Mannheim. Nachdem Moderator Jan Böhmermann am Freitag im „ZDF Magazin Royale“ eine Reise der Bundestagsabgeordneten Melis Sekmen kritisiert hatte, hat die Mannheimer Grünen-Politikerin am Montag darauf reagiert - und ihrerseits Kritik an der Sendung geübt.
Was hat Jan Böhmermann in der Sendung kritisiert?
In der am Freitag ausgestrahlten Sendung kritisiert Böhmermann zahlreiche Auslandsreisen aller Abgeordneten. Laut „ZDF Magazin Royale“ soll das mehr als vier Millionen Euro umfassende Reisebudget des Bundestags für das Haushaltsjahr bereits im Mai ausgeschöpft gewesen sein. Böhmermann kritisiert in diesem Zusammenhang, dass sich Abgeordnete Reisen auch von Lobbyorganisationen entweder finanzieren lassen oder programmatisch zusammenstellen lassen sollen.
„Bezahlt von uns Steuerzahlern“, kritisiert Böhmermann Letzteres. Der Moderator erklärt zudem, alle 736 Abgeordneten zu ihren Reisetätigkeiten in der laufenden Legislaturperiode angefragt zu haben. Laut Böhmermann haben nur 297 Parlamentarier geantwortet. „Wir haben uns die 439 Abgeordnete genauer angekuckt, die uns nicht geantwortet haben“, erklärt Böhmermann.
Was hat das mit Melis Sekmen zu tun?
Gegen Ende der Sendung kritisiert Böhmermann eine Reise Sekmens im Sommer ins US-amerikanische Boston. Die Kosten von knapp 9000 Euro soll die Robert-Bosch-Stiftung bezahlt haben. Gleichzeitig kritisiert der Moderator, Sekmen habe auf sozialen Medien keine Bilder der Reise geteilt.
Sekmen zieht Bilanz
- Melis Sekmen zieht am Dienstag eine Halbzeitbilanz der Ampel. Um 20 Uhr diskutiert sie im Auditorium der Kunsthalle „Wo stehen wir nach zwei Jahren Ampelregierung?“.
- Mit Sekmen debattieren der langjährige ZDF-Chefredakteur Peter Frey und die Politologin Andrea Römmele. Moderiert wird die Diskussion, in der das Publikum Fragen stellen darf, von RNF-Geschäftsführer Ralph Kühnl.
Stattdessen hat sie in dieser Zeit ein Bild einer Veranstaltung an der Universität gepostet, die mehr als einen Monat zurücklag. Die Moderation suggeriert, Sekmen habe dadurch die Reise verschleiern wollen. Wie andere namentlich genannte Abgeordnete kommt die Mannheimer Grünen-Politikerin in der Sendung selbst nicht zu Wort, um Stellung zu nehmen.
War Sekmen in diesem Sommer in Boston?
Ja. Im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt die Bundestagsabgeordnete am Montag, im Sommer eine Woche lang in Boston gewesen zu sein. Die Reise bezahlt habe die Robert-Bosch-Stiftung. Die Zuwendung von 8879,84 Euro ist auf dem Bundestagsprofil Sekmens öffentlich als Reisekosten deklariert. „Ich habe keine Reise vertuscht.“ Die Reise sei ohne Steuergelder finanziert worden. Weitere „Spenden und sonstige Zuwendungen für die politische Tätigkeit“ weist Sekmens Profil nicht aus.
Was hat Sekmen in Boston gemacht?
Sekmen erklärt, sie sei als Stipendiatin der Stiftung nach Boston gereist, um dort ein einwöchiges Seminar an der Havard Kennedy School Executive Education zu belegen. Die Stiftung biete im Zusammenhang mit dem Programm „Politik gestalten im 21. Jahrhundert“ mehrere Reisen und Workshops an. Sekmen war laut eigener Aussage bislang nur in Boston.
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„Das Programm ist für mich eine wichtige Weiterbildungsmaßnahme, die meine Führungskompetenzen entwickelt hat, und die ich mit einem Zertifikat abgeschlossen habe.“ Demnach sei es im Seminar um Managementskills, Demokratieverständnis, Umgang mit Populismus oder politische Gestaltung eines Landes gegangen. „Den Steuerzahler hat das keinen Euro gekostet.“
Warum aber hat sie während ihres Aufenthalts ein Bild einer bereits Wochen zurückliegenden Veranstaltung gepostet?
Sekmen erklärt, dass Beiträge aus Termingründen nicht immer tagesaktuell erscheinen. Tatsächlich gibt es mehrere Beiträge, die erst Tage nach Veranstaltungen gepostet worden sind. Manchmal ist das durch Zeitangaben („gestern“, „am Wochenende“) erkennbar, manchmal nicht. Im angesprochenen Post gibt es keine Zeitangabe im Text.
Sekmen schreibt nicht explizit, dass es sich bei der Veranstaltung um eine aktuelle gehandelt habe. Die Veranstaltung datiert vom 18. Mai, der Post vom 28. Juni. Auf einem Bild ist das Datum der Veranstaltung zu erkennen. „Wenn ich etwas zu vertuschen hätte, hätte ich bestimmt kein Bild mit Datum gepostet - dafür muss ich mich nicht rechtfertigen.“ Sekmen verweist darauf, dass sie auch auf LinkedIn - einem beruflichen sozialen Netzwerk - das Seminar auflistet.
Was kritisiert Sekmen an der Sendung?
Laut Sekmen ist der Beitrag „völlig undifferenziert“ und „aus dem Zusammenhang“ gerissen. „Es ist nicht in Ordnung, Menschen so zur Schau zu stellen, für Dinge, die sie nicht getan haben.“ Seit der Ausstrahlung, erzählt Sekmen, bekomme sie verunglimpfende, beleidigende und andere Hassnachrichten. „Ich werde für etwas beleidigt, was ich nie getan habe.“ Die Grüne erklärt, auch die Anfrage der Redaktion zu Reisetätigkeiten - anders als im Magazin suggeriert - beantwortet zu haben.
„Das ging schnell, weil ich bisher keine einzige Einzeldienstreise gemacht habe und dafür, im Vergleich zu Unionsabgeordneten, die das Budget leergeflogen haben, auch keine Steuergelder verbraucht habe.“ Die Mail liegt dieser Redaktion vor. Dem ZDF, erklärt sie zudem, sei das Programm der Stiftung bekannt. „Ich habe mit der Redaktion darüber gesprochen.“
Außerdem habe sie sich als Obfrau der Grünen im Wirtschaftsausschuss mit der Redaktion darüber ausgetauscht, wie Genehmigungen von Reisen formal ablaufen. „Einzelreisen müssen auch von Medien kritisch hinterfragt werden.“ Das müsse aber differenziert und eingeordnet geschehen. „Ich glaube, die Sendung hatte ein anderes Ziel.“
Was sagt das ZDF zu Sekmens Kritik?
Eine nach dem Gespräch am Nachmittag gestellte Anfrage blieb inhaltlich noch unbeantwortet. Das ZDF teilte dieser Redaktion aber mit, sich am Dienstag äußern zu wollen.
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