Erlebniswochenende

Raritäten auf Schienen begeistern bei Straßenbahnparade in Mannheim

Da war ganz schön was zusehen: Anlässlich 125-Jahre elektrische Straßenbahn fuhren historische Bahnen durch Mannheim. Wie die Parade ablief und was zu sehen war.

Von 
Peter W. Ragge
Lesedauer: 
1957 bis 1963 gebaut, bis 1989 im Einsatz: der Wagentyp Rastatter T 4 der OEG bei der historischen Stadtbahnparade beim Erlebniswochenende in Mannheim. © Christoph Blüthner

Mannheim. Schon früh sichern sich viele Menschen die Plätze in den Straßencafés mit der besten Aussicht. Und dann stehen Tausende am Straßenrand, staunen, fotografieren, filmen, klatschen Beifall, winken. Sie sehen etwas, „was es zum ersten Mal in der Geschichte unserer Stadt gibt, was man so noch nie erlebt hat“, so Oberbürgermeister Christian Specht: eine Straßenbahnparade. Knapp 20 Fahrzeuge vieler Epochen fahren durch die Planken, um die Jubiläen „125 Jahre elektrische Straßenbahn in Mannheim“ und „20 Jahre Rhein-Neckar-Verkehr (RNV)“ zu feiern.

Dass es Oldtimer-Fans und Liebhaber gibt – das weiß man. Aber der Sonntag zeigt, dass es auch unzählige Fans alter Straßenbahnen gibt. Vor der Verschrottung bewahrt haben sie überwiegend Mitglieder der Interessengemeinschaft Nahverkehr Rhein-Neckar und vom Nahverkehrsmuseum depot 5, denen Specht ausdrücklich dafür dankt. Am Paradeplatz kommentiert er mit Jens Schneider, Radiomoderator ebenso wie Stadtbahnfahrer, die ungewöhnliche Parade und würdigt auch alle engagierten RNV-Mitarbeiter, insbesondere Marlon Meyer, der sie organisiert hat.

Manche RNV-Mitarbeiter haben sogar richtige Fans. So bekunden zwei junge Frauen per Plakat „Mesut, wir lieben Dich!“ Das gilt Mesut Günaydin. Der steuert das erste und älteste Fahrzeug der Parade, den Fuchs&BBC-Halbzug 45/46, von 1928 bis 1974 bei der OEG und heute noch als Eventfahrzeug im Einsatz.

Die historischen Bahnen begeistern die Fans. © Christoph Blüthner

Mit Girlanden und Fähnchen in den Stadtfarben geschmückt rollt der von Düwag als „Typ Mannheim“ ab 1968 hergestellte Wagen heran. „Der hatte als erstes Fahrzeug in den 1970er-Jahren Klimaanlage, beförderte zur Bundesgartenschau 1975 viele Menschen und war bis 2003 im Einsatz“, informiert Schneider. Dann nach Finnland verkauft, ist ein Zug 2023 für Mannheim zurückgeholt worden.

Straßenbahnparade in Mannheim: Achtachser der 1960er-Jahre eigens frisch lackiert

Extra für die Parade eine frische, wie damals übliche grün-weiße Lackierung hat der Düwag-Achtachser von 1964 erhalten, nachträglich mit Niederflug-Mittelteil ausgestattet. Auch er wird vom Publikum am Paradeplatz mit Beifall begrüßt, und immer wieder hört man von Passanten Sätze wie: „Mit sowas bin ich lange gefahren!“

Am Paradeplatz moderieren Jens Schneider zusammen mit Oberbürgermeister Christian Specht die vorbeiziehenden historischen Straßenbahnen. © Christoph Blüthner

Zwischendurch informieren Oberbürgermeister Specht und RNV-Geschäftsführer Martin in der Beek über die Entwicklung des RNV, und der für den öffentlichen Nahverkehr zuständige Bürgermeister Volker Pfoffen über Bauprojekte vom barrierefreien Umbau der Haltestelle Paradeplatz bis zum Karlsplatz. „Es tut sich enorm viel!“, betont Proffen. Martin in der Beek versichert auch, Busse und Bahnen seien angesichts der 549.000 Fahrgäste am Tag ein sicheres Verkehrsmittel.

