Prozess

Mutmaßlicher Betrug mit Corona-Tests in Mannheim - Zeuge sagt aus

Im Prozess um mutmaßlichen Betrug durch ein Testzentrum in Mannheim hat ein Vertreter der Kontrollstelle geschildert, wie die Abrechnungen geprüft wurden. Und warum trotz Zweifeln noch viel Geld überwiesen wurde

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
Lesedauer: 
© Sebastian Gollnow

Mannheim. Wie war es überhaupt möglich, dass während der Corona-Pandemie bei Schnelltests für die Bevölkerung im großen Stil betrogen werden konnte? Diese grundsätzliche Frage blitzt auch beim zweiten Prozess am Mannheimer Landgericht auf, der sich mit zu Unrecht abgerechneten Virus-Analysen samt Sachkosten in Millionenhöhe beschäftigt. Angeklagt sind (wie berichtet) zwei Männer, die zunächst abgetaucht waren, in Ägypten aufgespürt und festgenommen wurden und seitdem in Untersuchungshaft sitzen.

Um Licht in die Situation des Pandemie-Jahres 2021 zu bringen, hat die 5. Große Wirtschaftsstrafkammer den Abrechnungsleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg als Zeugen geladen. Er schildert, dass die anfänglich landesweit übliche Allgemeinverfügung „praktisch jeden in das System der Leistungserbringer gelassen hat“. Erst Monate später sei mit standortbezogenen Einzelbeauftragungen und einer Identifikationsnummer, die jeweils die Gesundheitsämter vor Ort vergaben, nachgebessert worden.

Bei Zweifeln vertiefend geprüft

Weil für eine klassische Kontrollabteilung zunächst kein Personal zur Verfügung stand, habe die mit den Honorierungen beauftragte Kassenärztliche Vereinigung automatisierte „Plausibilitätsprüfungen“ gestartet. Der Zeuge schildert, dass bei offensichtlichen Unstimmigkeiten Geldauszahlungen gestoppt und außerdem „vertiefende Überprüfungen“ folgten. Davon betroffen war auch das Mannheimer Testzentrum namens „Impuls“ in der Schwetzingerstraße, das in dem Betrugsprozess eine zentrale Rolle spielt. Beispielsweise fiel auf, so der KV-Mann, dass Sachkosten für 3865 Test-Kits in Rechnung gestellt, aber etwa drei Mal so viele Testungen angegeben wurden.

Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren

Aufgrund verschiedener Merkwürdigkeiten sollten eigentlich die Honorare für „Impuls“ zurückgehalten werden. Aber dann passierte ein „Betriebsunfall“ , wie es der Kammervorsitzende Oliver Ratzel formuliert. „Leider ja“, bestätigt der Zeuge und führt aus, dass jener Stichtag verpasst wurde, bis zu dem die Buchhaltung über den Zahlungsstopp hätte informiert werden müssen. Und so sind am 25. November 2021 von der KV Baden-Württemberg noch einmal 1,3 Millionen Euro auf das „Impuls“-Konto überwiesen worden.

Insgesamt sollen die beiden Angeklagten mehr als zwei Millionen Euro für Corona-Tests zu Unrecht geltend gemacht zu haben. Die Staatsanwaltschaft geht von gewerbs- und bandenmäßigem Betrug aus. Ob der 31-jährige Gianfranco F. und der sechs Jahre ältere Samer A. auf Augenhöhe gehandelt haben oder einer als „Chef“ agierte, muss die Beweisaufnahme klären.

Als das Gericht die Ansprechpartnerin für Corona-Testzentren vom Mannheimer Gesundheitsamt anhört, geht es auch um einen Inspektionsbesuch bei „Impuls“ – 2021 ausgelöst durch Anwohnerbeschwerden und den Hinweis, dass Abstandsregeln nicht beachtet worden seien. In der Tat fielen damals Unzulänglichkeiten auf: dass es beispielsweise keine professionellen Test-Kits gab, gebrauchte Schutzkleidung wieder zurück in den Schrank gelegt wurde und das vorgeschriebene individuelle Hygienekonzept fehlte. Obwohl sich die Behördendelegation eineinhalb Stunden bei „Impuls“ aufhielt, so die Zeugin, „ist die ganze Zeit niemand zum Testen erschienen“. Gleichwohl seien vom 19. Juli bis 5. September pro Woche im Schnitt zwischen 800 und 1000 Corona-Schnellanalysen in Rechnung gestellt worden.

Mehr zum Thema

Landgericht Mannheim

Millionen-Betrug mit Corona-Testzentrum - Prozessbeginn in Mannheim

Veröffentlicht
Von
Till Börner
Mehr erfahren
Prozess

Betrug mit Corona-Tests: Überraschung am Mannheimer Landgericht

Veröffentlicht
Von
Waltraud Kirsch-Mayer
Mehr erfahren
Justiz

344.000 Euro in Heidelberger Corona-Teststation zu Unrecht abgerechnet?

Veröffentlicht
Von
Waltraud Kirsch-Mayer
Mehr erfahren

Verurteilter als Zeuge

In einem abgetrennten Verfahren ist bereits der Ludwigshafener Hakim C. zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Sein Geständnis ist in dem gerade laufenden Prozess insofern von Bedeutung, als es der Bruder des angeklagten Samer A. war, der den Bahn-Mitarbeiter überredet hatte, sich als Betreiber eines Corona-Testzentrums in Heidelberg anzumelden – weil (der inzwischen abgetauchte) Ali A. wohl wegen Schufa-Einträgen einen Strohmann für das Heidelberger Testzentrum benötigte. Hakim C., der sich mehrmals mit den Angeklagten in den Räumen von „Impuls“ getroffen hat, soll im Dezember als Zeuge befragt werden. Was dieser im eigenen Verfahren umfänglich gestanden hat, schildert eine der Richterinnen aus dem Prozess vor einer anderen Großen Mannheimer Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht.

Die Verhandlung wird am 30. November, 9.30 Uhr, fortgesetzt.

Freie Autorin

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen