Besondere Fahrrad-Tour

Leben ohne Brüste - Frau setzt Zeichen in Mannheim

Die Leipzigerin Antje Proft ist auf dem Weg nach Mannheim. Im Gepäck hat sie „Mutmachpost“: Sie will aufklären über ein Leben ohne Brust - und warum sie sich gegen einen Wiederaufbau entschied.

Von 
Lea Seethaler
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Antje Proft möchte mit ihrer Radtour betroffenen Frauen Mut machen – und ein Zeichen setzen. © Antje Proft

Wenn Frauen nach einer Brustamputation ansprechen, brustlos leben zu wollen, erleben sie oft, dass Ärzte ihrem Entschluss verständnis- bis fassungslos gegenüberstehen. Das berichtet der Verein Amsob, der sich für ein selbstbewusstes Leben ohne Brust einsetzt.
 
So ging es auch Amsob-Mitglied Antje Proft während ihrer Brustkrebserkrankung. „Der Professor war damals trauriger als ich“, erzählt die Leipzigerin im Gespräch mit dieser Redaktion. Proft hat sich wegen ihrer Erfahrung zu einer Radtour aufgemacht - unter anderem nach Mannheim

Dort will sie sensibilisieren für ein Thema, das Betroffene oft allein mit sich ausmachen. Auch die Ingenieurin hat Ende 2013 „ohne Diskussion und Nachfrage“ in ein Silikonimplantat eingewilligt. Gefragt oder aufgeklärt wurde sie nicht, sagt sie.

„Diese Frauen sind mir ähnlich“

Im Laufe ihrer Erkrankung macht sie Chemos durch, immer wieder stehen neue Behandlungsschritte auf dem Plan. „Nachdem ich dann beim nächsten Mal abgelehnt habe, sagte der Professor ,Schade’. Er quetschte das Wort ,Epithese’ aus seinem Mund“, erzählt Proft. Eine Epithese ist eine Brustprothese zum Einlegen. „Ich trage traditionell keinen BH. Dann an so eine Epithese zu denken, fand ich gruselig.“

„Auch beim Sport bin ich sehr aktiv. Ich will nix, was ich einlegen muss - und am Ende wie Brille oder Zahnbürste vergesse“, sagt Proft. „Ich habe dann gegoogelt und kam auf Amsob. Dort fand ich viele Frauen, die nur mit einer Brust oder keiner leben, nichts kaschieren. Die Frauen dort sind mir sehr ähnlich“, merkt sie. „Auch wenn es nur ein kleiner Teil der Frauen ist, die das wollen, alle sollen davon Kenntnis erlangen“, sagt Proft.

Die „Mutmachpost“, die Antje Proft bei ihrer Tour in den Brustzentren in Deutschland und auch in Mannheim verteilt. © Antje Proft

Der neue „A. . .lochindikator“

„Als ich es meinen Kindern damals als Erstes gesagt habe, dass ich jetzt nur noch eine Brust haben werde, sagte meine 21-jährige Tochter eiskalt: ,Och Mama, weißt du, das ist jetzt so, aber das ist doch auch ein guter Ar. . lochindikator. Wer dich deshalb doof findet, hat dich nicht verdient’.“ Proft lacht.

Sie hat trotz ihrer Erkrankung ihren Humor nicht verloren. Ganz im Gegenteil. „Ich rede viel, auch über die fehlende Brust. Die Leute gehen da lieber weiter im Gespräch, weil das für sie irgendwie nicht normal und dann unangenehm ist.“

„Brustlose Frau nicht sozialverträglich“

Auch in der Beratung scheint eine soziale Norm vorzuherrschen, Amsob macht deutlich: Viele Frauen fühlen sich dort „regelrecht zum Brustaufbau gedrängt. Die Frauen benötigen viel Durchsetzungsstärke und Selbstbewusstsein, um für sich selbst einzustehen und die Angebote zur Brustrekonstruktion abzulehnen.“

Es scheine, „dass eine brustlose Frau in unserer Gesellschaft nicht sozialverträglich ist.“ Fragen, die einigen der Frauen, die sich bei Amsob engagieren oder beraten lassen, ganz konkret vom Arzt gestellt wurden waren etwa: „Was sagt denn ihr Mann dazu?“, „Sie wollen doch Ihrem Mann nicht das Spielzeug wegnehmen?“ oder „Wollen Sie denn keinen Partner mehr?“

Auf Brustwideraufbau wird selten verzichtet

(Gute) Beratung scheint also nicht überall gegeben. Wie sieht es in Mannheims Krankenhäusern aus? Es bleibe stets „individuelle und persönliche Entscheidung der Patientin für oder gegen einen Wiederaufbau ihrer Brust“, sagt UMM-Sprecher Dirk Schuhmann auf Anfrage. Und das stets nach „eingehenender Beratung und Vorstellen der verschiedenen Möglichkeiten“.

Es gebe an der UMM eine eigene Sprechstunde für plastisch-rekonstruktive Brust-OPs, so der Sprecher. Allgemein könne ein großer Teil der Frauen mit Primärtumor brusterhaltend operiert werden, erklärt Schuhmann. Und wie oft gibt es Frauen wie Proft?

Muss die Brust entfernt werden, entscheiden sich nach Beratung in Mannheim etwa 85 Prozent für einen Wiederaufbau der Brust, erklärt Schuhmann. Die wenigen Patientinnen, die sich dagegen entschieden, waren alle älter als 80 Jahre, sagt er. Auch das hiesige Diako berichtet auf Anfrage, dass selten auf Wiederaufbau verzichtet werde - wenn, dann seien es ebenso ältere Patientinnen.

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Kliniken: Patientin-Wille im Fokus

In den Flyern auf der Infopost, die Antje Proft als „Mutmachpost“ mit an die Brustzentren nimmt, denen sie einen Besuch auf ihrer Radtour abstattet, sind derweil viele junge Frauen zu sehen. Proft will die Post abgeben bei allen, die vor Ort sind, erzählt sie.

Bei Psychoonkologen, Pflegern, Ärzten, Betroffenen. „Einfach, damit gerade die Frauen was in der Hand haben. Damit die nicht ins Bodenlose rutschen, wenn da die Sozialarbeiterin sofort zur Hand ist und erklärt, wie die Epithese sitzt.“

„Am Brustzentrum am Diako in Mannheim beraten wir sehr offen und Patientinnenorientiert“, erklärt derweil auch Diako-Sprecherin Nina Luschnat. In „intensiven Gesprächen erfahren wir die Wünsche der Patientin und wägen ab, was medizinisch sinnvoll ist und dabei in das individuelle Lebenskonzept passt“, beschreibt sie.

Nicht selten müsse nach der Implantat-Einlage „eine Angleichsoperation der ,gesunden Brust’ empfohlen werden“, sagt Luschnat. „Diese passt häufig nicht mehr zur wiederaufgebauten Brust, in Form und Größe. Solche Operationen führen natürlich zu einer Mehrbelastung der Patientin.“ Auch am Diako gibt es eine „Plastische Sprechstunde“ mit Kollegen der BG Klinik in Ludwigshafen, erklärt sie.

Der Tourplan für die Region - Halt auch in Mannheim

Antje Proft durchquert auf ihrer Tour fast ganz Deutschland. In der Region macht sie an folgenden Orten Halt:

2. September 15:30 - 16:00 Uhr Diako Speyer

3. September 10:00 - 10:30 Uhr St. Elisabeth Heidelberg

3. September 11:00 - 11:30 Uhr Uniklinikum Heidelberg

3. September 15:30- 16:00 Uhr Diako Mannheim

4. September 10:00 - 10:30 Uhr Klinikum Ludwigshafen see

„Gefühlstechnisch kaltgestellt“

Auf ihrer Tour in viele Kliniken der Region hat Proft neben einigen Stopps in der Gegend auch einen Halt im Diako eingeplant. Für sie ist das Leben ohne Brust und mit Narben auch nicht immer rosa. „Es gibt solche und solche Tage“, sagt Proft. „Inzwischen war ich auch mal in der Sauna.“

Im Schwimmbad habe sie „keine blöden Blicke oder Sprüche bekommen, da hatte ich am Anfang schon mit gerechnet“, sagt sie. „Aber null.“ Und spricht auch über die praktische Seite: „Kontaktsport adé, heißt es mit Implantaten, wir haben bei Amsob eine in der Gruppe, die macht Geräteturnen, das kann man vergessen mit den Hilfestellungen.“

Viele Frauen, die sich gegen die Prothese oder den Aufbau entscheiden, verzieren ihre Brust derweil etwa mit Tattoos. Machen ihren Körper so zum Kunstwerk über den Spuren dieser schlimmen Zeit. „Für mich wär’s nichts. Aber machbar ist das auf jeden Fall“, sagt Proft. „Und das geht gut, den der Bereich ist durch die vielen OPs eh gefühlstechnisch kaltgestellt.“

In einem Internetforum schreibt eine Betroffene indes, dass sie dank Implantaten nicht ständig an den Krebs erinnert werde. Eine andere äußert: „Einen Vorteil muss es haben, wenn schon Krebs, dann wenigstens jetzt schöne Brüste.“ Und eine weitere hat ihren Frieden mit dem Brustlos-Bleiben gemacht, tippt ins Netz: „Ich sage: Männer, die mich berühren, sind jetzt näher an meinem Herz.“

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

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