Mannheim. Knapp drei Monate, genauer gesagt: 82 Tage. So lange ist es her, dass man das letzte Mal nahezu uneingeschränkt in die Läden ein- und ausgehen konnte. Ganz so einfach ist es seit Montag nicht mehr. Der Einzelhandel darf seit diesem Morgen zwar grundsätzlich wieder öffnen. Wegen der hohen Sieben-Tage-Inzidenz, die in Mannheim nur ganz knapp unter 100 liegt, muss man sich aber vorher in einem Geschäft - sofern es keine Waren des täglichen Bedarfs verkauft - anmelden, wenn man hinein möchte.
Entsprechend verhalten geht es am Vormittag auf und rund um die Planken zu. Die Innenstadt erwacht nur sehr langsam aus ihrem fast dreimonatigen Winterschlaf. Es sind kaum mehr Passanten unterwegs als zu vergleichbaren Tageszeiten in den vergangenen Wochen. Nur vor C & A hat sich eine kurze Schlange gebildet. Noch rarer sind Menschen, die Einkaufstüten tragen. Sie fallen deshalb umso mehr auf - und werden vom „MM“-Redakteur direkt abgefangen.
„Wir haben Schuhe und Kleidung gekauft“, berichten Ariba und Romessa Haleem. Die beiden jungen Frauen tragen große Tüten von Zalando. Um das möglich zu machen, haben die Mannheimerinnen am Samstag online einen Termin dafür reserviert. „Die Termine waren sehr schnell weg“, haben die beiden festgestellt, „und vor dem Laden gab es heute Morgen eine lange Schlange.“ 45 Minuten hatten sie für ihren Einkauf Zeit. Es habe sie zwar niemand aufgefordert zu gehen, aber „es war nicht so entspannt und gemütlich, wie man es gewohnt ist. Wir haben dauernd auf die Uhr geschaut“, berichten die Schwestern. „Gott sei Dank sind die Läden wieder offen“, sagt Safede, die eine große Zara-Tüte trägt und „Kleidung und Strümpfe“ gekauft hat.
„Große“ Häuser folgen
Nicht alle Geschäfte haben gleich am ersten Tag wieder geöffnet. Koffer Weber, Lush und Body Shop bieten Click & Collect an, Douglas beschränkt sich auf die Filiale in P 5 und hält Q 1 und P 7 noch geschlossen. Tchibo verweist mit Aushängen auf die Verkaufsstellen im Lebensmitteleinzelhandel und auf den Onlineshop, bei Hallhuber und Calida sind die Türen ebenfalls noch zu.
In Q 6 Q7 sind noch einige Modelabels geschlossen. „Das muss vorbereitet werden“, erklärt Geschäftsführer Hendrik Hoffmann. „Unsere Marken reagieren individuell, wir werden die Öffnungszeiten auf der Homepage kommunizieren.“ Von den „großen“ Häusern sind Engelhorn, Peek & Cloppenburg und Primark noch geschlossen. Engelhorn will am Mittwoch öffnen, kündigt Andreas Hilgenstock an. „Die Motivation bei uns und unseren Mitarbeitern ist extrem hoch“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter, „wir freuen uns auf unsere Kunden.“ Sofern Kapazitäten frei sind, werden auch kurzfristig Termine vergeben.
Bei „Click & Meet“, also dem Einkauf mit vorheriger Terminvereinbarung, verfahren die Geschäfte unterschiedlich. Bei Saturn ist zum Beispiel der spontane Einkauf möglich. Wer am Eingang seine Kontaktdaten hinterlässt, darf für 20 Minuten ins Haus und dabei auch frei herumlaufen. AppelrathCüpper und Galeria Kaufhof verfahren ähnlich, bieten den Einkaufenden aber längere Zeitfenster. Geschäftsführer Detlef Berg berichtet von „großer Freude“ seines Teams. „Wir haben auf unseren großen Flächen mit einem bewährten Hygienekonzept alles dafür getan, dass das Einkaufen so sicher wie nur möglich ist“, sagt Berg.
Kalender zum halben Preis
Weil Buchhandlungen nun zum Sortiment des täglichen Bedarfs zählen, entfällt dort die Registrierungs-Prozedur. Hände desinfizieren, eintreten und inspirieren lassen - so, wie man es aus dem vergangenen Jahr kennt. Die Bestsellerliste ist topaktuell, und doch wirkt manches wie aus einer anderen Zeit: Die Läden, vor allem Thalia, sitzen auf Kalendern für das laufende Jahr und hoffen, dass sie sie mit 50 Prozent Preisnachlass noch loswerden.
„Es ist schön, wieder mit Kunden zu tun zu haben, die Gespräche hat man schon vermisst“, berichtet Mona Khamis von der Buchhandlung Schmitt & Hahn in N 2. Es gebe aber eine „tränendes Auge“: „Wir vermissen unsere Nachbarn, die noch nicht offenhaben. Die Stadt besteht aus Bürgern, dem Handel und Cafés.“ Man versuche, sich in der schwierigen Zeit zu unterstützen. „Es ist wichtiger denn je, dass wir als Einzelhandel zusammenhalten.“ Die Kunden freut es ebenfalls: „Ich habe es total vermisst. Der Online-Einkauf ist für mich kein Ersatz“, sagt Jörg Rademacher aus Ilvesheim, der mit einem Stapel Bücher unter dem Arm Thalia verlässt. „Ich habe mich sehr gefreut, das war ein schönes Shoppingerlebnis - wie früher.“
Regeln für den Einzelhandel in Baden-Württemberg
- Bei einer Sieben-Tage-Inzidenz in einem Stadt- oder Landkreis unter 50 dürfen alle Geschäfte öffnen. Dann gilt: ein Kunde pro zehn Quadratmeter für die ersten 800 Quadratmeter Verkaufsfläche und ein weiterer Kunde für jede weiteren 20 Quadratmeter.
- Bei einer Inzidenz von 50 bis 100 dürfen die Einzelhändler nur „Click & Meet“ anbieten, man muss also vorab einen Beratungstermin mit dem Geschäft vereinbart haben. Pro 40 Quadratmeter Verkaufsfläche ist ein Kunde zugelassen.
- Steigt die Inzidenz in einer Stadt oder Region an drei aufeinanderfolgenden Tagen über 100, ist „Click & Meet“ nicht mehr erlaubt. Dann ist nur noch „Click & Collect“ möglich, also die Abholung von vorbestellter Ware im Laden.
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