Wirtschaft

Neue Studie: Wie Events sich in Mannheim auszahlen

Wie viel Umsätze bringen Kongresse im Rosengarten, eine Ausstellung in der Kunsthalle oder Kulturevents? Wie viele Arbeitsplätze sichern sie? Dazu gibt es jetzt eine Studie. Das sind die Ergebnisse.

Von 
Peter W. Ragge
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8500 Teilnehmer, 9,4 Millionen Euro Bruttoumsatz: Blick in die Industrieausstellung im Foyer vom Rosengarten beim Kardiologenkongress. © Markus Prosswitz / masterpress -

Mannheim. „Alarmstufe rot“ nannten sie ihr Bündnis damals, als wegen Corona alles abgesagt werden musste und sie nach neuen Wegen suchten. Nun, fünf Jahre später, hat sich dieses Bündnis wieder formiert. „Unsere Mission ist, das Bewusstsein zu schärfen, dass man unsere Branche als Wirtschaftsfaktor ernst nimmt“, sagt Jazztrompeter Thomas Siffling als Sprecher über das, was die über 20 großen und kleinen Konzertveranstalter, Kultureinrichtungen und Veranstaltungshäuser aus Mannheim eint. „Kultur rechnet sich“ haben sie ihre neue Initiative betitelt, und das untermauern sie mit Zahlen einer Studie zu den ökonomischen Effekten von Veranstaltungen.

Es sind „beeindruckende Zahlen“, findet Bastian Fiedler, Geschäftsführer der m:con – mannheim:congress-gmbh, der die Studie maßgeblich mitinitiiert hat. Sie belegt, dass die Veranstaltungs-, Tourismus- und Kulturbranche „ein zentraler Bestandteil der Wirtschaft unserer Region“ ist, wie Manfred Schnabel zusammenfasst, der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK). Von den 70.000 IHK-Mitgliedsunternehmen zählen im ganzen Kammerbezirk 7.600, in Mannheim 2.300 Firmen zu diesem Wirtschaftszweig. Sie beschäftigen 500 Auszubildende in den dazugehörenden Berufen.

Diana Pinnow vom Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Institut für Fremdenverkehr (dwif) hat in der Studie insbesondere untersucht, welche Auswirkungen Veranstaltungen – Kongresse ebenso wie Kunst-, Kultur- und Sportevents – auf den Tourismus haben. Dazu wurden von April bis Juni dieses Jahres die Hotels befragt, zudem exemplarisch bei einigen Veranstaltungen die Gästestruktur, deren Ausgaben sowie insgesamt die erzielte Wertschöpfung untersucht.

Events in Mannheim bringen Umsatz von 505,5 Millionen Euro

Danach sind durch Gäste, die Veranstaltungen in Mannheim besuchen, im Jahr 7,6 Millionen Aufenthaltstage entstanden – davon 1,2 mit Übernachtung und 6,4 als Tagesgäste. Dabei ermittelte das Institut durchschnittliche Ausgaben von 182,50 Euro, wenn jemand übernachtet, und von 44,70 Euro bei Tagesgästen. Diese Werte multipliziert mit der Gästezahl ergibt einen Umsatz von 505,5 Millionen Euro. Davon entfallen laut Diana Pinnow 41,1 Prozent auf das Gastgewerbe, 26,3 Prozent auf den Einzelhandel und 32,7 Prozent auf Dienstleistungen. Rechne man das in Arbeitsplätze um, könnten 7.341 Personen durch Veranstaltungen in Mannheim ein durchschnittliches Einkommen erzielen. „Veranstaltungen schaffen und sichern also Arbeitsplätze“, so die Forscherin. Aber sie errechnete auch ein dadurch erzieltes Mehrwertsteueraufkommen von 47,1 Millionen Euro. „Veranstaltungen helfen also bei der Finanzierung der öffentlichen Haushalte“, schließt sie daraus. Dabei entstehen laut Pinnow 39,8 Prozent aller touristischen Umsätze in Mannheim durch Veranstaltungsbesuche.

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Besonders intensiv hat sich das Institut den Rosengarten vorgenommen. Dessen Betreibergesellschaft m:con hat 2024 danach 46,7 Millionen Euro direkt für die Planung und Durchführung von Kulturevents und Kongressen ausgegeben, zu 63,2 Prozent bei Firmen in Mannheim und der Region. Dieser Prozentsatz sei „überdurchschnittlich hoch“, so Pinnow. Hinzu kommen 26,2 Millionen Euro an Ausgaben der über 300.000 Gäste. Das macht in der Summe Bruttoumsätze von 72,9 Millionen Euro, woraus das Institut 6,5 Millionen Euro Mehrwert- und Einkommenssteueranteil errechnet und 1.153 Personen, die davon leben könnten.

Detailliert angeschaut haben sich Pinnow und ihr Team beispielhaft mal den Herz-/Kreislaufkongress, mit 8.500 Teilnehmern eine der größten Veranstaltungen im Rosengarten. Für ihn errechneten sie 9,4 Millionen Bruttoumsatz, davon 400.000 Euro Steueraufkommen sowie statistisch einen Beschäftigungseffekt für 151 Menschen. „Noch stärker wird die Auswirkung, wenn man sich den Multiplikatoreffekt anschaut“, so die Wirtschaftsforscherin. Für jeden Euro an Teilnahmegebühren würden außerhalb im Schnitt 9,10 Euro zusätzlich ausgegeben – in Gastronomie, Handel, fürs Taxi.

Auch Kabarett und Kunst komplett durchgerechnet

So eine Rechnung macht sie auch für die Ausstellung „Neue Sachlichkeit“ in der Kunsthalle auf. 11,40 Euro im Schnitt für Eintritt, Garderobe und Museumsshop in der Kunsthalle selbst – aber 43,40 Euro für Gastronomie, Handel, Taxi, Parkgebühren. Legt man die 150.000 Besucher zugrunde, bedeutet das 8,4 Millionen Euro Bruttoumsatz und 135 Arbeitsplätze, die daran hängen.

Auch einen Kabarettabend von Bodo Wartke im Capitol hat das Institut durchgerechnet. Bei im Schnitt 41,10 Euro für Eintrittskarte, Garderobe und Bar vor Ort legt es dabei nur einen Multiplikatoreffekt von 1,7 zugrunde. Dann kommen aber immer noch 70,10 Euro für Unterkunft, Handel, Gastronomie heraus. „Wenn man rechnet, dass da fast jeden Tag eine Veranstaltung ist, und in der Alten Feuerwache und anderswo ja auch, erzielen in der Summe auch kleinere Veranstaltungen enorme ökonomische Effekte“, so das Ergebnis von Pinnow.

Kommentar Warum sich Kultur rentiert

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Peter W. Ragge
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Schließlich würden außer Parkhäusern, Hotels und Gastronomie „eine ganze Reihe Branchen in der zweiten Reihe wie Handwerker, Techniker, IT“ von Events profitieren, betont sie. Zudem müsse man außer Umsätzen, Kaufkraft, Steueraufkommen auch, wie sie es nennt, „Wohlstandsfaktoren oder Effekte auf die Lebensqualität und Standortattraktivität“ einrechnen.

Andere Länder subventionieren Kongresse

Das bekräftigt IHK-Präsident Manfred Schnabel. Auch für ihn sind Events „ein entscheidender Standortfaktor, denn um Fach- und Führungskräfte für unsere Region zu gewinnen, spielt Lebensqualität und das Veranstaltungsangebot eine entscheidende Rolle“. Für diese Branche wie für die gesamte Wirtschaft wünscht er sich daher „weniger Regulierung und mehr unternehmerische Freiheiten“, etwa bei der Gestaltung der Arbeitszeit. Wichtig ist ihm zudem „regionale Chancengleichheit“. Mit seiner Kritik an Wettbewerbsverzerrung greift er das auf, was Bastian Fiedler beklagt. Immer mehr Bundesländer haben Kongressfonds und subventionieren Veranstalter, wenn sie dort tagen, etwa mit 100 Euro pro Gast. Daher habe er schon Veranstaltungen verloren, so Fiedler. „Wir werden auf die Landesregierung einwirken, dass Baden-Württemberg da mindestens gleichgestellt wird wie andere Bundesländer“, kündigt Bürgermeister Riehle an: „Das ist eine Situation, die so nicht hingenommen werden kann“.

Er ist der Initiative dankbar, dass sie die Studie in Auftrag gegeben hat. Sie belege, „dass Kultur doch kein hundertprozentiges Zuschussgeschäft ist“, so Riehle, sondern wichtig für die Standortqualität und ein großer Wirtschaftsfaktor, „dem ich große Relevanz beimesse“. Daher habe er Matthias Rauch, Leiter des Bereichs kulturelle Stadtentwicklung bei der städtischen Tochter NEXT Mannheim, und den bisher dort angesiedelten Nachtbürgermeister Robert Gaa, nun mit dem Titel Beauftragter für Nachtökonomie, in den Fachbereich Wirtschaftsförderung direkt ins Rathaus geholt.

Redaktion Chefreporter

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