Mannheim. Die auf dem Alten Meßplatz präsentierten Reanimationspuppen beäugen so manche Männer und Frauen zwar interessiert, aber auch misstrauisch. Nur wenige lassen sich zum Handanlegen überreden. Die Vor-Ort-Teams des weltweiten Aktionstages mit dem Motto „Wiederbelebung - jeder und jede verdient die Chane“ kennen die Furcht, etwas falsch zu machen, wenn es um Leben und Tod geht. „Dabei kann man nur eines falsch machen - nämlich nichts tun“, formuliert Doris Detering, Breitenausbilderin beim ASB, die Botschaft der Kampagne.
Eigentlich soll es am Sonntag um elf Uhr losgehen. Ein Regenschauer zwingt die Teams vom Arbeiter-Samariterbund, Roten Kreuz, der Lebens-Rettungs-Gesellschaft und Johanniter-Unfall-Hilfe die Pavillons später aufzubauen. Aber dafür scheint danach die Sonne - was das Laufpublikum erhöht. Anästhesie-Ärzte des Klinikums und Medizin-Studierende vom Projekt „first aid for all“ („erste Hilfe für alle“) unterstützen.
Häufigste Todesursache
- Nach wie vor gelten Herz-Kreislauf-Erkrankungen als die häufigste Todesursache in Deutschland. Nur drei bis fünf Minuten beträgt nach einem Kollaps das Zeitfenster für ein Überleben ohne Hirnschäden. Im Schnitt dauert es acht bis zehn Minuten, auf dem Land auch deutlich länger, bis ein Rettungsdienst eintrifft.
- Laut Bundesgesundheitsministerium könnten jährlich mehr als 10 000 Menschen gerettet werden, wenn bei jedem Atemstillstand direkt eine Laien-Herzdruckmassage erfolgt. Auch die Zahl jener, die danach auf Pflege angewiesen sind, würde so sinken.
Mit dabei ist beispielsweise Lukas Müller, der später einmal Kardiologe werden möchte. Er beteiligt sich auch ganz bewusst an Aufklärungsveranstaltungen in Schulen - „damit Herzdruckmassage von Kindesbeinen an als selbstverständlich empfunden wird“.
Überlebenschance verdoppeln
Laut Statistik wird aber nicht einmal in der Hälfte aller Fälle eines Herz-Kreislauf-Stillstandes umgehend mit der Wiederbelebung auf der Straße, am Arbeitsplatz oder im Wohnzimmer begonnen - obwohl dies die Überlebenschance verdoppelt. „Ohne sofortige Laienhilfe vor Ort hat selbst der beste Notarzt keine Chance den Patienten zu retten“, kommentiert der angehende Mediziner.
Und die erfahrene Klinikum-Chefärztin sowie Notfallmedizinerin Grietje Beck hat bereits im Vorfeld der Aktion daraufhin hingewiesen, wie wichtig es ist, dass Laien ihr Reanimationswissen regelmäßig auffrischen: „Weil ein plötzlicher Herzstillstand jeden treffen kann“. Wie der lebensrettende Dreiklang „Prüfen-Rufen-Retten“ vor sich geht, wird im 30-Minuten-Takt präsentiert und fachkundig kommentiert.
Und weil die berühmte Aristoteles-Erkenntnis „was man lernen muss, um es zu tun, lernt man, indem man es tut“ nicht nur fürs Spielen der Saiten-Kithara gilt, liegen mehr als ein Dutzend Spezialpuppen ohne Unterleib, dafür mit robustem Oberkörper auf Boden, besser gesagt auf Decken.
„Kann ich hier Reanimieren üben?“, erkundigt sich eine Frau, die gezielt gekommen ist, weil sie von der Aktion zum internationalen „World Restart a Heart-Day“ gelesen hat. Sie ist eher die Ausnahme, jedenfalls bei Erwachsenen. Jugendliche lassen sich leichter zu einem druckvollen Training motivieren. Mareike Kunz vom Roten Kreuz oder Uwe Blümler von den Lebensrettern wissen, dass vorbeilaufende Menschen persönlich angesprochen werden müssen, damit sie sich getrauen, neben einer Puppe hinzuknien. „Eigentlich ist eine Herzdruckmassage leichter, als ich gedacht habe. “ So oder ähnliche Kommentare hören die Anleitungsteams hinterher häufig.
Song als Rhythmusgeber
Das Phänomen ist bekannt: In Notfallsituationen gucken viele - aber ohne etwas tun. „Deshalb sollte eine Person gezielt beauftragt werden, den Notruf 112 zu wählen“, rät Mareike Kunz.
Wichtig sei sofort mit der Herzdruckmassage zu beginnen und diese solange fortzuführen, bis jemand vom Rettungsdienst eingetroffen ist. Und weil 100 bis 120 Mal pro Minute sehr fest - am besten fünf bis sechs Zentimeter tief mit beiden Händen übereinander - auf den Brustkorb gedrückt werden soll, empfiehlt sich ein Rhythmusgeber.
Und dafür erweist sich laut Reanimations-Spezialisten der Hit „Stayin‘ Alive“ von den Bee Gees als ideal - eigentlich einleuchtend bei einem Refrain mit der Botschaft „Du bleibst am Leben„. Und Hard-Rock-Fans können als Taktgeber „Highway To Hell“ vor sich hin summen - auch wenn der Songtitel höllisch unpassend ist.
Mannheims Gesundheitsbürgermeister Dirk Grunert hat nicht nur die Schirmherrschaft der Aktion übernommen. Er kommt am Sonntagnachmittag auch persönlich am Alten Meßplatz vorbei, um den Notärzte-Teams für ihren Einsatz zu danken und davon beim Training an der Puppe selbst zu profitieren.
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