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Neues Museum Peter & Traudl Engelhornhaus in Mannheim eröffnet

Ein komplett neues Museum - das bekommt eine Stadt auch nicht alle Tage. In Mannheim ist jetzt in C 4,12 das Peter & Traudl Engelhornhaus der Reis-Engelhorn-Museen eröffnet worden

Von 
Peter W. Ragge
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Außen unscheinbar, ergänzt das neue Museum mit seiner besonderen Glasfassade die Museen am Toulonplatz. © Michael Ruffler

Mannheim. Gigantisch – das ist der erste Eindruck: ein zehn Meter hohes Atrium mit Lichtdecke und Empore, fünf Meter hohe Ausstellungsräume, alles großzügig und hell. Das bietet das neue Museum Peter & Traudl Engelhornhaus der Reiss-Engelhorn-Museen, das jetzt eröffnet worden wurde. Es entstand, komplett aus Spendenmitteln finanziert, in dreijähriger Bauzeit im Innenhof des Wohnhauses C 4,12, wo vorne nur eine zweigeschossige, leicht geschwungene und aus 19 gewölbten Glaselementen bestehende Fassade auf die neue Nutzung im Innern hinweist.

„Eine gelungene Überraschung“ sei das für die Besucher, so Oberbürgermeister Peter Kurz bei der Einweihung. „Man kann sich so etwas von außen hinter der Fassade eines Wohnhauses nicht vorstellen“, lobte er das Konzept des Museums, mit dem sich das Büro motorplan Architekten 2018 bei einem Architektenwettbewerb durchgesetzt hatte. Damit erfülle sich mehr als zwei Jahre nach seinem Ruhestand die Vision des ehemaligen Generaldirektors der Reiss-Engelhorn-Museen, Alfried Wieczorek, rund um den Toulonplatz ein Museumsquartier entstehen zu lassen.

Die Eröffnung: v. l. die Töchter Angelika Milos-Engelhorn und Alissa Gerlich, Wilfried Rosendahl, OB Kurz, Susanne Hammer und Alfried Wieczorek. © Michael Ruffler

Von Glaskunst beseelt

Entstanden sei dort ein architektonisches „Ausrufezeichen“, lobte der Oberbürgermeister: „Kompliment für das, was hier gelungen ist – in der Qualität und im Budget“, betonte er. Immerhin handele es sich „um nicht weniger als ein neues Museum“, dessen Bau und dessen Betriebskosten komplett von der Brombeeren-Stiftung getragen werden. Sie entstand 2013 auf Initiative von Traudl Engelhorn-Vechiatto in Gedenken an ihren verstorbenen Mann Peter Engelhorn, ein Urenkel des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn und ein wichtiger Gesellschafter des Pharma-Unternehmens Boehringer Mannheim. Mit 20 Millionen Euro Stiftungskapital ausgestattet, ist sie eine von drei Stiftungen, welche die Reiss-Engelhorn-Museen tragen.

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Zehn Millionen Euro brachte Traudl Engelhorn-Vechiatto für den Neubau auf. Noch im Sommer 2019 war sie bei der Grundsteinlegung dabei, doch im September 2022 ist die Mäzenin im Alter von 95 Jahren gestorben. In der vergangenen Woche fand ihre Urne nach einer Trauerfeier im Familienkreis ihre letzte Ruhestätte auf dem Hauptfriedhof.

Für die Stiftungsratsvorsitzende Alissa Gerlich, eine der vier Töchter der zuletzt in Lausanne lebenden Stifterin, war die Museumseinweihung nun der erste öffentliche Auftritt seit dem Tod ihrer Mutter. Sie empfinde dabei „Herzklopfen“, bekannte Gerlich und charakterisierte ihre Mutter als „Persönlichkeit mit großem Herzen für die Kunst“ und „Bonvivant mit viel Lust auf das Leben“. „Herzklopfen“ ist aber auch der Titel der ersten Ausstellung mit Glaskunst, die in dem neuen Museum zu sehen ist. Peter und Traudl Engelhorn hatten seit den 1970er Jahren eine der bedeutendsten Sammlungen moderner Glaskunst mit über 700 Werken zusammengetragen.

