Stadtgeschichte

Mannheimer Bürgerhospital: Ein Ort der Menschlichkeit - und mehr

Es ist eine der wenigen Einrichtungen aus der Zeit Carl Theodors: das Bürgerhospital. Wie es entstand, was es heute macht und was es mit Mannheims Zeitungsgeschichte zu tun hat.

Von 
Peter W. Ragge
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Das Katholische Buergerhospital in E 6, heute ein Altenheim, feiert sein 250-jaehriges Bestehen. © Pressefotoagentur Thomas Tröster

Mannheim. Geburtsort von Mannheims erster lange regelmäßig erscheinender Zeitung und zugleich Altenheim - wie passt das zusammen? Im Katholischen Bürgerhospital in E 6, das viele Jahre Heim und Verlag zugleich ist. Am 3. Juli feiert die von einer Stiftung getragene Einrichtung ihren 250. Geburtstag. Sie ist damit eine der wenigen Insitutionen aus der Zeit des Kurfürsten Carl Theodor, die seither in Mannheim ununterbrochen bestehen.

Der Regent ist in erster Linie als Förderer von Kunst, Kultur und Wissenschaft bekannt - aber er hat auch eine soziale Ader. Am 1. Juni 1775 bestimmt er, dass der „Mannheimer katholischen Bürgerschaft in ihrem heilsamen Vorhaben keine Hindernisse gemacht werden sollen“. Er gestattet also die Pläne, die ihm bereits am 15. Juli 1773 unterbreitet worden sind. Protestanten und Juden haben da längst Armen- und Krankenheime, nur für altersschwache, arme und kranke Katholiken fehlt ein Haus.

Aber die Katholiken sind selbst schuld, streiten sie sich doch um das, was man heute Trägerschaft nennt. Sollen das Kirchenvorsteheramt, eine bürgerliche Stiftung oder die Stadt verantwortlich sein? Carl Theodor beendet das mit seinem Machtwort, und nun können die Stifter am 3. Juli 1775 die Gründung vollziehen. Außer Hofbediensteten und Künstlern finden sich darunter Handwerker, Schiffer, Wirte und Vertreter zugewanderter italienischer Familien.

Eine Witwe stiftet den Bau der Kirche

Fehlt nur noch ein Haus. Ab August 1775 übernehmen die Stifter das im Besitz des katholischen Kirchenvorstands befindliche Retzer‘sche Haus in K 2. Sie sammeln aber weiter Geld und können dadurch zwei Häuser in R 3 erwerben, die Ende 1777 bezogen werden. Carl Theodor kommt am 18. Dezember 1777 zu Besuch - wenige Tage, bevor er nach München umziehen muss, um das Erbe der Wittelsbacher Dynastie anzutreten.

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Aber mit dem Herzen bleibt er ja in Mannheim, und er macht dem Bürgerhospital weiter Zuwendungen. Durch ein Vermächtnis und andere Spenden gelingt es der Stiftung schließlich, 1783 das Haus des Freiherrn v. Ulner - eines Hofbeamten - in E 6, 1 zu erwerben. Dort ist das Bürgerhospital seit September 1784 ansässig - bis heute.

Im Jahr darauf beschließt die Stiftung, neben das Heim auch eine Kirche zu bauen. Möglich macht das eine Stiftung der kurmainzischen Geheimratswitwe Elisabetha Josepha von Wincopp, die ganz genaue Vorstellungen zur Gestaltung des Baus durchsetzt und die Stelle eines Kaplans finanziert. Aber auch Carl Theodor gibt Geld, seine von ihm getrennt lebende - Frau Elisabeth Augusta erweist sich ebenso als große Gönnerin. Nachdem der erste Architekt Jacob Faxlunger während der Arbeiten stirbt, vollendet 1787 Hofbildhauer Peter Anton von Verschaffelt - auch Planer von Zeughaus und Palais Bretzenheim - den Sakralbau.

Trauer um Kurfürstin Elisabeth Augusta

Er wird am 12. September 1794 Schauplatz einer rührenden Trauerfeier für die im August in Weinheim gestorbene Kurfürstin Elisabeth Augusta. Ihr Mann ist nicht dabei, aber zahlreiche andere Verwandte. Carl Ludwig Freiherr v. Rodenhausen, der sehr viel mehr ist als nur der Obristhofmeister der Kurfürstin, vermacht 1802 sein Erbe dem Bürgerspital und wird 1804 in der Gruft der Kirche beigesetzt. Ihr Leibarzt Franz Anton Mai betreut schon ab 1778 nicht nur als Spitalarzt die Menschen im Bürgerhospital, sondern schult zudem die Krankenwärter, wie es damals heißt, in Hygiene und Versorgung von Wunden.

