Mannheim. Üblicherweise zieht in der Jesuitenkirche Gold die Blicke auf sich. Am Totensonntag dominiert dunkles Blau. Zur Würdigung jener Polizeibeamtinnen, Polizeibeamten wie auch Polizeifreiwilligen des Landes Baden-Württemberg, die im Dienst getötet wurden, sind Kollegen und Kolleginnen in Uniform gekommen.
Bei der ökumenischen Gedenkfeier - diesmal in der Quadratestadt - steht die Erinnerung an zwei Männer im Mittelpunkt: an Rouven Laur, der am 31. Mai gerade mal 29 Jahre alt durch einen Messerangriff am Mannheimer Marktplatz aus dem Leben gerissen wurde.
Und an Thomas Hohn, der drei Wochen später in Stuttgart-Degerloch zur Motorrad-Begleiteskorte für den ungarischen Ministerpräsidenten gehörte, als der Wagen einer Autofahrerin den 61-Jährigen tödlich erfasste und einen weiteren Biker-Polizisten schwer verletzte.
Trauer um verstorbene Polizisten: Innenminister Strobl wendet sich an Angehörige
Mit einer stillen und doch beredten Gedenkminute, in der gewissermaßen Glocken „für sich sprechen“, beginnt die Feier, die in der nächsten guten Stunde wohl niemanden unberührt lässt - insbesondere Familien, Freunde, berufliche Wegbegleiter. Aber auch all die Vertreter von Polizei, Politik, Wirtschaft und Organisationen wie Rettungsdiensten. Eingereiht in das solidarische Trauern haben sich die Oberbürgermeister von Mannheim und Heidelberg, Christian Specht und Eckart Würzner.
Innenminister Thomas Strobl wendet sich immer wieder ausdrücklich an Angehörige: „Sie sind mit Ihrem Schmerz nicht allein. Ich stehe auch hier mit schwerem Herzen.“ Er spricht von „schwersten Stunden“ für die Polizei in diesem Jahr. Und von noch nicht geheilten Wunden. Es sei nur schwer zu begreifen, dass Rouven Laur in einer Situation, in der er anderen helfen wollte, brutal getötet wurde.
Seit Kriegsende kamen 86 Männer und Frauen im Polizeidienst ums Leben
Sein Name und der des tödlich verunglückten Stuttgarter Motorradpolizisten sind neu in die von dem Glaskünstler Raphael Seitz geschaffene (transportable) Stele eingraviert worden, die bei der Gedenkfeier vor dem Altarraum lichtdurchflutet gen Himmel strebt. Und weil seit Kriegsende 86 Männer und Frauen im Polizeidienst des Landes Baden-Württemberg durch Gewalt oder Unfälle beziehungsweise tragische Ereignisse ihr Leben verloren haben, erinnert Innenminister Strobl stellvertretend an Schicksale, die sich jähren.
Drei Jahrzehnte ist es beispielsweise her, dass Martin Endres, „ein Schutzmann aus Leib und Seele“, außerdem Vater eines kleinen Sohnes, bei der Festnahme einer aggressiven Person einen Herzinfarkt erlitt, an dessen Folgen er starb. Auch wenn inzwischen 50 Jahre vergangen sind, so bleibe der Tod von Wolf-Dietmar Hinke, Waldemar Böhm und Herbert Erlewein unvergessen: Sie waren an Bord des Polizeihubschraubers „Bussard 800“, der anlässlich eines Rennens auf dem Hockenheimring mit der Verkehrsüberwachung, eigentlich ein Routineeinsatz, beauftragt war. Als das Triebwerk ausfiel, stürzten die drei Polizisten in den Tod.
Seelsorger: Polizisten setzen sich für Freiheit und Gerechtigkeit ein
Das Innenministerium von Baden-Württemberg, das Polizeipräsidium Mannheim und die Kirchliche Arbeit in der Polizei haben die Gedenkfeier so gestaltet, dass zwischen Ansprachen, Predigt und Fürbitten immer wieder Musik den Emotionen Schwingen verleiht und obendrein Raum für eigene Gedanken gewährt. Im dunklen Blau der Uniformen füllt das Landespolizeiorchester eindrucksvoll den Altarraum - überstrahlt vom Gold-Glanz der üppig ausgestatteten Barockkirche.
Tod und Schmerz sollen nicht das letzte Wort behalten: Diese Botschaft durchflutet die Gedenkfeier tröstlich. Gleichwohl blitzen auch Unverständnis, ja Wut über die Willkür des Todes auf. Auf „die Brüchigkeit und Verletzlichkeit des Lebens“ weist Diakon und Landespolizeidekan Hubert Liebhardt hin. Polizeiseelsorger Friedel Goetz spricht in seiner Predigt von „Hiobsmomenten“, die wir aushalten müssten. Auch und gerade die Polizei.
Umso mehr gelte es zu würdigen, wenn sich Menschen für „unverhandelbare Werte“ einsetzen und damit „Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit verteidigen“. Und deshalb seien die Polizistinnen und Polizisten, an die erinnert werde, nicht sinnlos gestorben, sondern im Einsatz für unsere Gemeinschaft.
So manche todbringende Schicksalstage der 86 Männer und Frauen, die im Polizeidienst des Landes Baden-Württemberg ihr Leben verloren haben, jähren sich: Ihre Namen nennen Kollegen wie Kolleginnen und zünden für sie - und damit für alle - kleine Kerzen an, die sie am Fuß der Glas-Skulptur aufstellen. Außerdem leuchtet symbolträchtig die Osterkerze. Zum Abschluss erfüllt das Landespolizeiorchester mit dem Folk-Rock-Song „Hallelujah“ von Leonhard Cohen die volle Barockkirche und vermutlich auch viele Herzen.
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