Mannheim. Blickt Mina Kosiec auf zwei Jahre queeren Jugendtreff „gut so“ zurück, ist die Reaktion: „Spannend! Es ist seit der Eröffnung sehr viel passiert. Unser Angebot wächst stetig, der Kreis unserer regulären Teilnehmenden erweitert sich langsam, aber sicher.“
Jugendtreff „gut so“ Mannheim heißt queere Menschen willkommen
Leitung Kosiec und das Team sind besonders stolz auf die „vertrauensvolle Atmosphäre“, die im Treff herrsche. „Es gibt ein sehr harmonisches Miteinander, in dem tiefe Gespräche und große Gefühle möglich sind, aber das dennoch offen und herzlich bleibt gegenüber Neuankömmlingen“, so Kosiec. Der Treff will alle Teilnehmenden trotz verschiedenster Bedürfnisse zum Wohlfühlen einladen, so Kosiec.
Montags bis freitags von 16 bis 20 Uhr basteln, kochen oder spielen die Jugendlichen in G 7, 14. „Es wird gequatscht, gechillt, gelacht und auch geweint“, sagt Kosiec. Geweint? Ja. Da gibt es viele Gründe. Etwa: „Es ist schon mehrmals vorgekommen, dass Jugendliche aufgebracht im Treff ankommen, da sie auf dem Weg in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf der Straße, angesprochen, beleidigt, gegen ihren Willen fotografiert und sogar mit Müll beworfen worden sind.“
AfD-Demo schüchterte „gut so“-Gäste und Team ein
Kosiec weiter: „Besonders traurig war auch die Diskussion in unserem Team, ob wir am 7. Juni öffnen konnten, da die damals angekündigte AfD-Demo uns verängstigt hatte und wir nicht für den sicheren Heimweg der Jugendlichen oder Mitarbeitenden garantieren konnten.“ Kosiecs Schilderungen stoppen nicht: „Eine Fensterscheibe neben unserer Eingangstür wurde auch kürzlich über Nacht zerbrochen. Sich öffentlich queer zu zeigen, ist leider immer noch nicht sicher.“
Mina Kosiec von „gut so“: Hier wird niemand verurteilt
Doch „gut so“ ist ein Schutzraum. Kosiec weiß: „Der Treff ist sehr beliebt bei transgeschlechtlichen, gender non-konformen und nicht binären Jugendlichen.“ Kosiec: „Sie können sich bei uns frei und kreativ in ihrer geschlechtlichen Identität und auch Identitätssuche ausdrücken, ohne dass sie verurteilt werden oder unschöne Kommentare fallen.“
Kosiec blickt beim Erzählen auch auf das eigene Leben: „Es hat mich besonders berührt, als Teilnehmende mir erzählt haben, dass der Treff gegen ihre Einsamkeit hilft und dass es das Highlight ihrer Woche ist, zu uns kommen zu können.“ Kosiec: „Das war für mich sehr emotional, weil ich in meiner Jugend auch unter Einsamkeit gelitten habe und es mich sehr dankbar gemacht hat, für die heutige Jugend eine Erleichterung schaffen zu können.“
Die eigene Identität ohne hämische Kommentare im queeren Jugendtreff Mannheim suchen
Kosiec weiß: „Das größte Anliegen unserer Teilnehmenden ist, sich in einem Raum aufhalten zu können, in dem sie sie selbst sein und sich trotzdem sicher fühlen können.“ Und: „Auch brauchen sie oft ein Gemeinschaftsgefühl, was in anderen Umgebungen wie Familie oder Schule fehlt, und ein offenes Ohr für ihre Problemlagen.“ Denn diese seien „vielfältig und schwerwiegend“: „Wir begegnen Jugendlichen, die sich bereits mit Armut, chronischen Krankheiten, Arbeitsunfähigkeit, Diskriminierung, Neurodivergenz und Weiterem auseinandersetzen mussten“, erzählt Kosiec. „Und nur wenige unserer Teilnehmenden haben ein stabiles und sicheres Familienleben.“
Die zweite Familie: Im „gut so“ Mannheim wird viel gespielt und es gibt veganes Abendbrot
„Gut so“ ist tatsächlich wie eine kleine Familie. Kosiec erzählt: Die Teilnehmenden seien sehr spielbegeistert. Ob Rommé oder Tabu spielen oder Window Color malen, queere Medien ausleihen und auch Tipps vom Team bekommen und mit ihm gemeinsam Veranstaltungen wie Straßenfeste, Christopher Street Days aber auch Kinofilme zu besuchen, mache die Gäste des Treffs glücklich.
„Außerdem gehört es zu unserem festen Angebot, jeden Tag ein veganes Abendbrot zu kochen und gemeinsam zu essen.“ Bei der Monnem Pride an diesem Samstag, 13. Juli, wird „gut so“ nach gemeinsamer Vorbereitung nicht nur mitlaufen und einen Stand haben, sondern auch die Räume öffnen, um abermals einen sicheren Ort zu bieten, an dem sich Jugendliche vorbereiten, umziehen und schminken können. „Und auch zurückziehen können, falls die Lautstärke, die Menschenmengen, das Wetter etwas zu viel werden“, so Kosiec.
Schon Pläne für nach dem Jubiläum des Jugendtreffs
Bei der Jubiläumsfeier am 21. Juli zum zweiten Geburtstag wird zudem mit Gründungsmitgliedern eine Zeitkapsel von der Treff-Eröffnung angeschaut, so Kosiec. „Dort wurden gute Wünsche für den Treff gesammelt und wir möchten gemeinsam über die bereits erreichten Ziele und zukünftigen Pläne reflektieren.“ Pläne gibt es jetzt schon. So soll etwa der Gruppenraum neu eingerichtet werden: „So dass er zum einen als Lernraum genutzt werden kann und auch eine bequeme Sitzecke bietet. Damit in Zukunft auch Beratungsgespräche von der Psychologischen Lesben- und Schwulenberatung PLUS in dem Raum stattfinden können.“
Ziel dahinter: Das Beratungsangebot, das zur Zeit räumlich getrennt in der Neckarstadt oder in Heidelberg in Anspruch genommen werden kann, in die eigenen Räume zu holen. „Das soll das Angebot noch zugänglicher machen und Hemmschwellen der Jugendlichen senken.“
Kosiec sagt derweil: In der queeren Community Mannheims sei der Treff „gut aufgenommen“ worden. „Auch bundesweit in Vernetzungsveranstaltungen für Fachkräfte in der queeren Jugendarbeit bekommen wir positives und stärkendes Feedback dazu, was wir leisten und anbieten können.“ Man vernetze sich in städtischen Arbeitskreisen weiter und auch bundesweit. „Und wir überlegen uns kreative Fundraising -Ideen, um Geld und Unterstützung reinzuholen“, sagt Kosiec.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Fragiles Miteinander: Wieso die Monnem Pride CSD Demo wichtig ist