Mannheim. Jetzt sind sie buchstäblich wie vom Erdboden verschwunden. Auf dem Feld nördlich vom Feudenheimer Friedhof ist wieder klassisches Ackerland. Von den Gemeinschaftsgärtnern, die es hier seit 2019 aktiv waren, ist nicht mehr das Geringste zu sehen. Schuppen, Sitzgelegenheiten und sonstige Gerätschaften befänden sich mittlerweile in Heddesheim, wo das gleiche Projekt entstehe, berichtet der Vorsitzende des Betreibervereins Mikro Landwirtschaft, Bertram Fischer.
Zu Spitzenzeiten hätten auf dem Acker bis zu 200 Menschen mehr als 120 Gemüsesorten angebaut. Gängiges wie Brokkoli und Karotten, aber auch Artischocken. Und Obst, von Erdbeeren über Himbeeren bis zu Melonen. Zudem seien auf dem Areal mehr als 160 Tierarten gesichtet worden, darunter 14 verschiedene Wildbienen. Wiederholt habe eine Kamera sogar Mannheims einziges Schleiereulenpaar gefilmt.
Die Stadt bot eine Verlängerung bis zum 31. März 2025 an
Auch wegen des wichtigen Beitrags zum Naturschutz und zur Artenvielfalt hatte Bürgermeisterin Diana Pretzell die Mannheimer Gemeinschaftsäcker (bisher gab es vier) im Dezember im Umweltausschuss sehr gelobt. Fachleute der Verwaltung versicherten, an allen Standorten festzuhalten. Von dem am Feudenheimer Friedhof hieß es auf besorgte Nachfragen, der Pachtvertrag werde bis 31. März 2025 verlängert.
Das weiter nur um ein Jahr zu können, sei ihnen als langfristige Perspektive zu wenig, so Fischer. Ihren Gemeinschaftsacker hätten sie zwar mit großer Leidenschaft betrieben. Aber der „ständige Ärger, den uns die Stadt gemacht hat“, habe sie auf Dauer einfach zu viel Zeit, Geld und andere Ressourcen gekostet. Daher hätten sie ihren Vertrag nun zum Monatsende auslaufen lassen.
Die Räumung geht klar gegen den Trend. Eigentlich gilt das von dem Mannheimer Verein entwickelte gemeinschaftliche Gemüse- und Obstanbauen als Erfolgsmodell, das in immer mehr Kommunen Nachahmer findet. Gestartet wurde es 2018 neben dem Theodor-Fliedner-Haus in Feudenheim. Ein Jahr später kamen dort jener Gemeinschaftsacker in der Hölderlinstraße sowie ein weiterer in Wallstadt hinzu, ein vierter folgte in Heidelberg-Wieblingen.
Zum jetzigen Aus für das eine Projekt schickt Stadtsprecher Kevin Ittemann auf Anfrage eine ausführliche Stellungnahme. Verwiesen wird unter anderem auf die Struktur des Betreibervereins. Während sich die der anderen Gemeinschaftsäcker selbstständig gemacht hätten, verfolge dieser weiter ein professionelles Modell. Und da externe Fördermittel ausgelaufen seien, gebe es Geldprobleme und einen höheren finanziellen Unterstützungsbedarf. Erschwerend hinzu komme, dass jene Fläche nur zu einen Fünftel städtisch sei, die übrigen Flurstücke gehörten Dritten. All das bestätigt Fischer.
Vor einem Jahr versprach Christian Specht: „Wir kriegen das hin“
Dass es auf diesem Feld nach März 2024 nicht mehr weitergehen könnte, war schon vor einem Jahr ein großes Thema. Seinerzeit ging es auch um die Einstufung als Landwirtschaft, andernfalls drohte eine zehnmal höhere Pacht. Daraufhin bekam der Verein lokalpolitische Rückendeckung. Grüne, SPD, CDU, LI.PAR.Tie sowie FDP/MfM forderten in Anträgen und Anfragen Hilfe.
Bei einer Kundgebung auf dem Acker im April 2023 sagte Christian Specht, damals noch Erster Bürgermeister, die Schreiben der Verwaltung an Fischer „haben mich sehr erschüttert“. Es wäre „ein Treppenwitz“, wenn Nachbargemeinden sich in Mannheim nach dem Know-how erkundigten und wichtige Akteure dorthin verschwänden. Am Ende seiner Rede (unter www.is.gd/JcDFfs im Internet zu finden) versicherte der Christdemokrat: „Ich verspreche Ihnen, wir kriegen das hin.“
Dazu lässt der Oberbürgermeister jetzt seinen Sprecher dem „MM“ mitteilen: „Es ist bedauerlich, dass der Verein nun die Fläche gar nicht weiter betreiben will.“ Dabei habe die Verwaltung ihm „auf eigenen Wunsch“ zunächst nur eine bis März 2025 befristete Verlängerung angeboten. Diese Darstellung bezeichnet der Vorsitzende als „einfach falsch“.
Unstrittig ist: Es ging nicht zuletzt ums Geld. Auch unter Verweis auf ständig für sie zu klärende Rechtsfragen wollte der Verein von der Stadt einen Zuschuss. Erneut gab es breite Unterstützung im Gemeinderat. Bei den Haushaltsberatungen im Dezember beantragte die CDU 5000, die SPD 10 000 Euro. Die Grünen wollten 15 000, allerdings für alle vier Mannheimer Gemeinschaftsäcker (einen weiteren gibt es inzwischen auf Franklin) zusammen. Specht schlug als Kompromiss für dieses und fürs nächste Jahr je 10 000 Euro vor, was einhellig gebilligt wurde. Er sagte eine gleichmäßige Verteilung zu. Somit hätten Fischer und seine Mitstreiter erstmal nur 2500 bekommen. Das war ihnen zu wenig.
Stadt stellt weitere Standorte für Gemeinschaftsäcker bereit
Der Oberbürgermeister weist nun über seinen Sprecher darauf hin, die meisten der auf dem Feld im Feudenheimer Norden aktiven Menschen hätten sich erfreulicherweise benachbarten Initiativen angeschlossen. Zudem habe die Stadt, wie voriges Jahr angekündigt, weitere Standorte für Gemeinschaftsäcker in Neckarau, Neuhermsheim und Sandhofen vorbereitet (Bewerbungen sind bis Ende April möglich, nähere Informationen gibt es online unter folgendem Link).
Die Pacht wurde, wie von Specht bei der Kundgebung im April 2023 in Aussicht gestellt, laut seinem Sprecher der für Landwirte angeglichen. Je nach Lage und Ackerwertzahl würden jährlich pro 100 Quadratmeter 1,05 bis 2,25 Euro fällig.
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