Aber auch die Fahrzeuge, die ausrücken, wenn etwas passiert, zeigt die RNV: Den Funkwagen eines Verkehrsmeisters und den ganz neuen Unfallhilfswagen, dazu ein Fahrzeug vom Oberleitungsbau (19 Tonnen schwer und wegen der auf 3,65 Meter ausfahrbaren Arbeitsplattform Turmwagen genannt) sowie das einzige dieselbetriebene Schienenfahrzeug, ein Gleiskraftwagen mit Kran. „Eigens frisch lackiert“, hebt Jens Schneider hervor.

© Christoph Blüthner

Ganz frisch lackiert ist ebenso der Düwag ET 12, 1967 für die Rhein-Haardt-Bahn beschafft. „Das längste Fahrzeug der Welt damals“, verweist Jens Schneider auf den 38,5 Meter langen Zwölfachser. „So sind wir in der Metropolregion: Wir fahren mit Bierwerbung zum größten Weinfest der Welt“, kommentiert Christian Specht den Eichbaum-Schriftzug an dem oft zum Dürkheimer Wurstmarkt fahrenden Zug. 2007 ausgemustert, ist ein Exemplar nun restauriert worden und erlebt bei der Parade seine Premierenfahrt. Dafür macht ein schon ausgemusterter OEG-Zug bei der Parade seine Abschiedsfahrt vor der Verschrottung.

Erste Straßenbahnparade in Mannheim: Kühlung per Fahrtwind und eine Taufe zum Abschluss

Auch für die OEG ist einst der längste Zug der Parade durch die Region gerollt – mit zwei Triebwagen, je einer vorne und hinten, sowie zwei Personenwagen in der Mitte nimmt der Zug fast die halben Planken ein. „Sehr personalintensiv“ sei er gewesen, weiß Schneider, weil an den – nicht automatisch zu bedienenden – Türen immer ein Schaffner stehen musste. Dafür lassen sich die Türen so einrasten, dass durch einen Spalt der Fahrtwind weht.

Sogar Schilder hatten einige Fans dabei. © Christoph Blüthner

Einen Sonderapplaus gibt es für Alexander Wolf, Fahrer vom Fuchs T 4 von 1939 – denn der hat eigens ein Ventil besorgt, damit das historische Gefährt bei der Parade teilnehmen kann. „Da sieht man, mit welcher Leidenschaft unsere Fahrer unterwegs sind“, lobt Specht. Das Besondere an dem Zug ist zudem, dass er teilweise aus Holz gebaut ist – wegen Materialknappheit, wie Jens Schneider berichtet. Noch so besondere Raritäten sind ein Zug vom Typ Rastatter T 4 von 1957 oder ein 1975 gebauter Achtachser von Düwag für Heidelberg, laut Moderator „das letzte ausgelieferte Zweirichtungsfahrzeug“ des Herstellers und obendrein früher nur durch ein Zusatz-Bauteil auf Mannheimer Schienen zu fahren. Die Nahverkehrs-Stromversorgung beider Städte sei bis zur RNV-Gründung nämlich anders gepolt gewesen.

Mehr zum Thema

Mannheim

„Mir gefällt Mannheim riesig“: So lief das Erlebniswochenende

Veröffentlicht
Von
Lea Seethaler und Stefanie Ball
Mehr erfahren
Zeitreise

Vor 125 Jahren: So kam Mannheims Nahverkehr ins Rollen

Veröffentlicht
Von
Peter W. Ragge
Mehr erfahren
Denkmalschutz

Mannheim zum Anfassen: Neues Stadtmodell eingeweiht

Veröffentlicht
Von
Peter W. Ragge
Mehr erfahren

Das ist längst vergessen und mit der neuen Skoda-Rhein-Neckar-Tram nun ein einheitlicher Typ für die ganze Region beschafft. „Ein Stadt-ICE, das modernste Fahrzeug Deutschlands“, wie Oberbürgermeister Specht hervorhebt. Für die Parade ist sogar eigens ein kurzer und ein langer Zug gekoppelt worden, und er wird getauft. Specht und RNV-Mitarbeiterin Malvina Svoboda taufen ihn auf den Namen „Mannheim“. „Andere Städte der Region werden folgen“, kündigt Specht an, denn alle Züge würden Namen bekommen.

Redaktion Chefreporter

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke