Mannheim. Prosit Neujahr! Den traditionellen Trinkspruch haben sich in der Silvesternacht 2021/22 wieder nur wenige Menschen direkt wünschen können. Feiern gar nicht oder nur in ganz kleinen Gruppen, keine großen Partys und kein Tanz, Verkaufsverbot für Böller und Alkoholverbot an beliebten Plätzen der Innenstädte – zum zweiten Mal hat die Corona-Pandemie einen Jahreswechsel geprägt und für viele Einschränkungen gesorgt.
Viele, sehr viele Menschen haben sich daran gehalten – zum Glück. Zwar besorgten sich doch überraschend viele Leute offenbar Feuerwerkskörper aus dem Ausland, denn es waren mehr Raketen zu sehen, als das nach den strikten Regeln zu erwarten war. An ein paar neuralgischen Punkten, etwa in Mannheim am Wasserturm, konnte die Polizei nur mit einer Mischung aus Kommunikation mit Engelsgeduld und unmissverständlich-massiver Präsenz größere Menschenansammlungen verhindern.
Aber im Großen und Ganzen ist dieser Jahreswechsel in Mannheim und der Region so gelaufen, wie es angesichts der immer noch sehr stark grassierenden schweren Krankheit möglich und sinnvoll war. Schließlich stehen nicht nur Ärzte und Pflegepersonal, sondern ebenso Angehörige von Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz nun schon fast zwei Jahre unter einer ganz enormen Anspannung. Ihnen in der Silvesternacht noch mehr Arbeit, noch mehr Ärger zu bescheren, wäre wirklich nicht verantwortbar gewesen.
Aber so richtig es war, dass der Spruch „Prosit Neujahr!“ nun wieder nur im ganz kleinen Kreis fallen durfte – langfristig kann dieser derzeit ohne Zweifel erforderliche Rückzug ins Private auch gefährliche Folgen haben.
Jetzt stand zu Silvester unverändert etwa die Freiwillige Feuerwehr in großer Stärke parat. Aber bleiben die Mannschaften langfristig bei der Stange, wenn Übungen kaum und Kameradschaftspflege gar nicht mehr möglich sind, sie nur noch im Ernstfall funktionieren müssen? Was bedeutet es generell für die Gesellschaft und ihren Zusammenhalt, wenn sich einige Menschen über einen immer längeren Zeitraum daran gewöhnen, das Wohnzimmer kaum noch zu verlassen? Überleben Freundschaften, Vereine, Initiativen, Kultureinrichtungen und kleine Gaststätten in den Vororten, obwohl es sich derzeit viele Leute viel öfter als früher nur auf ihrem Sofa bequem machen? Das Jahr drei der Pandemie, das 2022 anbricht, wird Antworten geben – aber hoffentlich so, dass wir Anfang 2023 wieder in größerem Kreis erfreut „Prosit Neujahr“ sagen können.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Silvester - Rückzug ins Private hat Folgen
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