Kommunalpolitik

Mannheims Nachwuchsparteien streiten sich um Fördergeld

Die Stadt fördert die Nachwuchsparteien jährlich mit 15000 Euro. Wie das Geld aufgeteilt wird und warum die Grüne Jugend und die Jungen Liberalen enttäuscht sind

Von 
Sebastian Koch
Lesedauer: 
© dpa

Mannheim. Geht es ums Geld, kann das selbst beste Freundschaften zerstören, weiß man. Nun ist es mit Freundschaften in der Politik ja generell so eine Sache. Da lässt es sich über Geld folglich wohl besonders gut streiten.

Das jedenfalls macht der Nachwuchs der Mannheimer Parteien. „Wir sind von Jusos und JU enttäuscht“, sagt der Sprecher der Grünen Jugend (GJ), Wanja Pasdzierny, nachdem ein Kompromiss zur Neuregelung der Verteilung der Fördergelder des Ring Politischer Jugend (RPJ) im Sommer gescheitert ist - nach zwei Jahren Verhandlungen.

GJ, Jusos und Junge Union (JU) bilden mit Jungen Liberalen (Juli) und der Linksjugend Solid den RPJ, der politische Bildung betreiben und junge Menschen für politisches Engagement gewinnen soll. Seit Jahren diskutieren die Parteien aber auch über die 15 000 Euro, mit der die Stadt den RPJ jährlich fördert. Wie gelingt eine faire Verteilung, die Engagement und politische Verhältnisse gleichermaßen widerspiegelt?

So sah der ausgehandelte Kompromiss aus

Die öffentlichen Gelder müssen für Bildung eingesetzt werden - Wahlkampf darf daraus nicht finanziert werden. Derzeit erhalten JU und Jusos pauschal je 30 Prozent, also jeweils etwa 4500 Euro. GJ, Julis und Solid dagegen nur 13 Prozent, was jeweils knapp 2000 Euro entspricht. „Die Einteilung in große und kleine Jugendparteien entspricht nicht mehr den politischen Gegebenheiten“, sagt der überparteilich agierende RPJ-Geschäftsführer Maximilian Wintergerst. „Zudem halte ich es für grundsätzlich sinnvoll, die Verteilung zu einem gewissen Grad zu dynamisieren, um eine gerechte Verteilung der Gelder auch in Zukunft zu gewährleisten.“

Die Regelung soll geändert werden. „Die jetzige Verteilung ist willkürlich. Die Parteien werden weder im Zusammenhang mit tatsächlichem Engagement noch proportional zu ihren Stimmanteilen gefördert“, kritisiert Pasdzierny. Im Gemeinderat etwa stellen die Grünen die stärkste Fraktion - vor SPD und CDU, deren Nachwuchs aber stärker gefördert wird. „Wir sind uns mit Jusos und JU einig, dass das System reformiert werden muss.“

Der ausgehandelte Kompromiss sah vor, eine Hälfte der rund 15 000 Euro als Sockelbeitrag zu gleichen Teilen aufzuteilen - etwa 1500 Euro für jede Partei. Die weiteren Zuschüsse hätten sich anhand der Ergebnisse der Mutterparteien bei Europa-, Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen sowie der Zahl der Veranstaltungen - etwa Vorträge oder Schulbesuche - errechnet.

Mehr zum Thema

Sanierung

Klimawandel erfordert Umbau des Mannheimer Victoria-Turms

Veröffentlicht
Von
Martin Geiger
Mehr erfahren
Klimaschutz

Erstes Müllauto ohne Abgase in Mannheim - weitere sollen folgen

Veröffentlicht
Von
Luzie Frädrich
Mehr erfahren
Justiz

Tragödie am Obdachlosenunterstand: „Es tut mir leid“

Veröffentlicht
Von
Stefanie Ball
Mehr erfahren

Zwar muss der RPJ die Verteilung selbst regeln. „Eine Anpassung des festen Schlüssels würden wir aber begrüßen“, erklärt eine Sprecherin des von Dirk Grunert (Grüne) geführten zuständigen Bildungs- und Jugenddezernats. Die Verwaltung könnte nach Auftrag des Jugend- und Bildungsausschusses selbst einen Vorschlag einbringen. „Wir wollen die Entscheidung aber auf jeden Fall dem RPJ selbst belassen.“

Der Reform müssen vier der fünf Mitglieder zustimmen. Es sei erfreulich gewesen, dass der Kompromiss im Vorfeld von fast allen akzeptiert worden war, erklärt Mario Petrov, Schatzmeister der Solid. „Wir waren aber sehr enttäuscht, als der Vorschlag scheiterte, weil eine der Gruppen ihre Position geändert hat.“

Gemeint sind die Jusos. Die hatten, so der Tenor, zunächst Zustimmung signalisiert - und doch dagegen gestimmt. Weil das auch die JU tat, scheiterte der Kompromiss.

