Mannheim. Mannheims Klimaschutzbemühungen stehen von verschiedener Seite immer wieder in der Kritik. Einer der Vorwürfe lautete häufig: mangelnde Transparenz. Dem begegnet die Stadt inzwischen mit der neuen Internetplattform Climateview. Wir haben sie getestet.
Das soll die Klimaübersicht bringen
Im November 2022 hat der Gemeinderat den Klimaschutzaktionsplan verabschiedet. Er soll der Fahrplan dafür sein, wie die Stadt bis 2030 klimaneutral werden kann - also ihren Ausstoß des klimaschädlichen Gases CO2 um mindestens 80 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert. Aber welche der dort aufgeführten 324 Maßnahmen sind bereits umgesetzt? Welche sind in Arbeit? Und wie viel CO2 lässt sich damit einsparen? Wo also steht Mannheim derzeit auf seinem ehrgeizigen Weg Richtung Klimaneutralität? Diese Fragen soll Climateview beantworten: indem es den Klimaschutzaktionsplan eins zu eins abbildet - und das laut Stadt so transparent und aktuell wie möglich.
So beginnt Mannheims neues Angebot
Wer die Internetseite aufruft, sieht zuerst ein Intro, durch das man sich durchklicken kann. Dieses will den Nutzen der Plattform erklären, kann aber problemlos übersprungen werden (Button rechts oben): Denn es ist zwar grafisch hübsch aufbereitet, inhaltlich aber recht substanzlos. Außerdem werden diejenigen, die sich die Mühe machen, sich durch die Reduktionspfade zu klicken, sicher wissen, worum es geht.
So funktioniert die neue Klimaschutz-Plattform
Deutlich interessanter und konkreter wird es danach. Denn nun wird auf die Kilotonne genau aufgeführt, wie viel CO2 in Mannheim pro Jahr ausgestoßen wird - und wie sich diese Emissionen bis 2030 entwickeln könnten. Die wichtigsten Kennzahlen sind jeweils in einer Kopfzeile über den Bereichen übersichtlich zusammengefasst. Dort erfährt man beispielsweise, dass Mannheim bis 2030 insgesamt 8504 Kilotonnen CO2 einsparen könnte, wenn alle Maßnahmen aus dem Klimaschutzaktionsplan umgesetzt würden. Und dass die Stadt ihr selbstgestecktes Klimaziel damit zu 73 Prozent erreichen würde. Der Rest wird als „Zielerreichungslücke“ bezeichnet.
Die „Zielerreichungslücke“ beim Klimaschutz
Die Stadt kann selbst nicht alle ihre Emissionen beeinflussen: Manche Gesetze oder Rahmenbedingungen liegen in der Hand von EU, Bundes- oder Landesregierung. Diese Emissionen, auf die weder die Kommune noch ihre Bürger und Unternehmen Zugriff haben, werden als „Zielerreichungslücke“ bezeichnet. Sie beträgt Climateview zufolge derzeit 27 Prozent. Schon bei der Aufstellung des Klimaschutzaktionsplans wurde davon ausgegangen, dass Mannheim rund ein Drittel des CO2-Ausstoßes nicht beeinflussen kann.
Je tiefer man nun scrollt, desto detaillierter werden die Angaben. So veranschaulicht eine Grafik für alle acht im Klimaschutzaktionsplan definierten Handlungsfelder, wie bedeutend sie sind: Am wichtigsten ist die Energieproduktion. Werden alle 50 dort zusammengefassten Maßnahmen umgesetzt, sind 36 Prozent der zur Zielerreichung notwendigen Reduktion laut Climateview geschafft. An zweiter Stelle kommt das Handlungsfeld Industrie, das zu 19 Prozent zum angestrebten Emissionsrückgang beitragen könnte. Im Vergleich dazu sind die Maßnahmen im Bereich private Haushalte kaum erwähnenswert: Gerade einmal 5 Prozent könnten sie beitragen.
Die Liste der Mannheimer Klimaschutzmaßnahmen
Wer nun noch tiefer scrollt, findet eine Liste mit allen 324 einzelnen Maßnahmen - sortiert in umgesetzte (10), laufende (197), geplante (74) und dauerhafte (43). Bei den Umgesetzten finden sich etwa der Bau einer Wasserkraftanlage, eines Wärmespeichers oder die Bereitstellung eines Solarflächenkatasters. Zu den laufenden Maßnahmen zählen unter anderem die Abfalltrennung in Verwaltungsgebäuden, eine Ausbaustrategie für die Fernwärme sowie Unterstützungen beim Abbau von Heizpilzen. Geplant ist demnach beispielsweise der Aufbau einer Baustoffbörse, die Bepreisung von Pkw-Mobilität sowie die Einführung von Tempo 30.
