Innenstadt, kurz nach 8 Uhr. Die 20-jährige Olivia hat gleich nach Wahllokal-Öffnung im Elisabeth-Gymnasium gewählt. „Ich arbeite im Klinikum und muss gleich los“, sagt sie. Den Wahlkampf vor der Neuwahl habe sie eher wenig mitbekommen. Aber erinnert sich, „dass es um die Plakate ging.“ Die fand sie allerdings „nicht wirklich einfallsreich“.
Vom neuen OB erwartet sie, „nicht so ein Spießer zu sein“. Er solle sich zudem für die Bürgerinnen und Bürger einsetzen, „gegen Rechts sein“ und sich besonders für die Armen einsetzen. „Und ja, bei den Arbeitsbedingungen im Klinikum kann man sicher auch etwas tun.“ Der OB sei ja schließlich Chef des Aufsichtsrates, sagt sie.
Ich gehe nachts Flaschensammeln, damit es mir überhaupt reicht und ich über die Runden komme.
Auch der 51-jährige Hans, der seinen Nachnamen nicht in den Medien lesen möchte, ist schon morgens wählen. „Ich bin die Früh gewohnt. Ich stehe normal werktags zwischen drei und vier Uhr auf. Ich muss zur Arbeit mach Biebesheim fahren“, sagt er. Was erhofft er sich vom neuen OB? „Das man mehr Lohn bekommt“, sagt Hans sofort und kurz angebunden. „Ich gehe nachts Flaschensammeln, damit es mir überhaupt reicht und ich über die Runden komme“, sagt er und macht eine lange Pause.
Und wie fand er den Wahlkampf? „Davon habe ich nichts mitbekommen“, sagt er. Als er gehen will, dreht er sich um und sagt: „Dass immer weniger wählen gehen, ist mittlerweile ja leider ,normal’. Und viele waren ja mit dem aktuellen OB auch gar nicht zufrieden.“
Wählerinnen und Wähler trudeln ein
Auffällig an diesem Tag: Viele Jugendliche kommen zu zweit oder in Gruppen. Zudem kommen viele Paare. Viele haben auch Kinderwagen dabei, eine Menge Leute sind mit dem Rad da. Mehr als eine Stunde hat das Wahllokal in der Innenstadt jetzt schon auf.
Auf Nachfrage nach der Anzahl der Wähler, die bisher die Stimme abgegeben haben, sagt Wahlhelfer Paul: „Es tröpfelt, die Leute kommen so nach und nach zum Wählen.“ Der 23-Jährige hilft seit 2016 bei Wahlen mit. Warum er das macht? „Um die Demokratie zu unterstützen!“ Er findet, die kleinen Parteien und die Parteilosen waren im OB-Wahlkampf allerdings diesmal „unterrepräsentiert“ . „Es gab keine Plakate und so weiter. Wenn man sich nicht aktiv informiert hat, hat man fast nichts über sie erfahren“, so Paul.
Einfach nur eine Fußgängerzone, wo man nicht immer Angst haben muss, dass das Kind vor die Bahn oder vors Auto läuft. In Heidelberg geht das ja auch.
Karina Burgmann kommt mit Hündin Smilla zum Wahllokal gelaufen. Ihr Wunsch für an den neuen OB: „Dass man sich mal ein großes, wichtiges Ziel unter den Wahlversprechen raussucht und das dann wirklich umsetzt. Aber dann wirklich richtig.“ Man könne nicht alle Versprechen zu 100 Prozent einhalten, das sei klar. Genau deshalb solle der neue OB Prioritäten setzen. Welche wäre ihr am wichtigsten? „Eine autofreie Innenstadt. Und eine Innenstadt sogar ohne Bahnverkehr mittendurch. Einfach nur eine Fußgängerzone, wo man nicht immer Angst haben muss, dass das Kind vor die Bahn oder vors Auto läuft. In Heidelberg geht das ja auch.“
Diese OB-Wahl ist Gwendolyns erste. Ist ihr die Entscheidung beim zweiten Wahlgang leicht gefallen? „Ja!“, sagt sie sofort und lacht. Was will sie? „Mehr Einsatz für Vielfalt, Klima und Umweltschutz.“ Viele fänden eine OB-Wahl vielleicht nicht so wichtig, sagt sie. „Die denken, dass es sie nicht betrifft, denken sich: Bundestag ist wichtiger.“
Ärger über fehlende Parkplätze
Auf die Frage nach seiner Entscheidung sagt indes Angelo aus Mannheim: „Seit 1973 bin ich in der Stadt. Es ist unter aller Kanone, was hier los ist in der Innenstadt! Nirgendwo kann man mehr parken. Und es ist so teuer, das Auto abzustellen. Und dann diese unsäglichen, nervigen Poser die hier rauf- und runterfahren“, sagt er. „Die Politik hat versagt. Und es ist so dreckig in der Stadt. Gerade auf den Planken. Ich bin Italiener, ich will eine schöne Fußgängerzone! In Spanien, wenn du da deine Kippe wegschmeißt, kostet es gleich 20 Euro. Wenn dein Hund wo hinmacht: 500 Euro! Das wirkt!“ Er wolle einen OB, der diese Probleme in den Griff bekomme.
