Kommentar Polizeieinsatz mit Todesfolge in Mannheim: Mangel an Klarheit

Florian Karlein über das Gutachten zum Einsatz am Marktplatz

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Florian Karlein
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Neun Sätze mit 155 Wörtern und 1232 Zeichen reichen aus: Eine knappe Pressemitteilung der Mannheimer Staatsanwaltschaft weckt sofort wieder die Erinnerung an die brutalen Videos vom Polizeieinsatz auf dem Marktplatz, nach dem am 2. Mai ein Mann sein Leben verloren hat. Die Bilder bewirken nach wie vor eines: Betroffenheit, dass ein vermeintlicher Routine-Einsatz der Polizei solch ein schreckliches Ende nehmen kann.

Sofort diskutiert die ganze Stadt darüber: Haben die beiden Polizisten den Tod des Mannes herbeigeführt oder nicht? Ermittlungen wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt mit Todesfolge laufen an, Polizeipräsident Siegfried Kollmar suspendiert die beiden Beamten vorläufig. Gleichzeitig ziehen sich die Ermittlungen immer weiter in die Länge, Fragen und Forderungen nach Aufklärung werden immer lauter.

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135 Tage später sorgt die Mannheimer Staatsanwaltschaft nicht gerade dafür, dass die Spekulationen um Schuld oder Unschuld der beiden Polizisten weniger werden – unnötigerweise. Denn gerade der wichtigste Satz des Zwischenberichts zu den Ermittlungen lässt viel zu viel Raum für Interpretationen: „Der 47-Jährige soll letztlich an einer lage- und fixationsbedingten Atembehinderung mit konsekutiver Stoffwechselentgleisung in Kombination mit einem Ersticken durch eine Blutung in die oberen Atemwege verstorben sein.“ Ein Satz, der ohnehin schwer zu verstehen ist. Erst am Tag nach dessen Veröffentlichung Fragen der Öffentlichkeit zu beantworten, ist zu spät.

Und auch dann bleiben offene Fragen. Was wir wissen: Einer der beiden Polizisten saß auf dem Oberkörper des später Verstorbenen. Was wir nicht wissen: Ist das die Fixation, die die Atembehinderung auslöste? Was wir wissen: Ein Polizist versetzte dem Mann Schläge gegen den Kopf. Was wir nicht wissen: Haben sie die Blutung in den oberen Atemwegen verursacht, die zum Ersticken des Mannes führte? Was wir ahnen: Die Handlungen der beiden Polizisten haben zum Tod des Mannes geführt. Was wir nicht wissen: Ob das Verhalten der Polizisten strafbar war.

Was wir aber ganz sicher wissen: Es gilt die Unschuldsvermutung. Darauf weist die Staatsanwaltschaft sogar – und das ist ungewöhnlich – selbst hin. Doch dafür mangelt es dem Zwischenbericht der Ermittlungen an Klarheit: Was wissen die Ermittler, was wissen sie nicht? Um einer öffentlichen Vorverurteilung der beiden Polizisten entschieden entgegenwirken, wäre völlige Transparenz dringend geboten.

Redaktion Leiter des Redaktionsteams Mannheim