Das beeindruckende Atrium des neuen Museums Peter & Traudl Engelhornhaus in C 4. © Michael Ruffler

Das, so Gerlich, „von Glaskunst beseelte Ehepaar“ habe seine „Leidenschaft immer mit möglichst vielen Menschen teilen wollen“ und sie daher dem Kantonalen Museum für Design und angewandte Kunst der Gegenwart (mudac) in Lausanne zur Verfügung gestellt. Sie freue sich, so Alissa Gerlich, dass nun durch das neue Museum eine dauerhafte „Ehrbezeugung“ für Peter und Traudl Engelhorn in der Stadt, in der sie lange gelebt haben, möglich geworden sei.

„Herzklopfen“ – den Ausstellungstitel griff ebenso Eva-Maria Günther auf. Auch für sie sei der Tag „ein sehr emotionaler Moment, der Herzklopfen hervorruft“, so die Abteilungsleiterin der Reiss-Engelhorn-Museen, hatte sie doch noch mit der Stifterin die Exponate der ersten Ausstellung ausgesucht. Zu sehen sei „das Who is Who der zeitgenössischen Glaskunst in großer Bandbreite künstlerischer Ausdrucksformen“, habe die Begeisterung des Ehepaares Engelhorn für den sensiblen Werkstoff doch viele Epochen und Verarbeitungsformen umfasst, beginnend beim venezianischen Glasmeister Egidio Costantini bis zum 20. Jahrhundert. Und jede Neuerwerbung habe beim Sammlerehepaar sprichwörtlich für begeistertes Herzklopfen gesorgt, so Günther. Nun könnten die Besucher an diesem Sammlerglück teilhaben.

Besucher-Infos

  • Anschrift: Museum Peter & Traudl Engelhornhaus C 4,12, 68159 Mannheim. Barrierefreier Zugang durch die neu angelegte verkehrsberuhigte Zone.
  • Ausstellungen:Herzklopfen – Zeitgenössische Glaskunst aus der Sammlung Peter und Traudl Engelhorn“ zeigt auf ca. 400 Quadratmetern 40 Glaskunst-Arbeiten namhafter internationaler Künstler, 22. Januar bis 29. Mai 2023, sowie „Apropos Visionär. Der Fotograf Horst H. Baumann“ auf ca. 820 Quadratmetern 400 ausgewählte Werke aus dem Nachlass des Fotografen Horst H. Baumann, 22. Januar bis 25. Juni 2023
  • Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag und an baden-württembergischen Feiertagen 11 bis 18 Uhr, Montag geschlossen.
  • Eintritt für beide Ausstellungen zusammen: Erwachsene 10,50 Euro, Kinder und Jugendliche (6 bis 18 Jahre) 4,50 Euro, Studierende/Azubis 6,50 Euro, Begünstigte (Einzelkarten) 8,50 Euro, Familien 20,50 Euro. 

Förderlust und gute Idee

Auch Wilfried Rosendahl, Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen, erinnerte voller Dankbarkeit an die großzügige Mäzenin Traudl Engelhorn und die Sammlerleidenschaft des Ehepaares. Dem verdankten die Reiss-Engelhorn-Museen nun „ein weiteres Juwel, das die Kultur unserer Stadt und der Metropolregion bereichert und vieles möglich macht“. Dabei sei die, so Rosendahl, „Förderlust“ von Traudl Engelhorn eine gute Verbindung mit der Idee seines Vorgängers, ein Museumsquartier am Toulonplatz zu schaffen, eingegangen, dankte er. Die hohen, großzügigen Räume böten ganz neue Präsentationsmöglichkeiten, und für den Neubau und das in direkter Nachbarschaft gelegene, 2011 eröffnete Museum Bassermannhaus für Musik und Kunst, die zusammen eine Ausstellungsfläche von 2500 Quadratmetern haben, gibt es nun einen gemeinsamen Eingang. Das Vorderhaus C 4,12 bleibt, im Eigentum der Brombeeren-Stiftung, als Wohnhaus erhalten.

Neben Glaskunst ist in dem Neubau nun Fotokunst zu sehen. Dazu habe man „einen Schatz gehoben“, so Susanne Hammer, Direktorin der Stiftungsmuseen: das Werk des Fotografen Horst H. Baumann. Als er 2019 verstarb, übergab seine Tochter den gesamten bildnerischen Nachlass zur Bearbeitung und für diese Präsentation an die Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim. Sie zeigen nun, so der Kurator, die „erste Retrospektive überhaupt“ von diesem, wie er den Fotografen nannte, „Shootingstar der zu Ende gehenden Adenauerzeit“.

Redaktion Chefreporter

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