Auch die Jungen Liberalen kritisieren JU und Jusos

Der Vorsitzende der Jusos begründet das mit einem Kommunikationsfehler im Vorfeld der Abstimmung. „Die daraus resultierenden Irritationen tun uns sehr leid“, räumt Hamun Zourmand ein. Man sei sich darin einig, faire Kriterien finden zu wollen, um die jugendpolitische Arbeit „unter Berücksichtigung des tatsächlichen Engagements“ zu fördern. „Diesem Anspruch wird der Vorschlag nicht gerecht.“

Das sieht die RPJ-Delegierte der Grünen, Leona Arnold, anders. „Je nachdem, wie stark sich Nachwuchsparteien engagieren, bekommen sie unterschiedlich hohe Förderungen.“ Zwar sei auch dies nur ein Kompromiss - aber eben einer, „von dem wir ausgegangen sind, dass er mehrheitsfähig ist“.

Dass er das nicht war, überraschte auch die Verwaltung - im März war der Vorschlag im Ausschuss auf Zustimmung gestoßen. „Welche Gründe im Einzelnen zur Ablehnung der Satzungsänderung und damit auch des Verteilungsschlüssels geführt haben, ist uns nicht bekannt.“

Auch Juli-Chef Oskar Weiss kritisiert JU und Jusos. „Uns bleibt nichts anderes übrig, als das Verhalten auf egoistische Partikularinteressen zurückzuführen.“ Er selbst hatte die Verhandlungen zwei Jahre lang als Geschäftsführer begleitet. Im Sommer wurde dann Wintergerst auf Vorschlag der GJ regulär gewählt.

"Hat mit einer fairen Verteilung nichts zu tun"

Zourmand und der Vorsitzende der JU, Lennart Christ, weisen die Kritik zurück. „Uns ist klar, dass wir weniger bekommen werden, wenn die anderen mehr bekommen“, sagen sie und verweisen auf die Notwendigkeit der Reform. Wegen der vielen Veranstaltungen, die JU und Jusos mehr durchführen als andere Mitglieder des RPJ, sei es aber auch nicht „ganz falsch, dass wir insgesamt mehr bekommen“, sagt Christ.

Ein Sockelbeitrag sei „grundsätzlich richtig“, erklärt Zourmand. GJ und Julis hätten den aber mit 50 Prozent zu hoch angesetzt und so weitere Zahlungen zu stark eingeschränkt. „Die Unterschiede in Qualität und Quantität des Engagements zwischen den Organisationen sind schlichtweg zu groß und würden keine angemessene Berücksichtigung finden.“ Zeitweise habe man sich in die Ecke gedrängt gefühlt. „Mit jedem neuen Vorschlag haben die, die schon zugestimmt hatten, immer mehr bekommen, und die, die abgelehnt hatten, immer weniger. Das hat mit fairer Verteilung nichts zu tun und ist auch nicht ehrlich.“

Auch die Ergebnisse der Mutterparteien als Kriterium lehnen die Jusos ab. Es gehe darum, mit welchem Einsatz der RPJ Menschen vor Ort für Engagement begeistert. Dabei sei die Zahl von Veranstaltungen relevant - aber nur in Verbindung mit kontinuierlicher Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung. So können die Jusos mit vergleichsweise vielen Mitgliedern laut Zourmand Veranstaltungen spontaner organisieren als kleinere Organisationen. „Es wäre ärgerlich und für andere von Nachteil, wenn wir am Ende Veranstaltungen nur organisieren, weil wir das Geld brauchen - ohne dass es einen inhaltlichen Mehrwert gibt“, sagt er. „Die Zahl an Mitgliedern und aktiven Ehrenamtlichen, die eine Jugendorganisation zu politischem Engagement motiviert, halten wir deshalb für ein wichtiges Kriterium.“

Gescheiterter Kompromiss ein "Weckruf"

Dem widerspricht die Grüne-Delegierte Arnold. „Eine Verteilung anhand der Mitgliederzahl zu fordern, wenn das Höchstalter bei JU und Jusos bei 35-, und bei GJ bei 28 Jahren liegt, zeigt ein fragwürdiges Gerechtigkeitsverständnis.“ Christ erklärt, man könnte dies vereinheitlichen, indem etwa nur Mitglieder bis 28 Jahre gezählt würden.

Wintergerst hofft bis zur Kommunalwahl auf eine Einigung, die er moderieren wolle. Erzwungen werden kann die aber nicht. „Ich bin zuversichtlich, dass auch die Jusos und die JU Bereitschaft zur Beilegung der Differenzen zeigen“, erklärt der Geschäftsführer und „appelliert an die Jugendparteien, eine für alle zufriedenstellende Lösung zu finden“.

Die arbeiten daran - erneut. „Wir diskutieren über Detailfragen“, erklärt Christ, weshalb er an eine Einigung glaube. Der gescheiterte Kompromiss sei ein „Weckruf“ gewesen, hofft auch Zourmand. Weiß ist „zuversichtlich, den mühsamen Prozess voranzutreiben“. Auch Pasdzierny nehme derzeit eine „neue Gesprächsbereitschaft von Seiten der Jusos“ wahr, erklärt er. „Wenn die Jusos einen einigermaßen fairen Vorschlag formulieren, würde es relativ schnell eine Einigung geben.“ Man müsse abwarten, wie sich die Situation entwickelt, teilt dagegen Petrov eher verhalten mit.

Wie eine Lösung aussieht, ist noch offen. Bis zur Kommunalwahl sind es noch etwa acht Monate. Es soll ja aber auch Freundschaften geben, die Streit ums Geld überstehen.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke