Filmschätze - Aufnahmen aus dem Jahr 1957 zeigen eine Partie des Mannheimer ERC / Eishockeyspieler noch ohne Helm / Umzug in die SAP Arena 2005

Mit Trompete und Pelz ins Eisstadion

Von 
Peter W. Ragge
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Teilweise trug man im Publikum Krawatte oder machte Musik: Aufnahmen von einem Eishockeyspiel des MERC im Eisstadion des Mannheimer Friedrichsparks 1957. © Stadtarchiv

Im Publikum tragen einige Herren Krawatte, die Damen Pelzmantel – und nur ein Torwart einen Helm, die Spieler nicht die heute üblichen Polster und Platten unter dem Trikot: Bilder von einem Eishockeyspiel 1957 – sie wirken wie aus der Zeit gefallen und gehören zu den Filmschätzen des Stadtarchivs, die nur durch Digitalisierung vor dem Verfall gerettet werden können.

Der Jubel ist schon damals laut. Ein Fan nutzt dafür eine Trompete. Der Pressefotograf verwendet einen Blitz, der größer ist als sein Fotoapparat – so groß wie ein Teller.

Gegen wen die Cracks auf dem Eis da spielen – man weiß es nicht mehr. Der MERC sei da „gegen eine Mannschaft aus Bayern“ angetreten, formuliert es der Sprecher in der historischen Aufnahme. Sie stammt aus dem Film „Am Pulsschlag der lebendigen Stadt – Mannheim im 350. Jahr“ von Eberhard Fingado mit einem Text von Gerhard Lehman nach einem Entwurf von Wolfgang Poensgen, 1949 bis 1969 Direktor des Städtischen Presseamts.

Im Eisstadion sehe man „die rasantesten Wettstreite“, so der Sprecher. Damals spielt noch der MERC, der „Mannheimer Eis- und Rollsportclub“. Im Mai 1938 gegründet, erfolgt nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Verbot aller Vereine durch die Alliierten 1947 die Wiedergründung. Aus dem Mannheimer Club wird schnell einer der führenden Vereine im deutschen Eis- und Rollschuhsport, dem viele erfolgreiche Eiskunstlaufpaare entstammen. Lange spielen zudem die Eishockeycracks des MERC ganz vorne mit. 1980 werden sie erstmals Deutscher Meister.

1994, im Zuge der Gründung der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), wird aber das Eishockeyteam abgetrennt und in eine eigene Firma, eine GmbH mit dem Namen „Adler“, ausgegliedert. Der Stammverein ist weiter für den Amateur-, Frauen- und Nachwuchsbereich zuständig. Die Adler fliegen 1997 erstmals zum Meistertitel. Seit 1998 sind Dietmar und Daniel Hopp deren Gesellschafter. Mit den Titeln 1998 und 1999 gelingt den Adlern der Hattrick: dreimal Meister in Folge. Das ist aber zugleich der Anfang vom Ende des Eisstadions im Friedrichspark. Der Film rühmt es noch als „die einzige Kampfstätte dieser Art in Südwestdeutschland“.

Wieder Fußball-Übertragung

Erbaut von Richard Pabst, der schon das Olympiastadion in Garmisch-Partenkirchen geplant hatte, wird das Mannheimer Eisstadion am 19. Februar 1939 eröffnet. Am 5. Juli 1943 wird es durch eine Fliegerbombe getroffen und schwer beschädigt. Erst am 22. November 1949 sind die letzten Reparaturarbeiten beendet. Überdacht wird das Eisstadion erst in den 60er Jahren. Lange bläst den Fans Schnee und Regen in den Nacken, auf der Tribüne ist es empfindlich kalt, aber Gesänge und das Mitfiebern halten die Eishockey-Anhänger warm. Die Stimmung gilt als unerreicht, doch das Stadion ist zu klein, Nebenräume zu eng, die ganze Technik veraltet. 2005 ziehen die Adler in die neu erbaute SAP Arena um. Inzwischen nutzt der Inline-Sport-Club Mannheim (ISC) das Areal.

Während der Fußball-WM im Juni und Juli kann man aber wieder anknüpfen an die alte, wunderbare Stimmung im Friedrichspark. Dort werden – wie schon bei den Turnieren in den Jahren 2010, 2012, 2014 und 2016 – bis zu 5000 Besucher, bewirtet von Markus Rick, die Spiele auf einer 36 Quadratmeter großen Leinwand sehen können.

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"Filmschätze retten": Der MERC

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    Er trägt Uniform mit Pickelhaube, die Herren um ihn herum Frack und Zylinder – den sie aber flink und ehrerbietig vor ihm ziehen. Schließlich lautet seine Anrede „Königliche Hoheit“. Es ist der Erbgroßherzog Friedrich II. von Baden. Am 1. Mai 1907 kommt er nach Mannheim. Der Film davon sind die ältesten Bewegtbild-Aufnahmen, die es von Mannheim gibt. Sie stellte diese Zeitung im Oktober 2017 vor und begann damit die Serie „Filmschätze retten“. Heute endet sie, und alle Leser können zum Abschluss eine DVD mit historischen Streifen gewinnen. Die Aktion „Filmschätze retten“: hatten Marchivum und Freundeskreis Marchivum gestartet und als Unterstützer dafür diese Zeitung gewonnen. Zunächst ging es um Spenden für die Digitalisierung der rund 500 Filme umfassenden Sammlung. Den alten Rollen drohte das Essigsäure-Syndrom, sie lösen sich also durch chemische Prozesse auf. „Nur wenn der analoge Bestand digitalisiert wird, kann er für künftige Generationen gerettet werden“, so Marchivum-Direktor Ulrich Nieß. 67 500 Euro an Spenden Bis Juli 2018 haben wir jeden Donnerstag unter dem Motto „Filmschätze retten“ historische Aufnahmen aus den Beständen des Marchivum vorgestellt – auf dieser Seite im Kulturteil und im Morgenweb. Wegen der großen Resonanz setzten wir die Serie nach Abschluss der Spendenaktion fort, veränderten aber Ziel und Rhythmus. Ab September 2018 gab es jeweils am ersten Donnerstag im Monat Bilder und Informationen zu einem historischen Film – verbunden mit einem neuen Aufruf des Marchivum. Es bat darum, dass viele Mannheimer ihre privaten Filmschätze dem Marchivum anbieten, damit sie digitalisiert, fürs Archiv erschlossen und (auf Wunsch) zurückgegeben werden. Auf beide Aufrufe gab es sehr viele Reaktionen. Die Spendenaktion erbrachte 67 500 Euro. „Damit haben wir unseren Filmbestand komplett digitalisieren können“, so Désirée Spuhler, der die audiovisuelle Sammlung des Marchivum untersteht. Überwiegend handelte es sich um Stummfilmmaterial. Dazu verfasste dann Julia Scialpi vom Freundeskreis Marchivum Texte für eine Vertonung, die Stadträtin und Freundeskreis-Vorsitzende Helen Heberer als Sprecherin aufnahm. Technische Hilfe bei der Umsetzung leistete Andreas Etzold (RNF). 21 dieser Clips sind nun auch auf DVD verewigt. Aufnahmen vom Krieg, vom Wiederaufbau des zerstörten Mannheim, vom legendären Blumencorso des Einzelhandels 1967, der Tombola für den Wiederaufbau des Nationaltheaters 1957, vom alten Planetarium 1935, von der Überführung des Sargs des Kurfürsten in die Schlosskirche 1957, vom Besuch von Bundeskanzler Konrad Adenauer im Rosengarten 1953, vom Autohaus Kannenberg mitten im „Wirtschaftswunder“ 1956, von einer „Zeppelin“-Landung 1930, vom alten Eisstadion Friedrichspark 1938, aber auch seltene Luftaufnahmen von 1926, von Nazi-Propaganda und den bald darauf enteigneten jüdischen Geschäften weckten viele Erinnerungen und zeigten den beeindruckenden Wandel der Stadt. Außer den vielen Geldspenden sind zudem über 100 private Filmspulen abgegeben worden, die nun – digitalisiert – die Marchivum-Bestände bereichern und künftig auch für Ausstellungen verwendet werden können. Nieß spricht daher zufrieden von „einem höchst erfolgreichen Projekt“. Schauen und Staunen „Wir haben allen Spendern zu danken und sind von der Breite der Unterstützung und dem Engagement des „Mannheimer Morgen“ überwältigt“, so Nieß. Der Erfolg der Aktion „Filmschätze retten“ sei dabei „nicht in Geld aufzuwiegen“, betont der Direktor. „Nicht nur, dass die erforderliche Spendensumme für die Digitalisierung der Filme zusammen kam, vielmehr trägt die Aktion zur Identitätsstiftung mit dem Marchivum bei“, freut er sich. „Hier ist der Ort für eine breit aufgestellte audiovisuelle Sammlung, die eindrucksvoll Mannheims Geschichte in Bildern dokumentiert. Das animiert zum Schauen, Staunen, aber auch zur Nachdenklichkeit, wie wir mit unserem historischen Erbe umgehen wollen“, so Ulrich Nieß.

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