Nach dem Ende der Kurpfalz wird Mannheim badisch. Außer privaten Spenden unterstützt das Großherzogliche Haus, besonders die in Mannheim lebende Großherzoginwitwe Stephanie, das Bürgerhospital weiter. Das gilt besonders, als 1813 eine Veruntreuung durch den Anstaltsverwalter ans Licht kommt - mit einem Verlust von 50.600 Gulden , (in Euro wäre das heute das Zehnfache). Allerdings kommt es in den 1830er und 1840er Jahren zum Streit, ob das Haus mehr hHeim oder mehr Hospital ist und wer aufgenommen wird. 1876 verfügt der Großherzog daher, die bisherige Selbstverwaltung der Stiftung aufzuheben und sie dem Stadtrat zu unterstellen. Auch alt-katholische Bürger sollen nun aufgenommen werden.

1902 kauft die Stiftung zwei Grundstücke in E 6 zur Erweiterung hinzugekauft und errichtet einen dreistöckigen Neubau. Allerdings werden der gesamte Komplex und die Kirche im Zweiten Weltkrieg bei einem Fliegerangriff schwer beschädigt - weil die Bewohner evakuiert sind, kommt niemand ums Leben. Schon 1945 begnnt der Wiederaufbau, 1949 kann das Heim komplett in Betrieb genommen werden. 1969 und 1973 folgen weitere Sanierungen und Erweiterungen. 2010 wird mit einem Anbau die Platzzahl für pflegebedürftige Bewohner von 69 auf 92 Plätze erhöht, und seit einem zweiten Erweiterungsbau 2022 verfügt das Katholische Bürgerhospital jetzt über 116 Pflegeplätze. Sie sind vorwiegend für ältere, chronisch psychisch kranke Menschen gedacht. Zuständig für die Stiftung ist Sozialbürgermeister Thorsten Riehle. Ordensschwestern gibt es seit 1982 nicht mehr.

Spitalkirche an die Kirche verschenkt

Auch die Spitalkirche gehört nicht mehr der Stiftung. 1954 überträgt die Stiftung sie wegen der hohen Kosten des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg per Schenkungsvertrag mit dem Erzbischöflichen Ordinariat Freiburg dem Dekanat. 1957 sind die Bauarbeiten beendet. Der frühklassizistische Bau, der noch ein Kruzifix von 1780 aufweist, dient heute vor allem der polnischen muttersprachlichen Gemeinde. Im Vorfeld des Deutschen Katholikentages 2012 ist er für 1,35 Millionen Euro saniert worden.

Nur noch eine Stadtpunkte-Tafel erinnert an die große Rolle des Bürgerhospitals in der Mannheimer Pressegeschichte. 1789 beantragt die Stiftung beim Kurfürsten die Genehmigung zur Einrichtung einer Druckerei - weil fast alle anderen Druckereien der Kurpfalz in protestantischer Hand lägen. Sie erhält das Privileg zum Druck sämtlicher katholischer Schul-, Gebets- und Gesangbücher in der Kurpfalz. Ab 4. Mai 1790 erscheint hier wöchentlich, „mit kurfürstlicher gnädigster Erlaubnis und Freiheit“, das „Mannheimer Intelligenzblatt“. Nach 19 Jahren wird es dreimal wöchentlich gedruckt, ab 1825 mit sechs Ausgaben pro Woche und ab 1836 unter dem Titel „Mannheimer Tageblatt“, der 1837 in „Mannheimer Journal“ geändert wird - und dann 40 Jahre Bestand hat. 1845/46 fungiert als Redakteur Gustav Struve, einer der wichtigsten Persönlichkeiten der - gescheiterten - Badischen Revolution 1848 und kämpft gegen die Zensur. Danach propagiert das Blatt wieder die Monarchie. Aber die politischen Auseinandersetzungen hören nicht auf, und damit will die Stiftung nichts zu tun haben. 1886 wird die Druckerei, die 1817 das erste Mannheimer Adressbuch herausgegeben hat, verpachtet, 1887 auch die Zeitung. 1888 pachtet jener Hermann Haas, die Druckerei, der auch - ohne das es noch familiäre Verbindungen gibt - Namensgeber der HAAS Mediengruppe ist, in der auch der „Mannheimer Morgen“ erscheint.

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