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Jede einzelne Maßnahme lässt sich anklicken, woraufhin sich ein Fenster mit weiteren Informationen öffnet. So erfährt man, dass der Klimaschutzaktionsplan Tempo 30 „auf allen Straßen im Stadtgebiet, auf denen dies gemäß der Straßenverkehrsordnung möglich ist“ vorsieht. Die Bepreisung der Pkw-Mobilität könnte beispielsweise über die Einführung einer City-Maut erfolgen - allerdings liegen die rechtlichen Rahmenbedingungen momentan nicht vor.
Klingt alles interessant, empfehlenswert ist diese „Abkürzung“ aber nur für diejenigen, die sich mal einen Überblick über die Maßnahmen verschaffen wollen. Wer Näheres zu den klimatischen Folgen wissen will, wählt besser einen anderen Weg.
Die Handlungsfelder beim Klimaschutz in Mannheim
Denn wenn man nicht direkt zu den Maßnahmen geht, sondern auf die einzelnen Handlungsfelder klickt, eröffnet sich eine neue Dimension. Wie in einem Baum lässt es sich nun von den dicken zu immer dünner werdenden Ästen hangeln, sprich: von der Energieproduktion beispielsweise über die Stromerzeugung bis zur Photovoltaik-Offensive und deren neun Einzelmaßnahmen. Der Vorteil: Die mögliche CO2-Einsparung - in diesem Fall 1178 Kilotonnen bis 2030 - wird konkret angezeigt und in den Zusammenhang gesetzt. Demnach können theoretisch zehn Prozent der notwendigen Reduktion durch den PV-Ausbau erreicht werden. Allerdings müsste sich die Ausbaugeschwindigkeit dafür etwa verdreifachen, wie Climateview ebenfalls zeigt.
Daher kommen die Daten für die neue Plattform
Grundlagen sind nach Angaben der Stadtverwaltung die Berechnungen des Wuppertal-Instituts für den Klimaschutzaktionsplan sowie die vom Heidelberger Ifeu-Institut erstellte CO2-Bilanz. Ergänzt worden sind diese durch eigene Berechnungen und Anpassungen der Kommune.
Das ist gut an Climateview
Dass es die Plattform überhaupt gibt, ist ohne Frage ein Gewinn: weil sie einen erheblichen Fortschritt in Sachen Transparenz darstellt. Grafisch ist alles sauber und übersichtlich dargestellt. Die begleitenden Texte sind - trotz des komplexen Themas - fast immer verständlich und in der Länge angemessen. So bietet die Plattform eine gute Übersicht über den Stand der Umsetzung des Klimaschutzaktionsplans.
Das ist nicht so gut an Climateview
Auf die Idee, der Plattform eine einigermaßen einprägsame Adresszeile zu verpassen, ist leider niemand gekommen. Darum müssen Interessierte sich den Link entweder speichern oder umständlich immer wieder neu durch die städtische Homepage navigieren. Auch wer hofft, Daten zum CO2-Ausstoß der Stadt mehr oder weniger in Echtzeit zu bekommen, wird enttäuscht - weil die Berechnungen meist erst nach eineinhalb Jahren vorliegen.
Viele Klimaschützer werden zudem Angaben vermissen, wie hoch Mannheims Restbudget noch ist, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten. Der Grund dafür dürfte aber klar sein: Die Aufteilung ist zwischen den Staaten höchst umstritten.
Die Beschreibung etlicher Maßnahmen klingt noch nebulös und geht über Allgemeinplätze teils kaum hinaus. Aber das ist kein Problem der Plattform, sondern des Aktionsplans - bei dem es zu bedenken gilt, dass längst noch nicht alle Maßnahmen konkret ausgearbeitet sind und jede einzeln vom Gemeinderat beschlossen werden muss.
Das wirkt komisch an Mannheims neuer Klimaschutz-Plattform
Climateview soll stets den aktuellen Stand der Umsetzung des Klimaschutzaktionsplans widerspiegeln - so lautet das Versprechen. Angesichts dessen bleibt unklar, warum bei den erhobenen CO2-Emissionen mit den Zahlen von 2020 gearbeitet wird - obwohl die 2021er Zahlen seit Oktober vorliegen.
Auch wirkt die Annahme, dass sich der Treibhausgasausstoß bis 2030 überhaupt nicht verändern wird, wenn keine Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden, nicht besonders realistisch. Andererseits kommt es auf dieses Detail auch nicht an. Es verdeutlicht jedoch ein Problem, das sich an anderen Stellen wiederfindet: Einige Grafiken und Schaubilder erscheinen noch eher holzschnittartig statt realistisch - und wecken dadurch bei kritischen Geistern Zweifel. Allerdings: Hier wird ein Blick in die Zukunft gewagt - und die steht eben noch nicht fest. Wem will man das vorwerfen?
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[3] https://app.climateview.global/v4/public/board/dfd4f1a0-02f6-4f93-97bd-1f5b68e186b4
[4] https://www.mannheim.de/de/service-bieten/mannheim-auf-klimakurs/klimaschutzmonitoring