Naher Osten

Ahmad Mansour in Mannheim: „Bilder entscheiden, wer diesen Krieg gewinnt“

Ahmad Mansour spricht in der Jüdischen Gemeinde Mannheim über die Situation im Nahen Osten. Einen Bezug zu Mannheim lässt er dabei weitgehend außen vor. Das aber schadet dem Vortrag nicht. Im Gegenteil

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Sebastian Koch
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Kritisiert „hochnäsige deutsche Experten“ und Desinformationen auf Sozialen Medien: Ahmad Mansour. © Thomas Tröster

Ahmad Mansour ist stolz. „Dass ich hier zu Besuch sein darf, war nicht vorgesehen. Nicht in meiner Familie. Nicht in meiner Biografie. Und definitiv nicht in meinen Einstellungen vor 15 bis 20 Jahren“, sagt der arabisch-israelische Autor am Mittwoch im Jüdischen Gemeindehaus.

Das Interesse ist groß: Mehr als 300 Menschen haben sich angemeldet - auch Mitglieder des Gemeinderats oder der frühere Oberbürgermeister Peter Kurz sind in die Gemeinde gekommen, die an diesem Abend noch stärker bewacht wird als üblich: Mansour steht wegen seiner kontroversen Thesen über den politischen Islam und die Situation in Nahost unter Personenschutz. Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, SPD-Stadträtin Heidrun Kämper, sieht in ihm eine „sehr reflektierte Stimme“, die „viele Perspektiven“ erschließe, wie sie sagt.

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Tatsächlich verläuft Mansours Lebensweg alles andere als geradlinig. Sein Großvater habe 1948 an der Seite irakischer Soldaten gegen Israel gekämpft, erzählt er. Die dabei erlittenen Verletzungen habe er bis zu seinem Tod in einem israelischen Krankenhaus genauso „stolz“ getragen wie er die Rente vom israelischen Staat bezogen habe.

„Das ist in diesem Land Alltag“, sagt Mansour, dessen Vater als Palästinenser laut ihm ebenfalls auf eine „Vernichtung des Staats“ hofft, „in dem er nicht nur geboren und aufgewachsen ist, sondern in dem er einen Wohlstand erreicht hat und von dem auch er seine Rente bekommt“.

Als Jugendlicher ist Mansour Außenseiter. Er sympathisiert deshalb mit der Muslimbruderschaft, wird fast zum Islamisten. Während er an einer israelischen Universität Psychologie studiert - als einziger Araber im Studiengang - überdenkt er seine Ansichten, wendet sich von ihnen ab und kämpft heute gegen Antisemitismus und den politisch-radikalen Islam.

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„Zwischen Gaza und Mannheim - Antisemitismus und Propaganda auch in Deutschland?“, lautet die Frage, zu der er auf Einladung von Deutsch-Israelischer Gesellschaft und Jüdischer Gemeinde sprechen soll. Es sollte ihm positiv angerechnet werden, dass sich der lokale Bezug in seinem Vortrag aber kaum wiederfindet. Denn man tritt dem in Berlin lebenden und durch Deutschland reisenden Psychologen sicherlich nicht zu nahe, wenn man ihm unterstellt, dass ihm die ganz tiefen Einblicke zur Lage in Mannheim doch weitestgehend fehlen dürften.

Urvertrauen in den Staat Israel zerstört

So konzentriert sich Mansour überwiegend und auf hohem rhetorischen Niveau auf die internationale Politik. Er kritisiert „hochnäsige deutsche Experten, die meinen, den Nahen Osten besser zu verstehen als andere“, die feministische deutsche Außenpolitik, die fehlgeschlagen sei, oder die überraschende Unwissenheit und „den Stolz, mit dem sie seit dem 7. Oktober auch in Deutschland als Wissen verkauft wird“.

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Mansour arbeitet das Trauma heraus, das Israel nach dem Überfall der palästinensischen Terrororganisation Hamas mit sich trage. Der Staat sei gegründet worden, damit sich Juden nie wieder in Schränken verstecken müssten. „Genau das ist an diesem Tag geschehen. Der 7. Oktober hat bei Juden Ängste aktiviert, die viele von Großeltern unbewusst übernommen haben“, sagt der Psychologe und Autor. Der Terrorakt der Hamas hätte zudem ein „Urvertrauen“ in den israelischen Staat zerstört, der der die Menschen nicht hatte schützen können.

Mansour wolle Israel keinesfalls nur verteidigen, der Staats- und Militärführung keinen Freifahrtsschein ausstellen. Er kritisiert Premier Benjamin Netanjahu oder lässt in der Diskussion mit dem Publikum Kritik an der Siedlungspolitik gelten. Allerdings sei es schwierig, meint er, Israel Unverhältnismäßigkeit vorzuwerfen. „Israel kämpft gegen eine feige Terrororganisation, die sich versteckt und die Kinder als menschliche Schutzschilder verwendet.“

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Eindringlich beschreibt Mansour die Taktik, mit der die Hamas den Krieg führe und die Mittel, denen sie sich dabei bediene: dem Internet. Die Hamas hätte gewusst, dass Israel keine andere Chance gehabt hätte, als militärisch zu reagieren und so die Bilder in Gaza zu verursachen, die um die Welt gehen. „Bilder entscheiden, wer diesen Krieg gewinnt“, warnt er.

Die Realität, so scheint es, gibt ihm Recht. Bilder und Videos, die das Leid, das Grauen und den Tod von Gaza aus in die Welt transportieren, würden Israel schwächen, weil sich Verbündete abwenden würden, ist Mansour überzeugt.

„Das Ziel der Hamas ist, den Westen unter Druck zu setzen und Menschen mit hochemotionalisierten Bildern auf die Straße zu bewegen.“ Europa würde die Region noch immer nicht verstehen. „Wer im Nahen Osten Schwäche zeigt, wird bestraft. Wer nicht abschreckt, wird bestraft.“ Dass der Iran Israel erstmals direkt angegriffen hat, sei eine Folge dieser derzeitigen sichtbaren Schwäche Israels.

Mehr Medienbildung zum Schutz der Demokratie

Die Kontrolle Sozialer Medien müsste gestärkt werden, um die Demokratie langfristig zu schützen, fordert Mansour. An Schulen werde Medienbildung aber noch immer vernachlässigt - und die Einordnung des Kriegs komme oft zu kurz, beschreibt Mansour Eindrücke von Besuchen an Schulen seit dem 7. Oktober. Eine Lösung, wie Pädagogen das gesellschaftspoltisch sensible Thema kompetent in der Praxis aufarbeiten können, lässt der Vortrag aber weitgehend offen.

Dennoch beeindruckt Mansours Referat und hallt nach. Eine wirkliche Perspektive für eine absehbare Lösung des Konflikts gibt es allerdings nicht. Im Gegenteil. Man ist geneigt zu sagen, wer vor dem Vortrag keinen Weltschmerz verspürt hatte, hat diesen spätestens danach. Das allerdings spiegelt die derzeitige Situation wohl am ehesten wider.

Immerhin: Wenn er mal wieder komme, wolle er einen erfreulicheren Vortrag halten, verspricht Mansour. „Der Nahe Osten hat so viele positive Themen anzubieten.“ Die Hoffnung, dass die mal wieder im Vordergrund stehen, lebt also noch.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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