Mannheim. Wie gerne wäre sie noch dabei gewesen, wenn die Reiss-Engelhorn-Museen das neue Museum Peter und Traudl Engelhorn-Haus in C 4, 12 eröffnen. Traudl Engelhorn-Vecchiato hat diesen Neubau am Toulonplatz, der in der Endphase ist, mit einer Spende von 10,5 Millionen Euro ermöglicht, damit hier die von ihr so geliebte Glaskunst sowie Fotokunst besser präsentiert werden können. Doch nun ist die 95-jährige, in Wien geborene, zuletzt am Genfer See lebende und mit Mannheim sehr eng verbundene Mäzenin gestorben. Sie sei, heißt es von der Familie, „mit einem Seufzer entschlafen“.
Noch bei der Grundsteinlegung für den neuen Museumsbau im Sommer 2019 griff die damals immerhin auch schon 92-jährige Dame trotz großer Hitze beherzt, ja kraftvoll und gut gelaunt zum Spaten und rezitierte Goethe-Verse. Dabei spürte man weder ihr hohes Alter noch die Tatsache, dass da eine der reichsten Frauen der Schweiz vor einem stand. Vielmehr wirke sie stets zurückhaltend-bescheiden und freundlich, herzlich, immer mit ein bisschen Wiener Schmäh, umweht von Maiglöckchenduft und gekleidet in ein Kleid in buntem Blumenmuster.
Sammlerin von Glaskunst
Bis vor drei Wochen soll sie noch Konzerte besucht, das Leben genossen haben – bis dann das Alter doch seinen Tribut forderte. Zuvor ignorierte sie altersbedingte Schmerzen in den Beinen, auch wenn sie sich nur noch „hatschend“, wie man in Österreich umgangssprachlich sagt, bewegen konnte und den geliebten Golfsport aufgeben musste. Das Interesse an Sport blieb aber – zumindest wenn Tennis oder Fußball im Fernsehen liefen, soll sie gebannt vor dem Bildschirm gesessen haben.
Zunächst Verlagsbuchhändlerin und Lektorin, hatte die Österreicherin Traudl Vecciato 1955 in der Evangelischen Pfarrkirche in der Wiener Dorotheengasse Peter Engelhorn geheiratet. Ihr 1991 gestorbener Mann war ein Urenkel des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn und ein wichtiger Gesellschafter des Pharma-Unternehmens Boehringer Mannheim sowie langjähriger Aufsichtsratsvorsitzender. So profitierte sie vom Verkauf der Anteile an Roche 1997, erzielte Einnahmen von mehreren Milliarden Euro und landete lange auf der „Forbes“-Liste der reichsten Menschen der Welt, zuletzt auf dem Platz 687.
Das Ehepaar hatte seit den 1970er Jahren jahrzehntelang mit ausgeprägter Leidenschaft und hohem Sachverstand eine der bedeutendsten Sammlungen moderner Glaskunst in Europa mit über 500 Werken von über 300 Kunstschaffenden zusammengetragen. Sie wird im Museum für Design und angewandte zeitgenössische Kunst (MUDAC) in Lausanne – das, auch von Traudl Engelhorn unterstützt, einen Erweiterungsbau erhielt – und künftig ebenso in Mannheim gezeigt.
2013 hatte Traudl Engelhorn in Gedenken an ihren verstorbenen Ehemann – einst Mitbegründer des Fördererkreises des Museums – die Brombeeren-Stiftung ins Leben gerufen und mit einem Kapital von 20 Millionen Euro ausgestattet. Sie ist eine von drei Stiftungen, welche die Reiss-Engelhorn-Museen maßgeblich tragen, ermöglichte unter anderem die höchst erfolgreiche Ägypten-Sonderschau und mehrere andere Projekte. Als sie etwa mal entdeckte, dass ein edles Kaffee- und Teeservice aus Frankenthaler Porzellan, das nachweislich Kurfürst Carl Theodor benutzt hat, im Kunsthandel auftauchte, erwarb sie es spontan für das Museum. Den Neubau spendete sie zusätzlich.
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Aber nicht nur dem Museum galt ihre Liebe. Besonders eng war Traudl Engelhorn zudem der Christuskirche verbunden. Hier erlebten ihre vier in Mannheim geborenen Töchter Taufe, Konfirmation und Hochzeit, als die Familie in der Villa in der Werderstraße lebte und im langjährigen Pfarrer Fritz Lang einen engen Freund fand. Traudl Engelhorn war deshalb die erste Zustifterin der vom Ehepaar Renate und Karl Schneider initiierten Stiftung Christuskirche – Kirche Christi. Mit einer Großspende von 400 000 Euro legte sie den Grundstein für die – doppelt so teure – Rettung der Steinmeyer-Orgel. Zudem ermöglichte sie die Beleuchtung der Kirchenkuppel mit dem goldenen Erzengel Michael, die Finanzierung einer Vikarstelle und zeigt sich auch sonst immer mal wieder großzügig. Sie wisse eben, „dass wir Erfolg und Glück nicht allein eigener Leistung, sondern auch der Gnade Gottes verdanken“, würdigte die Gemeinde zu ihrem 90. Geburtstag ihr Engagement.
Sportzentrum gefördert
Doch nicht allein die Kirche der Oststadt bedachte sie regelmäßig. Das moderne Sportzentrum des TSV 1846 am Fernmeldeturm wäre ohne die Mäzenin ein Traum geblieben. Auch den von ihrem Mann gegründeten Verein PE-Förderungen für Studierende der Musik, der hochbegabte junge Musiker individuell fördert, finanzierte sie weiter großzügig und bedauerte es, im Juni beim Jubiläumskonzert des Vereins anlässlich des 30-jährigen Bestehens nicht dabei sein zu können. Weitere philanthropische Aktivitäten erstreckten sich weit über Mannheim hinaus, etwa die Peter und Traudl Engelhorn Stiftung, die wissenschaftlichen Nachwuchs in Biotechnologie und Gentechnik sowie Forschungsvorhaben in Biowissenschaft, Biotechnologie und Gentechnik unterstützt sowie Forschungspreise vergibt. Die in verschiedenen Ländern ansässigen Familienmitglieder haben im engsten Kreis von der Mäzenin Abschied genommen. In Mannheim soll es einen Gedenkgottesdienst geben – aber der Termin ist offen.
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