Rhein-Neckar. Während der Corona-Pandemie sollten Schnell-Testzentren für Bürger und Bürgerinnen flächendeckend und obendrein unbürokratisch aufgebaut werden. Dass dies Geschäftemacher unseriös nutzten, davon künden deutschlandweit Prozesse.
Am Montag ist ein solches Strafverfahren vor dem Mannheimer Landgericht angelaufen. Im Mittelpunkt steht eine einstige Covid-Teststation in Heidelberg. Angeklagt ist ein aus Ludwigshafen stammender Mittdreißiger, dem Betrug und Urkundenfälschung zur Last gelegt werden.
Drei der Beschuldigten sind auf der Flucht
Wenn es nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ginge, säßen sogar fünf Männer auf der Anklagebank: Aber drei der beschuldigten Mittäter sind auf der Flucht. Der Vierte ist zwar inzwischen aufgetaucht - aber zu spät, um ihn in das Verfahren einzubeziehen. Und deshalb werden die anderen Männer gesondert verfolgt.
Der Prozess vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer beginnt turbulent - mit einem Antrag wegen Besorgnis der Befangenheit gegen die Kammervorsitzende Christiane Loos. Außerdem gibt es die Forderung, das Verfahren auszusetzen. Hintergrund: Der Angeklagte möchte andere Rechtsbeistände, weil er zu seinen zwei bisherigen Pflichtverteidigern wohl kein Vertrauensverhältnis aufzubauen vermochte.
Bandenmäßiger Betrug in zwei Fällen?
Einer der neuen Anwälte moniert, dass ihm keine Akteneinsicht zwecks Einarbeitung in den Fall gewährt worden sei. Außerdem habe die Kammervorsitzende trotz Einwände wegen Parallelverfahren an der ursprünglichen Terminierung festgehalten. Angesichts der kurzfristig gestellten Anträge zieht sich das Mannheimer Landgericht erst einmal zur Beratung zurück.
Anschließend verkündet die Kammervorsitzende, dass die Verhandlung mit Blick auf das in der Strafprozessordnung verankerte Beschleunigungsgebot außerdem im Sinne der Prozessökonomie erst einmal weitergeführt werde.
Unabhängig davon nehme der Antrag wegen Besorgnis auf Befangenheit seinen vorgeschriebenen Gang. Das bedeutet für die weiteren Verhandlungen: Das Gericht erörtert die Angelegenheit ohne die Kammervorsitzende.
Auch wenn Hakim C. allein auf der Anklagebank sitzt, geht Staatsanwältin Jeanie Henn von banden- und gewerbsmäßigem Betrug in zwei Fällen, nämlich im Sinne von zwei Abrechnungsblöcken, aus.
Verdächtiger nie für Corona-Tests geschult
Irgendwann vor Mitte Mai 2021 soll sich der heute 36-Jährige mit vier anderen Männern zusammengetan haben, um angeblich in Corona-Schnelltestzentren erbrachte Leistungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg abzurechnen.
Das Gesundheitsamt des Rhein-Neckar-Kreises, so heißt es in der am Montag verlesenen Anklage weiter, hat Hakim C. Mitte August vergangenen Jahres als Leistungserbringer für Bürgertests beauftragt - wohl auch deshalb, weil dieser die Bestätigung über eine entsprechende, aber nie erfolgte Schulung vorgelegt hat. Das manipulierte Dokument war nämlich auf einen der gesondert verfolgten Mittäter ausgestellt.
Gemeinsam mit seinem Kompagnon hat der Angeklagte im vergangenen Jahr laut staatsanwaltschaftlicher Recherchen für die Monate August und September 240 000 Euro und im Oktober weitere 104 000 Euro geltend gemacht - und dies laut Anklagevorwurf „zu Unrecht“.
Betrügereien bei Geldwäscheversuchen aufgefallen
Diese Summen sollen auch tatsächlich überwiesen worden sein. Deswegen fordert Staatsanwältin Henn vor dem Mannheimer Landgericht unter anderem das Einziehen eines Wertersatzes in Höhe von 344 000 Euro.
Die Strafverfolgungsbehörde geht außerdem davon aus, dass drei weitere Akteure der Gruppe in wechselnder Zusammensetzung insgesamt 3,3 Millionen Euro mit nicht oder nur teilweise erbrachten Corona-Testungen erschlichen haben sollen. Offenbar sind die Betrügereien bei Geldwäscheversuchen der Gruppe aufgefallen.
Hakim C. sitzt in Untersuchungshaft
Beim Prozessauftakt wollte der wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft sitzende Angeklagte Hakim C. erst einmal nichts zu den Vorwürfen sagen - weder zur Sache noch zu seiner Person. Allerdings soll er bereits einige Einlassungen gegenüber einem Anwalt zum Fall gemacht haben.
Der Prozess am Mannheimer Landgericht, der bis in den November terminiert ist, wird am Donnerstag, 8. September, 10 Uhr, fortgesetzt. Dann dürften die Entscheidungen zu den anwaltlichen Anträgen bekannt gegeben werden.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg_artikel,-heidelberg-344000-euro-in-heidelberger-corona-teststation-zu-unrecht-abgerechnet-_arid,1992276.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg.html