Schulleiterwechsel

Mannheimer Realschul-Leiter Köhler begreift Konkurrenz als Chance

An der Feudenheim-Realschule hat er mit der Aufnahme geistig behinderter Kinder Pionierarbeit geleistet: Stefan Köhler. Er berichtet von einer "Riesen-Herausforderung". Und davon, wie sie ihn persönlich weitergebracht hat.

Von 
Bertram Bähr
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Stefan Köhler ist der dienstälteste unter den Schulleitern, die in Pension gehen. Herausforderungen hat er immer auch als Chance begriffen. © Feudenheim-Realschule

Mannheim. Nach landläufiger Meinung lernen Schülerinnen und Schüler von ihren Lehrern. Aber es geht auch umgekehrt, weiß Mathe- und Sportlehrer Stefan Köhler. Seit 1999 ist der 64-Jährige Chef der Feudenheim-Realschule - und damit der dienstälteste unter den Schulleitern Mannheims, die in wenigen Tagen in den Ruhestand gehen. Aber dazulernen kann auch er immer wieder - wie zum Beispiel im Jahr 2014.

Damals begrüßte die Feudenheim-Realschule sechs Kinder mit einer geistigen Behinderung. Fortan nahmen die Räuber, wie sie sich nannten, teilweise gemeinsam am Unterricht mit den Leoparden, den 22 anderen Schülerinnen und Schülern der fünften Klasse, teil. Die Realschule leistete damit auf dem Gebiet der Inklusion für ihre Schulart Pionierarbeit in Mannheim.

Durch Begegnung viel dazugelernt

Er habe eine gewisse Befangenheit gehabt, auf geistig behinderte Kinder zuzugehen, gibt Stefan Köhler im Gespräch mit dem „MM“ offen zu. Aber durch die Begegnung mit ihnen in der Schule habe er dazugelernt. „Viel natürlicher, viel empathischer“ sei er dadurch geworden: „Ich habe mit ihnen über Fußball gesprochen. Und plötzlich gemerkt, dass es gar keine Probleme gibt. Das war auf emotionaler Ebene wahnsinnig wertvoll für mich.“

Feudenheim-Realschule

  • Die Feudenheim-Realschule ist 56 Jahre alt und hat etwas mehr als 400 Schülerinnen und Schüler.
  • Sie ist in der Neckarstraße 4, im gleichen Gebäude wie das Feudenheim-Gymnasium.
  • Stefan Köhler leitet die Realschule seit 1999 offiziell und in den 18 Monaten zuvor bereits kommissarisch.
  • Der Mathematik- und Sportlehrer war erfolgreicher Ringer. Neben seiner Rektoren-Tätigkeit war er Leiter des Sportberaterteams am Staatlichen Schulamt Mannheim

Dennoch: Für eine Schule, die schon im „Normalbetrieb“ alle Register ziehen muss, um erfolgreich arbeiten zu können, sei Inklusion eine „Riesen-Herausforderung“, so Köhler. Eine, der man sich sehr gerne stelle. Aber dass das gemeinsame Lernen von behinderten und nicht behinderten Schülerinnen und Schülern noch immer auf Grund-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen beschränkt ist, findet er nicht optimal. Nach den Sommerferien nehmen geistig behinderte Kinder auch am Unterricht im Moll-Gymnasium teil. Es ist damit Vorreiter in Mannheim. Köhler findet das gut. Aber er hätte sich gefreut, wenn sich Gymnasien schon viel früher eingebracht hätten.

Auch von der Einführung der Gemeinschaftsschulen (GMS) vor rund neun Jahren seien Gymnasien nur sehr wenig tangiert, nennt der 64-Jährige ein weiteres Feld, auf dem es Realschulen schwerer hätten. Die GMS, in denen Schülerinnen und Schüler in jedem Fach auf ihrem speziellen Leistungsniveau lernen, seien vor allem für Werkreal- und Realschulen eine Konkurrenz, weniger für Gymnasien. Köhler begreift diese Konkurrenz indes als Chance. Jede Schulform habe ihre Vor- und Nachteile. Deshalb könne die Real- auch von der Gemeinschaftsschule lernen. Was sie besser machen könnte - oder auch, was sie beibehalten sollte.

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Die „individuellen Förderkonzepte“ der GMS, so Köhler, „sind auch für uns interessant“. Dass die GMS in den ersten drei Jahren keine Ziffernnoten geben, sei dagegen für die Realschulen „nie ein Thema“ gewesen. Denn gerade in der achten Klasse, in der es auf die Prüfungen zugehe, komme dann dieser Bruch. Das könne für Schülerinnen und Schüler problematisch sein.

Erfolgserlebnisse beim Schulsport

Auf einem Gebiet gebe es für Gymnasien und Realschulen ähnliche Herausforderungen, meint Köhler. Der Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung 2012 habe dazu geführt, dass leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler, die oft auf Wunsch ihrer Eltern „höher“ einsteigen, viele Misserfolge in Kauf nehmen müssten. „Das ist für die Kinder nicht gut“, sagt der Rektor. Daneben gibt es die, die es auf dem Gymnasium nicht packen und den Wechsel auf die Realschule als „Abstieg“ empfinden: „Das schafft gehöriges Frustrationspotenzial.“

Erfolgserlebnisse verzeichnet Stefan Köhler dagegen auf einem anderen Gebiet, dem Schulsport. Neben seiner Rektorentätigkeit war er 20 Jahre lang auch Leiter des Sportberaterteams am Staatlichen Schulamt. Diese Gruppe brachte vieles in Gang: Kooperationen zwischen Schulen und Vereinen; Fortbildungen für Lehrkräfte und Schüler, die als Mentoren tätig wurden; Sportfeste im Herzogenriedpark; das Konzept der „bewegten Grundschule“ - um nur einige zu nennen.

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Schere geht auseinander

Trotz aller Bemühungen gehe aber „die Schere immer weiter auseinander“: begeisterte Sportler, die in mehreren Vereinen aktiv sind, auf der einen Seite - Kinder mit riesigen Bewegungsdefiziten auf der anderen Seite. Auch wenn ausgebildete Sportlehrerinnen oder -lehrer oft Mangelware seien, arbeiteten die meisten Grundschulen engagiert und begeistert daran, dass sich das ändert. Aber Schule könne eben nicht alles auffangen, was in Elternhäusern und im privaten Umfeld versäumt werde.

Stefan Köhler selbst war immer begeisterter Sportler - und in jüngeren Jahren erfolgreicher Ringer. Trotz des stressigen Berufs habe er sich immer ausreichend Zeit für Bewegung genommen, „das war mir wichtig“. Jetzt gibt es dazu noch mehr Gelegenheit. Seine bisherige Tätigkeit wird ihn aber wohl auch weiter begleiten: „An der Pädagogischen Hochschule steht ein Lehrauftrag im Sportbereich im Raum“, verrät er. Seinen Beruf hat der 64-Jährige immer geliebt - und das offenbar auch innerfamiliär weitervermittelt: Sohn und beide Töchter werden oder sind ebenfalls Lehrkräfte.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

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