Mannheim. „Ein nicht natürlicher Tod infolge des Polizeieinsatzes“: Diese am Mittwoch veröffentliche vorläufige Bewertung im Gutachten zum umstrittenen Polizeieinsatz Anfang Mai am Mannheimer Marktplatz beschäftigt nach wie vor viele Menschen. Nun hat die Staatsanwaltschaft ihre Angaben konkretisiert. Ein Überblick.
Woran ist der 47-jährige Mann gestorben?
Er soll letztlich „an einer lage- und fixationsbedingten Atembehinderung mit konsekutiver Stoffwechselentgleisung in Kombination mit einem Ersticken durch eine Blutung in die oberen Atemwege verstorben sein“, hatte die Mannheimer Staatsanwaltschaft am Mittwoch schriftlich mitgeteilt. Das bedeute, dass der Tod unter anderem darauf zurückzuführen sei, dass der Mann „längere Zeit auf dem Bauch gelegen hat“, erklärte Oberstaatsanwalt Andreas Grossmann am Donnerstag auf Nachfrage. Und „weil er sich nicht rühren konnte“. Außerdem habe eine Blutung im Mund- und Nasenbereich eine Rolle gespielt.
Wie kam es zu dieser verhängnisvollen Blutung?
Das ist Gegenstand weiterer Untersuchungen der Staatsanwaltschaft. „Es wird jetzt ermittelt, ob diese durch Schläge ausgelöst worden sein kann“, erläuterte Grossmann. Denn dieser Aspekt betrifft die heikelste Frage in dieser Sache.
Was sagt das nun über das Verhalten der Polizisten aus?
Das muss die Staatsanwaltschaft jetzt detailliert untersuchen und juristisch bewerten. Klar scheint nach der vorläufigen Bewertung des Gutachtens zu sein, dass der Tod des Mannes direkte Folge des Polizeieinsatzes war. Doch inwieweit die beiden Polizisten dafür auch strafrechtlich verantwortbar gemacht werden können, lässt sich zurzeit noch nicht seriös beantworten. Darum betonte die Staatsanwaltschaft am Mittwoch auch: „Es gilt weiter die Unschuldsvermutung.“
Wie geht das Verfahren jetzt weiter?
Das vorliegende Gutachten wird nun den Verteidigern der beiden Polizeibeamten zugeleitet, damit diese sich dazu äußern können. Je nachdem, wie ihre Stellungnahmen ausfallen, könnte es sein, dass anschließend weitere Ermittlungen notwendig sind. Darum kann die Staatsanwaltschaft zurzeit auch nicht sagen, wie lange die Untersuchung noch dauern wird - und wann das Ergebnis vorliegt.
Welche Szenarien sind theoretisch vorstellbar?
Ganz prinzipiell können staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu zwei wesentlichen Arten von Ergebnissen führen: Entweder das Verfahren wird wieder eingestellt, weil sich kein strafrechtlich relevantes Verhalten hat feststellen lassen. Oder es kommt zu einer Anklage vor Gericht, weil die Ermittler von einem strafrechtlich relevanten Verschulden ausgehen.
Was droht den beiden Beamten im Falle eines Prozesses?
Zurzeit wird gegen sie wegen Körperverletzung im Amt mit Todesfolge ermittelt. Sollten sie deshalb auch angeklagt und rechtskräftig verurteilt werden, droht ihnen eine Freiheitsstrafe von drei bis 15 Jahren. Kämen die Richter zu dem Schluss, dass ein minder schwerer Fall vorläge, betrüge die Mindeststrafe ein Jahr. Denkbar wäre allerdings auch, dass die Juristen nach Abschluss der Ermittlungen von einer fahrlässigen Tötung ausgehen: Dafür sähe das Gesetz eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor. Das alles ist jedoch noch Spekulation - denn bislang steht nicht einmal fest, ob es überhaupt zu einer Anklage kommt.
Todesfall soll Thema im Innenausschuss werden
- Gut vier Monate nach dem Tod eines Mannes infolge eines Polizeieinsatzes in Mannheim soll das Parlament sich mit dem Fall befassen.
- "Wir Grüne haben beantragt, dass sich der Innenausschuss des Landtags in der kommenden Woche mit den neuesten Erkenntnissen in diesem traurigen und erschütternden Fall auseinandersetzt", sagte Oliver Hildenbrand, der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag. "Die Ermittlungen müssen mit größter Sorgfalt fortgesetzt und die Aufklärung mit größter Konsequenz betrieben werden." (dpa)
Welche Reaktionen hat das nun veröffentlichte Gutachten ausgelöst?
Der Mannheimer Landtagsabgeordnete Boris Weirauch (SPD) erklärte am Donnerstag in einer Pressemitteilung: „Die Ergebnisse der rechtsmedizinischen Untersuchung müssen erschüttern. Es ist in einem Rechtsstaat nicht hinnehmbar, dass Menschen bei Polizeikontrollen auf diese schreckliche Weise zu Tode kommen. Die Untersuchungsergebnisse zeigen aber auch, dass die Staatsanwaltschaft diesen Fall sehr genau und unvoreingenommen prüft. Das zeichnet unseren Rechtsstaat aus.“
Die LI.PAR.Tie-Fraktion im Mannheimer Gemeinderat und der Kreisverband der Linken erklärten: „Wir sind entsetzt darüber, dass sich als Todesursache die gewaltsamen polizeilichen Maßnahmen bestätigt haben.“ Sie forderten, dass die Beamten „juristisch zur Rechenschaft gezogen werden, und dass darüber hinaus der Fall Konsequenzen für die Polizeiarbeit hat“.
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Was sagt Oberbürgermeister Peter Kurz dazu?
„Die Tatsache, dass in Mannheim ein Mensch durch einen Polizeieinsatz zu Tode gekommen ist, macht betroffen. In dieser, eine Stadtgesellschaft belastenden Situation, ist Vertrauen in eine unabhängige Untersuchung zentral“, so Kurz (SPD) in einer Stellungnahme. „Ich begrüße deshalb die unmittelbare Veröffentlichung des Ergebnisses des Gutachtens, auch wenn die Ermittlungen noch nicht vollständig abgeschlossen sind. Eine abschließende Bewertung verlangt die juristische Aufarbeitung durch Staatsanwaltschaft und Gerichte. Wichtig ist, dass die Polizei das direkte Gespräch mit den beschriebenen gesellschaftlichen Gruppen und den Nachbarschaften bereits gesucht hat und dass diese Diskussionen und Begegnungen weiter fortgesetzt werden.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Polizeieinsatz mit Todesfolge in Mannheim: Mangel an Klarheit