Jahreswechsel in der Pandemie - Feuerwehr und Polizei erleben vergleichsweise ruhigen Jahreswechsel / Rettungswagen und Notärzte ständig unterwegs

Mannheimer Retter, Feuerwehr und Polizei ziehen Silvester-Bilanz

Von 
Peter W. Ragge
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Mannheim. Bei den Blicken untereinander sieht man mit der Zeit immer mehr Überraschung, angenehme Überraschung. Soll es das wirklich gewesen sein? Aus der anfänglichen Anspannung, die in der Integrierten Leitstelle zum Jahresende stets zu spüren ist, wird beim Wechsel von 2021 auf 2022 sehr schnell Erleichterung. Die Feuerwehr erlebt die ruhigste Silvesternacht seit Jahrzehnten, und die Polizei, die in der Innenstadt massiv präsent ist, meldet wenig Ärger.

„Schwer einzuschätzen“ sei diese besondere Nacht, sagen zunächst Jens Tischer vom Führungsdienst der Berufsfeuerwehr und Christoph Scherer, der Geschäftsführer der Integrierten Leitstelle, übereinstimmend. Keiner wisse, wie sich das Verkaufsverbot für Feuerwerk und die Kontaktbeschränkungen wegen der Corona-Pandemie auswirken. „Man kann nur hoffen, dass wenig los ist“, so Scherer, „aber das Wetter ist heute mild, und manche Leute haben halt das Bedürfnis auf Party“.

In der Leitstelle, die Feuerwehr und Rettungsdienst steuert, nehmen statt, wie sonst nachts, drei Disponenten nun sechs Kollegen Anrufe entgegen. Bei der Feuerwehr stehen zwei Einsatzleiter parat, und über 40 Mitglieder der Abteilungen Innenstadt, Nord, Neckarau und Wallstadt der Freiwilligen Feuerwehr sitzen in ihren Gerätehäusern, um sofort ausrücken zu können.

Zwei mal sind sie vor Mitternacht unterwegs - weil eine Brandmeldeanlage auslöst und auf Bitten der Polizei die Alarmanlage eines Supermarkts auszuschalten ist. Um Mitternacht stoßen die Disponenten mit alkoholfreiem Sekt an, man wünscht sich per Fauststoß ein gutes neues Jahr. Doch schon wird es laut, viel lauter als erwartet. Zwar ist die Neckarauer Straße vor der Hauptfeuerwache menschenleer, aber man hört, dass Kracher knallen und Raketen in den Himmel zischen. Es jault, pfeift, donnert, kracht, im Himmel über Neckarau wie auch über der Innenstadt sieht man Feuerwerk - trotz Verkaufsverbot.

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Doch viel Feuerwerk

„Da wird ja doch einiges geböllert“, wundert sich Mario König vom Direktionsdienst der Berufsfeuerwehr. „Da werden sich einige Leute im Ausland eingedeckt haben“, vermutet Karl F. Mayer, Vorsitzender des Stadtfeuerwehrverbandes, der stets in der Silvesternacht die Einsatzkräfte besucht.

Das neue Jahr ist erst drei Minuten alt, als der erste Notruf eingeht - er gilt aber dem Rettungsdienst. Und dann hört es nicht mehr auf. Infarktverdacht, Augenverletzung, Atemnot, Krampfanfall, Brustschmerz, Augenverletzung, Bewusstlosigkeit lauten die Stichworte für die Einsatzkräfte. Ab 0.30 Uhr sind alle drei Notärzte unterwegs, während die roten Einsatzfahrzeuge komplett in den Hallen stehen - sehr ungewöhnlich für eine Silvesternacht. Plötzlich kommt doch ein Pkw-Brand in der Max-Joseph-Straße, dann geht um 0.46 Uhr die Brandmeldeanlage der MVV in der Neckarvorlandstraße los, gleich darauf schlägt eine weitere Anlage in Käfertal an - beides blinder Alarm. Aber das ist es dann auch schon für die Feuerwehr.

