Mannheim. Mit dem sogenannten Seder-Abend, einem zeremoniellen Festmahl, hat am Montagabend das jüdische Pessach-Fest begonnen. Es wird auch „Fest der ungesäuerten Brote“ genannt und erstreckt sich in diesem Jahr vom 22. bis zum 30. April. Amnon Seelig, Kantor der jüdischen Gemeinde in Mannheim, verrät dem „MM“, warum es für ihn selbstverständlich ist, seinen Glauben auszuleben und warum er das Fest als einen „Preis der Freiheit“ versteht.
Was ist das jüdische Pessach-Fest?
Pessach erinnert an den überlieferten Auszug der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei. Es ist eine „Feier der Freiheit“, sagt der Mannheimer Kantor Amnon Seelig. Innerhalb Israels werde sieben Tage lang gefeiert, außerhalb erstrecke sich das Fest in der Regel über acht Tage. Wesentlich ist der Verzicht auf gesäuertes Brot. Auch andere gesäuerte Teigwaren wie Nudeln sind über Pessach unkoscher, also nicht erlaubt. Dazu zählt auch Bier, das aus gegorenem Getreidebrei besteht.
Warum darf nur ungesäuertes Brot gegessen werden?
„Das erinnert daran, dass die Israeliten beim Auszug aus Ägypten keine Zeit hatten, Brot zu backen“, erklärt Seelig. Das Brot war flacher, weil die Zeit fehlte, um den Teig aufgehen zu lassen. Während Pessach kommt für Juden deshalb nur ungesäuertes Matzenbrot auf den Teller. Seelig beschreibt es als eine Art Cracker. „Es ist ziemlich geschmacklos“, verrät der 41-jährige Kantor.
Wie läuft das Pessach-Fest ab?
Pessach beginnt mit dem Seder-Abend, einem Festmahl, bei dem Speisen serviert werden, die an die Ereignisse des Auszugs aus Ägypten erinnern. Manche begehen den Abend in der Familie, andere kommen zum zeremoniellen Beisammensitzen in die Gemeinde, berichtet Seelig. Ein zweites Festmahl zu Hause folgt am Dienstagabend. Im Verlauf der Pessach-Woche findet in Mannheim an jedem Tag - mit Ausnahme des Donnerstags - mindestens ein Gottesdienst statt.
Wie verlief der Seder-Abend in der Mannheimer jüdischen Gemeinde?
Die jüdische Gemeinde in Mannheim hat knapp 500 Mitglieder, 120 davon kamen zum Seder-Festmahl, rund 60 auch zum kurzen Gottesdienst zuvor, der Pessach einläutete. Der „MM“ nahm mit an der Zeremonie teil - auch unser Redakteur wurde selbstverständlich gebeten, eine Kippah aufzusetzen. Die jüdische Kopfbedeckung für Männer verdeckt als Zeichen der Gottesfurcht den Hinterkopf.
Eine Viertelstunde lang sangen und beteten die gläubigen Juden auf Hebräisch, bevor sie zum Festmahl in einen geschmückten Nebensaal der Synagoge zogen. Dort erzählten sie sich mit Passagen aus der Bibel auch die Geschichte des Auszugs aus Ägypten. Wie bei Gottesdiensten der jüdischen Gemeinde üblich, so ein Sprecher der Polizei, parkten zwei Streifenwagen im Umfeld der Synagoge.
Welche Speisen werden beim Seder-Abend serviert?
Das sei von Tradition zu Tradition unterschiedlich, weiß Amnon Seelig. Zu den bekanntesten Gerichten zähle gefüllter Fisch, „eine Art graue Fischbulette, die ich aber nicht runterkriege“, gibt der Vegetarier zu. Serviert wird neben Speisen aus Matzen-Mehl oft auch geröstetes Lamm oder Bitterkraut, um an die Bitterkeit der Sklaverei in Ägypten zu erinnern.
Welche Regeln gelten ansonsten an Pessach?
Die Essregeln seien das markanteste, findet Seelig. Die ersten beiden sowie der siebte und achte Pessach-Tag genießen zudem besonderen Feiertagsstatus - vergleichbar mit dem Ruhetag „Sabbat“, aber nicht ganz so streng. „Das zu erklären ist ein bisschen technisch“, sagt Seelig. Gemeinsam mit „Sabbat“ ist an den entsprechenden vier Tagen ein Arbeitsverbot. Für den „MM“ bedeutete das: keine Video- und Tonaufnahmen, auch Mitschriften waren verboten.
Welche Einschränkungen bringt Pessach für gläubige Juden mit sich?
„Dass man sich acht Tage lang an Essregeln hält, die meisten Mehlprodukte nicht essen darf, das gestaltet die ganze Woche um“, stellt Seelig klar. „Man kann nicht einfach ins Restaurant gehen oder Pizza und Döner essen.“ Neben den Feiertagen zu Beginn und Ende von Pessach seien die übrigen Tage quasi „Werktage innerhalb des Feiertags“. An diesen dürfe man „eigentlich ziemlich normal leben“. Als eine Herausforderung sieht Amnon Seelig Pessach nicht. „Es ist für mich okay, ohne Brot zu leben“, sagt er, die Israeliten hätten damals auch darauf verzichten müssen. „Das ist der Preis der Freiheit.“
Welche Bedeutung hat das Fest für gläubige Juden?
Etwa 80 Prozent aller Juden nähmen daran teil. „Das ist eine enorme Zahl“, freut sich Seelig. Damit sei es das populärste der jüdischen Feste - nicht aber mehr oder weniger wichtig, denn es gebe keine Hierarchien im hebräischen Kalender: „Jedes Fest, was gerade ansteht, ist für mich das wichtigste.“
Interessieren sich auch jüngere Generationen noch für Pessach?
Zentral bei Pessach sei, dass auch Kinder daran teilnehmen, denn es sei ein Familienfest. „Wir haben natürlich das gleiche Problem wie jede religiöse Gemeinde auf Erden - oder im Westen“, spricht Seelig die abnehmende Anzahl an Gemeindemitgliedern an. Das Interesse an Pessach sei aber konstant. „Feiertage ändern sich nicht. Wir werden es weiterhin feiern“, sagt er. „Hoffentlich mit zunehmender Beteiligung“, wirft er in den Raum und lacht.
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