Der 62-Jährige Serdar Sanu kommt mit der Vespa um die Ecke gefahren. Er weiß genau, wen er gleich wählt, sagt er. Der Koch, der gleich zur Arbeit geht, möchte aber viel mehr noch etwas anderes loswerden – zum Thema geringe Wahlbeteiligung im ersten Wahlgang: „Die Leute, die nicht wählen, haben dann aber auch kein Recht zu motzen, wenn ihnen die Politik wieder nicht passt!“
Trotz Kreislaufproblemen gekommen
Und bleiben bei dem heißen Wetter eventuell mehr Menschen den Urnen fern? Was meint der Wahlleiter am Elisabeth-Gymnasium, Hans-Martin Fabritz? Er sagt zur Wahlbeteiligung: „Eigentlich ist bisher alles genau so wie beim ersten Wahlgang. Ich habe nicht den Eindruck, dass sie höher ist, aber auch nicht, dass sie niedriger ist.“
Es ist Mittag geworden. Die Sonne knallt vom Himmel. Am Wahllokal in der Wohlgelegenschule sagt die 85-jährige Margareta Moritz: „Ich bin mit meiner Wahlentscheidung gleich geblieben. Heute bin ich hergekommen, obwohl ich schlecht zu Fuß bin.“ Sie kann über die niedrige Wahlbeteiligung beim ersten Wahlgang nur den Kopf schütteln. „Wenn sie heute zuhause bleiben wegen der Hitze ist das was anderes. Aber schauen Sie mich an. Ich habe Kreislaufprobleme bekommen und bin trotzdem hergekommen“, sagt sie und nimmt dankbar eine Flasche Wasser der Reporterin an.
Frauen mit Kindern politisieren sich
Susanne Popp ist Wahlleiterin in der Wohlgelegenschule. Sie versuche immer Leute zu animieren, sich bei der Wahl zu engagieren, sagt sie. Und natürlich wählen zu gehen. „Ich denke, es ist wichtig, Vorbild zu sein, und auch den jüngeren Menschen zu zeigen: Das Wahlrecht gibt es noch gar nicht so lange. Gerade für die Frauen.“ Sie merke, dass sich jüngere Generationen politisieren. Vor allem Frauen, die jetzt Mütter sind. Aus ihrer Lebensrealität wüssten sie, um was es ginge, sagt Popp, die hauptberuflich Erzieherin ist.
Sie rechnet an diesem Tag damit, dass es zum Nachmittag hin weniger Leute werden, die ihre Stimme abgeben. „Das hatten wir schon beim letzten Mal, als es nicht so heiß war, da kamen die Leute früh morgens mit der Schwimmtasche.“
Wunsch nach mehr Ordnung in Parks und Grünflächen
Ein Ehepaar, das seinen Namen nicht in den Medien lesen möchte, wünscht sich indes vom neuen OB mehr „Ordnung“. „Insbesondere auf den Grünflächen und in den Parks“, sagt der ältere Herr und seine Frau zieht ihn weiter. Ihr ist es offensichtlich viel zu heiß in der knallenden Sonne.
Auf Höhe der Kreuzung zum Wahllokal fahren zwei Jugendliche in Shorts und Trikots schnell mit dem Fahrrad Richtung Abstimmort: „Es ist einfach scheißegal, wen du wählst“, schreit der eine auf den anderen ein.
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