„Das war schon extrem ruhig,“ so Mario König. „Sonst war immer sehr viel mehr los“, so König, der seit über 40 Jahren bei der Feuerwehr ist. In den vergangenen Jahren kam es in den ersten Stunden des Jahres meist zu über einem Dutzend Bränden. Positiv ausgewirkt habe sich aber der Regen der vergangenen Tage - so fielen schon mal Brände von Wiesen, Gebüsch oder Flachdächern, die sonst für viele Einsätze sorgen, weg, erklärt Jens Tischer. „Es ist gut feucht draußen“, meint auch Mario König.

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Sieht man von dem Pkw-Brand ab, gelten alle 49 Notrufe der ersten eineinhalb Stunden des neuen Jahres dem Rettungsdienst. Andreas Pitz, Koordinator des Rettungsdienstes der Stadt Mannheim, ist daher froh, dass die Zahl der Rettungswagen in der Silvesternacht um drei auf elf aufgestockt worden ist - was sich bewährt. „Es war auch so hart an der Kante“, so die Bilanz von Pitz.

Zeitweise rollen bis zu neun Rettungswagen gleichzeitig. Da sind dann nur noch zwei in Friedrichsfeld stationierte Fahrzeuge frei, weshalb einer dieser Rettungswagen zum Wasserturm beordert wird, um im Ernstfall eine kürzere Anfahrt zu haben. Kaum trifft er ein, muss er schon los. Auch die Rettungswachen der Umgebung melden „ausverkauft“. Pitz findet daher gut, dass durch das Böller-Verkaufsverbot nicht auch noch viele weitere Notfälle durch Feuerwerkskörper dazu gekommen sind.

Krankenhäuser erleichtert

Das lobt ebenso Dieter Schilling, Ärztliche Direktor am Diakonissenkrankenhaus und am Theresienkrankenhaus. „Es ist ganz, ganz wichtig, dass das Personal der Notaufnahme und der Stationen mal zur Ruhe kommt und in der schwierigen Zeit nicht noch mehr belastet wird“, so Schilling. Man habe in beiden Häusern in der Silvesternacht „kaum mehr als sonst“ an Wochenenden zu tun gehabt, ist er zufrieden, und die neue Omikron-Variante des Coronavirus sei in den Kliniken auch noch nicht angekommen. „Insofern war nur internistisch ein bisschen was los“, so Schilling.

„Kein Patient wegen Feuerwerk, ganz wenige Streitigkeiten, alles ganz harmlos“, meldet auch Tobias Schupp als zuständiger Arzt der Notaufnahme des Universitätsklinikums. „Silvester war für uns deutlich entspannter als sonst - aber das haben wir auch gebraucht“, so Schupp.

„Sehr zufrieden“ äußert sich auch Polizeipräsident Siegfried Kollmar. Zwar sind die Beamten in großer Zahl präsent, auf dem Alten Meßplatz, in den Quadraten und rund um den Wasserturm. Allein da steht zeitweise eine Hundertschaft. Große Schilder weisen auf das Alkohol- und Feuerwerksverbot hin, immer wieder machen die Polizisten Lautsprecherdurchsagen und speziell geschulte Kommunikationsteams sprechen geduldig die Leute an, die keine Abstände einhalten. Immerhin rund 400 Personen zählt die Polizei am Friedrichsplatz.

Der „Großteil der Bevölkerung“ habe aber Verständnis für die Corona-Regelungen, so Kollmar. Nur vereinzelt habe man gegen Störer einschreiten müssen, gegen einzelne Personengruppen Platzverweise ausgesprochen. Am Wasserturm ertappen die Beamten einen 23-Jährigen, der mit einer Schreckschusspistole in die Luft ballert. Als sie ihn kontrollieren, merken die Beamten, dass gegen ihn ein Haftbefehl besteht, da er eine Geldstrafe nicht beglichen hat. Nur weil er spontan zahlt, muss er doch nicht in Haft.

Redaktion Chefreporter

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