Mannheim. Wenn Volker Beisel in einer seiner Reden voller Inbrunst die Gründungsurkunde der Stadt Mannheim aus dem Jahr 1607 zitiert, was er gerne und immer wieder mal macht, und damit die Vielfalt und Toleranz der Stadt heraufbeschwört, kann es Zuhörern schon mal kalt den Rücken herunterlaufen.
Schließlich zählt der stellvertretende Vorsitzende der FDP/MfM-Fraktion im Gemeinderat zu den begabtesten Rhetorikern in der Mannheimer Lokalpolitik.
Mannheimer FDP will grün-rot-rote Mehrheit ablösen
In Zukunft wollen Beisel und seine Fraktionsvorsitzende Birgit Reinemund jedoch weniger durch ihre Wortbeiträge auffallen, sondern mehr durch politische Beschlüsse. Denn das Ziel der FDP bei der Kommunalwahl ist es nicht nur, die drei Sitze im Gemeinderat zu verteidigen oder gar auf vier auszubauen.
VideoKommunalwahl Mannheim: FDP-Kandidat Volker Beisel
Vielmehr wollen die Liberalen auch eine „Mehrheit der Mitte“ erreichen, wie es Reinemund nennt. Also die grün-rot-rote Mehrheit im Kommunalparlament ablösen und künftig dort gemeinsam mit der CDU und ML den Ton angeben. Immerhin hat dieses Bündnis bei der Oberbürgermeisterwahl ja schon mitgeholfen, Christian Specht ins Amt zu bringen.
Liberale setzen auf mehr Barrierefreiheit, weniger Belastungen, mehr Investitionen
Und dann? Welche drei Dinge würde das FDP-Spitzenduo sofort umsetzen, wenn es könnte, wie es wollte? „Mehr Barrierefreiheit“, sagt Reinemund spontan. „Es sollte in jedem Stadtteil mindestens eine barrierefreie Toilette geben.“ Dann folgt ein klassisches liberales Mantra: „Bürger und Unternehmen entlasten anstatt weiter zu belasten. Wir lehnen jede weitere Steuererhöhung ab.“
Außerdem müsse das ehrenamtliche Engagement besser unterstützt werden: „Wir müssen Jugendtreffs bauen und sanieren, wir müssen Seniorentreffs endlich barrierefrei umbauen, wir brauchen Kultur- und Sporthallen in gutem Zustand - zum Beispiel den Neubau des Kultur- und Sportzentrums in Wallstadt.“
VideoKommunalwahl 2024: FDP-Kandidatin Birgit Reinemund
Auch Beisel muss nicht lange überlegen: „Ich würde die Sozialquote im Wohnungsbau abschaffen. Die hat sich zu einer riesigen Investitionsbremse entwickelt.“ Zweitens müsse mehr Geld für Brücken, Radwege, Straßen und Schulen bereitgestellt werden: „Wir brauchen ein Sofortprogramm für Infrastruktur. Wenn ich in die Stadtteile gehe und mir die Straßen anschaue, kriege ich die Krise!“ Die berufliche Bildung will er ebenfalls stärker in den Fokus rücken. Ausstattung und baulicher Zustand vieler Berufsschulen seien oft erbärmlich: „Da will ich als Auszubildender gar nicht hin!“
Kritik der FDP: „Wir haben das Geld mit beiden Händen rausgeworfen“
Entsprechend einig sind sich die beiden, was der Hauptfehler der bisherigen Gemeinderatsmehrheit war: „Wir haben das Geld mit beiden Händen rausgeworfen - bei vielen Projekten, die nicht nötig sind“, sagt Reinemund und zählt etwa neben der Multihalle die Oper-Ersatzspielstätte Opal auf. „Das fällt uns heute auf die Füße. Jetzt haben wir keine Spielräume mehr.“ Deshalb setze sich die FDP nicht nur für bessere Bildung und mehr Digitalisierung ein, sondern vor allem für „etwas mehr Vernunft beim Haushalten“.
Reinemund liegt das im Blut. Schließlich hat die Tierärztin nicht nur neun Jahre lang eine Kleintierpraxis geführt, sondern wurde anschließend, nachdem sie über private Kontakte ein Angebot bekam, kaufmännische Geschäftsführerin einer Firma für Industriemesstechnik.
Birgit Reinemund und Volker Beisel
- Birgit Reinemund kandidiert bei der FDP auf Listenplatz 1. Sie wurde 1959 geboren, ist verheiratet und lebt in Feudenheim.
