, um in neue, nachhaltige umzuziehen, wenn das sinnvoll ist. Das war so nicht immer auf dem Radar.

Gibt es denn aktuell genug Räume, um zu lehren und zu lernen?

Nagler: Es ist eng, aber wir haben die Räume. Uns fällt da ein bisschen der eigene Erfolg auf die Füße. Wir hatten die meisten Studierende nach dem Doppel-Abitur 2013 und 2014. Damals haben wir mehr als 6500 auf den drei Geländen untergebracht. Wenn ich jetzt sage, wir brauchen mehr Räume, höre ich: „Sie haben den doppelten Abi-Jahrgang auch durchgebracht.“ Deswegen glaube ich derzeit nicht daran, dass wir mehr Fläche bekommen. Wir müssen also dafür sorgen, die jetzigen Flächen für unsere Bedarfe qualifiziert herzurichten. Das gelingt uns mit bescheidenen Mitteln.

Mehr zum Thema

Neue Folge

Podcast "Mensch Mannheim": DHBW-Rektor Georg Nagler und die Macht der Rhetorik

Veröffentlicht
Von
Karsten Kammholz
Mehr erfahren
Hochschulen

Präsenzlehre, Klimaschutz, Inflation: So blicken Mannheimer Studierendenvertreter auf das Jahr zurück

Veröffentlicht
Von
Sebastian Koch
Mehr erfahren
Hochschule (mit Video)

DHBW Mannheim begrüßt rund 1400 Erstsemester

Veröffentlicht
Von
Tanja Capuana
Mehr erfahren

Ihr Studierendenvertreter hat kritisiert, dass es auch im Studienbetrieb an Nachhaltigkeit mangelt. Ich vermute, das sehen Sie anders.

Nagler: Ich möchte für uns in Anspruch nehmen, dass wir eine respektable Liste an Maßnahmen ergriffen haben. Die Wichtigste: Wir haben mit den Studierenden das Projekt „Wasser für alle“ auf die Beine gestellt. Jede und jeder kann seine Flasche mitbringen und an Spendern auf dem Campus kostenlos Wasser zapfen. Beim Essen arbeiten wir mit dem Studierendenwerk Mannheim zusammen, das bei Nachhaltigkeit eines der am weitesten fortgeschrittenen Werke ist. Bei Nachhaltigkeitsmanagern tun sich Hochschulen schwer: DHBW und die Hochschulen für Angewandte Techniken müssen sich eine Stelle teilen, während die Universität Mittel für ein ganzes Referat hat. Manchmal darf man neidisch sein.

Nachhaltigkeit bei Wasser und Essen sind wichtig, keine Frage. Aber das sind im gesamten Betrieb doch nur relativ kleine Aspekte.

Nagler: Wir haben Maßnahmen ergriffen, die teilweise auch anderswo bekannt sind: Zum Beispiel ist die Raumtemperatur bei Lehrzeiten auf 19 Grad beschränkt – in Sozial- und Verkehrsflächen sogar auf 15 Grad. Da sind wir temperaturtechnisch kurz vor Südschweden (lacht). Es gibt frühere Gebäudeschließungen und angepasste Lüftungsintervalle. Viele Maßnahmen werden im Kleinen umgesetzt. Wir stellen auf LED, haben Energiescouts und appellieren an eigenverantwortliches Handeln. Mir ist bewusst, dass das nicht alles sein kann und im Zweifel nicht ausreicht. Ich bitte aber eines zu bedenken: Wenn man Nachhaltigkeit ganzheitlich sieht, stellt sich die Frage, wo eine Hochschule ihre strategische Verantwortung sieht.

Bei uns geht’s nicht um „Fridays for Future“, sondern um „Everyday for Future“.

Da kommen wir auf das anfangs zitierte Statement von Platte zurück. Was bedeutet für Sie „Nachhaltigkeit“ im Studienbetrieb?

Nagler: Wir sind dabei, das Thema Nachhaltigkeit in allen Lehr- und Studienplänen zu integrieren. Wir haben ein Wasserstoffzentrum in Eppelheim etabliert und sind dabei, am Standort Mannheim die Brennstoffzellentechnologie als Kompetenzzentrum für die gesamte DHBW zu entwickeln. Beim Handel geht’s um Lieferketten, im Maschinenbau um ökologische Techniken. Wir sehen Nachhaltigkeit als ganzheitliches Thema, bei dem wir durch Lehrinhalte Bewusstsein schaffen. Für mich ist entscheidend: Wenn ich 100 Tonnen CO2 an der DHBW aufgrund der Gegebenheiten nicht einsparen kann, wir aber jährlich 1700 qualifizierte Absolventinnen und Absolventen „produzieren“, die für sich genommen den Nachhaltigkeitsgedanken in die Welt tragen und dadurch zehn Tonnen CO2 einsparen, habe ich 17 000 Tonnen reduziert. Insofern weiß ich, dass wir unzulänglich sind – wir aber unser Ziel anders setzen können. Bei uns geht’s nicht um „Fridays for Future“, sondern um „Everyday for Future“. Wir müssen Studenten jeden Tag so ausbilden, dass sie Nachhaltigkeit installieren. Wenn das gelingt, haben wir als Hochschule dort gehandelt, wo wir es wirklich können.

