„Es klingt zunächst alles abstrakt“, gesteht Tatjana Dürr. Aber am Ende soll doch etwas entstehen, was jeder sehen, anfassen, benutzten kann – sogenannte „Stadtmöbel“ zum Beispiel. Die entwerfen, konstruieren und bauen ab Freitag, 2. August, rund 70 Studenten aus aller Welt. Sie nutzen die Multihalle als Werkstatt für eine Sommerakademie unter dem Motto „Co-Creating Home“ über das Zusammenleben in Städten.
„Gerettet!“ – Tatjana Dürr, Beauftragte für Baukultur der Stadt, ist zunächst einmal erleichtert. Am 9. Juli hatte der Gemeinderat endgültig beschlossen, dass die Multihalle nicht – wie zeitweise erwogen – abgerissen wird. „Sie ist ja auch ein großartiges Architektur- und Ingenieurbauwerk“, fühlt sich Dürr bestätigt. Ehe im nächsten Jahr die Sanierung des Tragwerks beginnt, soll es dort aber noch einige Veranstaltungen geben.
Im August steht die „Sommerakademie“ im Mittelpunkt. Partner sind die Hochschule Darmstadt, die Hochschule Konstanz sowie die Technische Universität und die Universität der Künste Berlin. Studenten dieser Einrichtungen sind dabei, zudem Teilnehmer aus Chile, Rotterdam und Tel Aviv in Israel. „Es ist aber eine offene Aktion, Bürger dürfen jederzeit vorbeikommen, vielleicht auch mal einen Kuchen bringen“, sagt Johannes Dam, der Organisator der zweiwöchigen Aktion, die mit einem öffentlichen Frühstück mit Oberbürgermeister Peter Kurz am Sonntag, 4. August, um 11 Uhr offiziell beginnt. Stets könnten die Bürger danach die Bauphase mitverfolgen und bei speziellen „Visiting-Visions-Touren“ kennenlernen, schließlich am 17. August bei einem Richtfest die Ergebnisse sehen.
Kooperation mit Tel Aviv
„Wir wollen nicht im Elfenbeinturm denken, sondern bewusst rausgehen aus der Hochschule, diskutieren, auch konfrontativ“, beschreibt Architektur-Professorin Kerstin Schultz von der Hochschule Darmstadt das von ihr mitentwickelte Konzept der Veranstaltung.
„Wie wollen wir künftig leben?“ – diese zentrale Frage stehe über der Sommerakademie, so Schultz. Das reiche von der Diskussion über die Grenzen der Privatheit bis zur künftigen Gestaltung von Küchen oder Wohnräumen angesichts der Digitalisierung, von der Art der verwendeten Baumaterialien angesichts der Klima- und Umweltprobleme bis zur Gestaltung oder Möblierung öffentlicher Plätze. Schultz erwartet „ein Feuerwerk von Ideen“, die nicht nur auf dem Papier formuliert, sondern konkret vor Ort gebaut werden sollen. „Wir machen da ein Stück experimentelle Stadtentwicklung“, sagt Tatjana Dürr. Die dabei entstehenden „Stadtmöbel“ sollen zukünftig im öffentlichen Raum installiert und genutzt werden können, in der Multihalle , im Park wie auch an anderen Stellen der Stadt. „Sehr gespannt“ darauf ist Matthias Rauch vom Büro für Kulturelle Stadtentwicklung der Stadt. „Das Besondere ist ja, dass das interdisziplinär läuft – Architekten, Ingenieure, Designer“, hebt er hervor. Sein Büro hat die Kooperation mit der israelischen Hochschule „Shenkar – Engineering. Design. Art“ , die auf textiles Bauen spezialisiert ist, eingefädelt. Schließlich strebe Mannheim eine engere Kooperation mit Tel Aviv an, wo es „eine unheimlich dynamische Gründerszene“ gebe, so Rauch.
Für die Sommerwerkstatt genutzt wird nicht allein die, so Kerstin Shultz, „imposante Multihalle“, sondern auch der östlich anschließende Bereich der Pergolen des Herzogenriedparks. Diese sollen die Studenten so überdachen, dass sie während der Laufzeit der Sanierung des Tragwerks auch weiter genutzt werden können. „Wir wollen ja nicht jetzt, wo wir die Multihalle durch allerlei Aktionen wiederbelebt haben, gleich wieder alles einschlafen lassen, wenn saniert wird“, so Dürr. Sie rechnet mit einem Baubeginn im nächsten Jahr. Die Sommerakademie soll zugleich erster Schritt zu einem „Frei Otto Study Center“ sein, das die Stadt mit dem KIT Karlsruhe und internationalen Universitäten betreiben will.
Die Sanierung
- Die Bundesregierung bewilligte für die Sanierung der Multihalle als „Nationales Projekt des Städtebaus“ fünf Millionen Euro.
- Die Stadträte bewilligten den Rest von 9,2 Millionen für die mit 14,2 Millionen Euro veranschlagte erste Stufe der Generalsanierung. Sie umfasst die Tragwerkssanierung und eine neue Dachhaut sowie den teilweisen Rückbau der Betoneinbauten. Nur das Dach soll bleiben.
- Die Multihalle entstand zur Bundesgartenschau 1975. Es handelt sich um die weltweit größte frei tragende Dachkonstruktion aus Holz. (pwr)
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