- Reinemund ist Vorsitzende der FDP/MfM-Fraktion im Gemeinderat. Von 2009 bis 2013 war sie Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Zuvor hatte die promovierte Tierärztin eine eigene Kleintierpraxis, ehe sie kaufmännische Geschäftsführerin einer Firma für Industriemesstechnik wurde. Inzwischen ist sie freiberuflich als Beraterin tätig.
- In ihrer Freizeit malt sie Bilder, die auch auf Ausstellungen zu sehen sind. Zudem ist sie gerne in der Natur unterwegs und macht Tai-Chi.
- Volker Beisel kandidiert auf Listenplatz 2. Er wurde 1976 geboren, ist ledig und lebt in Neuhermsheim.
- Beisel ist stellvertretender Vorsitzender FDP/MfM-Fraktion im Gemeinderat. Zudem leitet er das Mannheimer Büro des Bundestagsabgeordneten Konrad Stockmeier. Seine Ausbildung als Immobilienkaufmann hat er bei der GBG absolviert. Danach war er unter anderem zeitweise als Referent der Oberbürgermeisterin von Ettlingen sowie als Makler und Immobilienkaufmann tätig.
- Zu seinen Hobbys zählen Gartenarbeit sowie das Sammeln maritimer Gegenstände, beispielsweise Bilder, Kleider, Accessoires oder Krimskrams.
Als solche merkte sie: „Wir waren teilweise gefrustet, dass immer, wenn wir uns gut etabliert hatten, plötzlich wieder irgendeine staatliche Regulierung kam und wir zig Tausende investieren mussten für irgendwelchen Bürokratiekram.“ Da dachte sie sich: „Ich gucke mal, wie man aus dieser Ohnmacht rauskommt. Ich will wissen, wie das funktioniert.“
Reinemund zog 2009 für die FDP als Abgeordnete in den Bundestag ein
So kam sie 2002 zur FDP - und machte dort in recht kurzer Zeit lokalpolitisch Karriere: 2005 kandidierte sie für den Bundestag, 2006 wurde sie Kreisvorsitzende und 2009 zog sie tatsächlich als Abgeordnete in den Bundestag ein. „Das hat sich so ergeben“, sagt sie heute dazu. „Das kann man nicht planen.“ Doch auch dort muss man sie geschätzt haben, immerhin wurde sie 2011 zur Vorsitzenden des wichtigen Finanzausschusses gewählt.
Die Feudenheimerin hat jedoch nicht nur Zahlen im Kopf. Zum Ausgleich malt sie - und zeigt seit fünf Jahren ihre Werke auch öffentlich in Ausstellungen. Darum findet das Treffen für diesen Artikel auch im Café der Kunsthalle statt: „Die ist für mich ein Wohlfühlort“, sagt Reinemund. Außerdem ist man dem Wasserturm nahe, der auch in ihrem Leben eine Rolle spielt: „Das war früher der Ausgangspunkt für unsere nächtlichen Touren.“
Beisel lebte zeitweise im Schifferkinderheim in Mannheim
Im Vergleich zu Reinemund ist Volker Beisel dagegen schon früh zur Politik gekommen - so wie er in vielen Dingen früh dran war. Oder besser gesagt: dran sein musste. Denn als Sohn eines Binnenschifferpaars hat sich seine Welt bereits als Kind komplett verändert: Mit Eintritt der Schulpflicht konnte er nicht mehr rund um die Uhr bei seinen Eltern auf dem Schiff sein, sondern kam nach Mannheim ins Schifferkinderheim auf dem Almenhof. „Das war ein harter Bruch im Leben“, sagt er.
Denn fortan sah er seine Eltern nur noch an den Wochenenden und in den Ferien. „Bei allen wichtigen Lebensentscheidungen waren meine Eltern nicht da.“ Und weil das internatsmäßige Leben irgendwann zu teuer wurde, kauften diese, als er 16 Jahre alt war, ihm und seinem Bruder eine eigene Wohnung. „Das macht einen früh selbstständig.“
Das Wasser lässt den Sohn eines Binnenschiffers nicht los
Diese Erfahrungen prägten auch seine liberale politische Einstellung. Mit 18 Jahren trat er der FDP bei, war bei den Jungen Liberalen Landesvorsitzender und stellvertretender Bundesvorsitzender. Das beeinflusste auch sein berufliches Leben. Zwar wurde er bei der GBG zum Immobilienkaufmann ausgebildet. Doch immer wieder wählte er die Politik als Beruf, etwa als Referent der FDP-Oberbürgermeisterin von Ettlingen oder als Büroleiter der Bundestagsabgeordneten Reinemund und Konrad Stockmeier.
Auch etwas anderes, sagt er, hat ihn nie losgelassen: „Das Wasser ist Teil meiner DNA. Überall, wo Wasser ist, fühle ich mich zu Hause.“
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