Der Erfolg, ob die DHBW nachhaltig arbeiten, hängt also nicht von den Geschehnissen auf dem Campus ab, sondern zeigt sich erst, wenn Absolventinnen und Absolventen die DHBW verlassen?

Nagler: Das unterschreibe ich so. Uns muss es darum gehen, das zu optimieren, was wir wirklich optimieren können: die Lehre und Bildung. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich kann die Kritik von Studierenden nachvollziehen – aber ich appelliere auch an sie, weiter zu blicken und zu schauen, wo der Nachhaltigkeitsgedanke noch besser im Lehrplan verankert werden kann. Wir müssen heute dafür sorgen, dass wir in Zukunft besser und nachhaltiger leben. Das duale Studium hat sich immer dadurch ausgezeichnet, Veränderungen zu bewirken. Früher haben 40 Absolventen versucht, Heizöl anstatt Erdöl für Energie zu nutzen. Heute versuchen unsere Absolventen, gerade in den MINT-Studiengängen, E-Autos oder Wasserstoffautos anstatt Benziner und Diesel zu entwickeln. Wenn alle 1700 Absolventinnen und Absolventen das mitnehmen und das leben, was sie im Studium bei uns gelernt haben, haben wir unsere zuvorderste Aufgabe als Hochschule erfüllt.

Haben Sie deshalb auch kein Green Office - weil es das mit dieser Herangehensweise nicht braucht?

Nagler: Wir haben einen Leiter eines Green Office, der aber bewusst gleichzeitig unser Leiter Fachbereich Infrastruktur, Gebäude - und Flächenmanagement ist: Andreas Gehringer. Man muss aber fragen, wo man diese Stelle verankert. Wenn das nur ein Solitär ist, der sich Gedanken um Nachhaltigkeit macht, die nicht umgesetzt werden können, ist das schön, aber nicht effizient. Deswegen macht es Sinn, Studierende zu motivieren, nachhaltige Vorschläge zu machen - und dann schauen wir, was daraus entwickelt werden kann. Und das passiert ganzheitlich in der Infrastrukturabteilung. Notfalls diskutieren wir darüber auch im Senat. Außerdem gibt es auch Gespräche mit der Studierendenvertretung.

Beteiligt sich die DHBW außerhalb des Hörsaals an Aktionen zu Nachhaltigkeit?

Nagler: Ja. Es hat ein Projekt gegeben, bei dem ich den Studierenden ein großes Kompliment machen muss: Wir haben uns am VRN-Bike-Konzept beteiligt und haben uns im November die Bilanz angeschaut. Wir sind - um es salopp zu sagen - davon ausgegangen, dass nur ein paar Leute radeln. Die VRN hat uns dann aber mitgeteilt, dass keine 100 Studierende am Tag mit dem Rad gefahren sind - sondern etwa 10 000 im Monat. Das Dreifache von dem, was wir angenommen haben. Da war ich wirklich platt - was nicht oft passiert (lacht). Wir verdoppeln deshalb die Radständer an unserem Campus und fördern das VRN-Konzept. Das ist umweltneutrale Mobilität, an der wir uns gerne beteiligen. Es gibt auch viele Abschlussarbeiten, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen. Da sehen wir wieder: Unsere Aufgabe muss es sein, Nachhaltigkeit zu lehren und in die Köpfe unserer Absolventen zu bringen. Damit bewirken wir, bei aller berechtigten Ungeduld der Studierenden, mehr für die Nachhaltigkeit als man gemeinhin meint.

Machen Sie es sich damit nicht ziemlich einfach? Sie schieben die Verantwortung im Grunde an andere Stellen in der Wirtschaft ab – und sagen: Macht ihr das mal, das ist nicht unsere Aufgabe. Oder?

Nagler: Sie meinen nach dem Motto ,Gehet hin und sündigt nicht’? (lacht) Spaß beiseite: Unsere Hochschule arbeitet transparent. Wir verbieten auch niemandem das Wort, wenn man öffentlich seine Unzufriedenheit oder Kritik äußert. Im Gegenteil. So kommen wir in einen Dialog, und ich kann begründen, wieso wir so weit gehen können und wieso wir so weit nicht gehen können. Was ich nicht verhehlen will: Wir sehen beim Finanziellen auch Nachholbedarf beim Land. Wenn wir mehr Mittel hätten, müssten und würden wir die natürlich für nachhaltige Projekte einsetzen – dessen sind wir uns bewusst. Aber wie in so vielen Bereichen des Lebens gilt auch hier: Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen