Energie

Neue Gas-Leitung führt durch Mannheimer Schutzgebiet

Trotz geplantem Gas-Aus: Durch die Region wird die neue Riesenleitung SEL gebaut. Mannheims Umweltschützer sind frustriert. Wird das GKM doch zum Gaskraftwerk?

Von 
Martin Geiger
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So wie hier zwischen Heilbronn und Löchgau wird es mittelfristig auch im Mannheimer Landschaftsschutzgebiet „Straßenheimer Hof“ aussehen, wenn die Süddeutsche Erdgasleitung (SEL) gebaut wird. © Terranet BW/Max Kovalenko

Mannheim. Es klingt schon fast ein bisschen grotesk: Obwohl seit knapp einem halben Jahr in Mannheim und dem Umland über das mittelfristig anstehende Gas-Aus diskutiert wird, soll demnächst eine weitere Gas-Transportleitung quer durch die Metropolregion gebaut werden. Das Regierungspräsidium hat das Vorhaben nach einer fast zweijährigen Prüfung nun genehmigt. Mannheims Umweltschutzverbände sind frustriert. Die Hintergründe im Überblick.

Was ist die Süddeutsche Erdgasleitung (SEL)?

Eine neue, rund 250 Kilometer lange Leitung zum Transport von Erdgas. Sie soll von Hessen über Baden-Württemberg bis nach Bayern reichen. Genauer gesagt von Lampertheim bis nach Bissingen. Geplant und gebaut wird sie vom Unternehmen Terranets BW, einer Tochter der EnBW.

Was hat das mit Mannheim zu tun?

Auf dem Weg von Lampertheim nach Heidelberg führt die SEL rund zweieinhalb Kilometer durch das Stadtgebiet: Bei Straßenheim, im Osten der Mannheimer Gemarkung nahe der Grenze zu Heddesheim, wird die neue Gasleitung durch das Landschaftsschutzgebiet „Straßenheimer Hof“ verlegt. Das Umweltforum, der Dachverband von 18 Mannheimer Umwelt-, Naturschutz- und Verkehrsverbänden, hatte dagegen Widerspruch eingelegt. Diesen hat das Regierungspräsidium mit der Genehmigung des hiesigen SEL-Abschnitts nun abgelehnt.

Ein Bild vom Bau der SEL zwischen Heilbronn und Löchgau. Mittlerweile fließt bereits Gas durch die Leitung. © Terranet BW/Max Kovalenko

Warum wird die SEL überhaupt gebaut?

Aus zwei Gründen, wie Terranets BW mitteilte: Erstens solle die SEL zunächst zusätzliches Erdgas liefern, damit Kohlekraftwerke entlang der Strecke auf flexiblere und klimafreundlichere Gaskraftwerke umgerüstet werden können. Eine Abfrage habe ergeben, dass der künftige Gasbedarf höher sei als die vorhandenen Transportkapazitäten. Darum binde die SEL die Regionen Rhein-Neckar und Stuttgart an die Standorte in Hessen und Bayern an, wo jeweils große transeuropäische Gasleitungen vorhanden sind.

Was ist der zweite Grund für den Bau der SEL?

Ab Anfang der 2030er-Jahre soll sie Wasserstoff transportieren. Damit wäre sie dann Terranets BW zufolge die „erste Wasserstoff-Pipeline in Baden-Württemberg mit Anbindung an europäische Transportrouten“. Als Teil des deutschen Wasserstoff-Kernnetzes leiste sie „einen entscheidenden Beitrag zur CO₂-neutralen Energieversorgung Baden-Württembergs“. Denn der Wasserstoff wird laut den heutigen Konzepten vor allem in der Industrie und bei Kraftwerken auch noch lange nach dem Ende des fossilen Erdgases benötigt, das in Baden-Württemberg ab 2040 und bundesweit ab 2045 keine Rolle mehr spielen soll.

Wird das Grosskraftwerk Mannheim (GKM), das einst größte Steinkohlekraftwerk Deutschlands, doch noch zu einem wasserstofffähigen Gaskraftwerk umgebaut? © Rinderspacher

Welche Rolle spielt das Grosskraftwerk Mannheim (GKM) dabei?

Als Begründung für den Bau der SEL führt Terranets BW in den Unterlagen ein Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk (GuD) in Mannheim mit einer Kapazität von 1.600 Megawattstunden pro Stunde an. Frühere Pläne des GKM sahen auch die Umrüstung eines Kohleblocks auf Gas vor. 2020 wurde dieses Vorhaben auf Betreiben der MVV jedoch gestoppt. Inzwischen hat es offenbar wieder ein Umdenken gegeben.

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Der neue GKM-Technik-Vorstand Thomas Hörtinger bezeichnet eine wasserstofffähige GuD-Anlage als „Chance“. Entschieden ist aber noch nichts. Ein GKM-Sprecher antwortet auf die Frage, ob ein solches Gaskraftwerk geplant sei: „Das hängt von der weiteren Ausgestaltung der Kraftwerksstrategie durch die neue Bundesregierung und von der Willensbildung unserer Anteilseigner ab.“

Warum ist das Umweltforum gegen die SEL?

Der Zusammenschluss der hiesigen Naturschützer führt mehrere Gründe ins Feld: Erstens sei das Landschaftsschutzgebiet „Straßenheimer Hof“ ein wichtiger Lebensraum. Zweitens grenze daran unmittelbar das Wiederansiedlungsgebiet für den geschützten Feldhamster an. Drittens sei der Bedarf für den hiesigen Abschnitt der SEL gar nicht abschließend bestätigt. Viertens seien die vorgesehenen Sicherheitsabstände zu Wohnhäusern auf den Transport von Erdgas ausgelegt. Es gebe jedoch ernst zu nehmende Erkenntnisse, die beim Transport von Wasserstoff größere Abstände nahelegten. Da vor der geplanten Umstellung die Betroffenen im Rahmen des Verfahrens nicht mehr gehört würden, müsse dies jetzt berücksichtigt werden. Und angesichts all dieser Überlegungen seien die geplanten Eingriffe in die Natur zum Bau der SEL nicht gerechtfertigt.

Was sagt Terranets BW dazu?

Das Unternehmen betont, dass es sich „an alle Gesetze und Verordnungen“ halte. „Selbstverständlich wird auch die SEL nach den geltenden Sicherheitsregeln errichtet und betrieben“, teilt eine Sprecherin mit. „Dies wurde in der Sicherheitsstudie eines Sachverständigen für Erdgas und Wasserstoff geprüft und bestätigt.“ Weiterhin verspricht sie: „Sollte es keinen Bedarf für einen Abschnitt geben, wird dieser nicht realisiert.“

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Mittelfristig soll laut Terranets BW Wasserstoff anstatt Erdgas durch die SEL fließen. © Terranet BW/Max Kovalenko

Welcher Argumentation folgt das Regierungspräsidium?

Eindeutig der von Terranets BW. Darum hat es Ende März das Planfeststellungsverfahren mit der Genehmigung der SEL abgeschlossen. Zwar wurde aufgrund der rund 150 eingegangenen Einwendungen und Anregungen der Trassenverlauf im hiesigen Abschnitt stellenweise angepasst. Im Stadtgebiet Mannheim darf er jedoch wie geplant umgesetzt werden. Die Leitung nähere sich im Regierungsbezirk Karlsruhe lediglich an etwa 3,5 Prozent des Trassenverlaufs Wohnhäusern mehr als 50 Meter an. Dort würden auch erhöhte Schutzmaßnahmen ergriffen. Generell erforderlich seien solche aber auch nach einer Umstellung nicht, erklärt eine Sprecherin: „Für eine Wasserstoffleitung bestehen keine erhöhten Anforderungen an den Abstand zu Wohnhäusern und ähnlich schützenswerten Strukturen.“

Und wie geht es jetzt weiter?

Theoretisch kann noch bis Anfang Mai gegen den Planfeststellungsbeschluss geklagt werden. Das gilt jedoch nicht als besonders wahrscheinlich. Der erste Abschnitt der SEL (Heilbronn-Löchgau) ist laut Terranets BW seit Ende vergangenen Jahres bereits in Betrieb. In den nächsten Wochen will das Unternehmen mit dem Bau der Leitung von Löchgau bis Esslingen beginnen. Im Sommer soll Baustart für den Abschnitt zwischen Heilbronn und Heidelberg sein. Der letzte Teil von Heidelberg über Mannheim bis Lampertheim werde voraussichtlich bis Ende 2027 gebaut.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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