Prozess

Mannheimer Straßenreiniger mit SS-Runen-Tattoo: Fall beschäftigt Arbeitsgericht

Die Stadt Mannheim stellt ihn ein: Als der Vertrag unbefristet verlängert werden soll, prüft eine Sachbearbeiterin die Personalakte und sieht das Tattoo auf einem Foto. OB Peter Kurz hat Strafanzeige gestellt

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Der Fall eines Straßenreinigers landet vor Gericht: Er scheitert mit der Klage auf eine unbefristete Anstellung im Dienst der Stadt Mannheim. © Peter Steffen/dpa

Mannheim. Das unter dem Augenlid platzierte Tattoo könnte als Rose interpretiert werden. Jedenfalls erinnert nichts mehr an den ursprünglichen Schriftzug „Hass“, bei dem das Doppel-S als Runen in die Haut gestochen worden war. Dieses verbotene Nazi- Symbol steht bei einem arbeitsgerichtlichen Prozess im Mittelpunkt. Ein Straßenreiniger scheitert mit der Klage auf eine unbefristete Anstellung im Dienst der Stadt Mannheim.

Bei dem Kammertermin erörtert der Vorsitzende Richter Holger Willer mit den Parteien den Sachverhalt. Dabei ergibt sich folgende Vorgeschichte: Der heute 32-Jährige hat bei seiner Job-Bewerbung ein Foto gewählt, bei dem das Runen-Tattoo unter einer großen Brille mit Rand nicht sichtbar ist. Und beim Einstellungsgespräch während der Corona-Pandemie verschwand das Gesicht ohnehin weitgehend unter einer Mund-Nasen-Maske. Der Mann bekam einen auf sechs Monate befristeten Vertrag als Straßenreiniger. Zu dem von ihm ausgefüllten Personalbogen sollte er ein weiteres Foto nachreichen. Bei diesem fehlt die Brille - so dass die mit dem Hass-Schriftzug verwobenen Runen erkennbar sind. Allerdings scheint das Mini-Porträt niemand so richtig angeschaut zu haben.

Unbestritten ist, dass der Mann mit den vorwiegend düsteren Tattoos von der Kopfhaut bis zu den Füßen bei der Straßenreinigung gute Arbeit leistete. Außerdem scheint sich kein Kollege an der bildträchtigen Nadelkunst gestört zu haben. Jedenfalls signalisierte der Fachbereich Stadtreinigung nach fünfeinhalb Monaten dem Personalamt, der Vertrag könne „entfristetet“ werden.

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Zeichen überdecken lassen

Als die zuständige Sachbearbeiterin die Akte prüfte, fiel ihr Blick auf das Foto und die darauf prangenden Runen. Der Straßenreiniger wurde für die beiden noch verbleibenden Wochen freigestellt. Im Prozess trägt der 32-Jährige vor, keine Ahnung gehabt zu haben, dass die an Blitze erinnernden Symbole verboten sind. „Ich habe nichts mit Rechtsextremismus zu tun - dies kann jeder aus meinem Umfeld bestätigen“, erklärt er und fügt an, sich „verarscht“ zu fühlen. Schließlich habe sich monatelang niemand für das Tattoo interessiert. Außerdem habe er die Runen sofort entfernen beziehungsweise übertätowieren lassen, als ihm deren Brisanz klarwurde.

Der Anwalt führt aus, dass der direkte Team-Vorgesetzte seinem Mandanten die Übernahme in eine unbefristete Anstellung zugesichert habe. „Eine solche Zusage kann nur jemand geben, der auch befugt ist, Personal einzustellen“, gibt der Kammervorsitzende zu bedenken. Außerdem betont Willer, dass das Zeichen nicht von ungefähr verboten ist: „Sig-Runen stehen ganz eindeutig neben dem Hakenkreuz als Symbolik für Nationalsozialismus.“ Und deshalb sei eine „Opferhaltung“ nicht angebracht, wendet sich der Arbeitsrichter an den Mann, der moniert, die Stadt habe ihm trotz guter Arbeit „keine Chance“ gegeben.

Die Kammer weist die Klage mit dem Tenor ab, dass im juristischen Sinn keine Zusage für einen unbefristeten Vertrag vorgelegen hat. Das Tattoo könnte ein Nachspiel haben.

Wie in der Verhandlung zur Sprache gekommen ist, hat Oberbürgermeister Peter Kurz als oberster Dienstherr bereits vor einem halben Jahr Strafanzeige gestellt - als Signal, dass im öffentlichen Dienst keine rechtsradikalen Botschaften geduldet werden.

Freie Autorin

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