Rhein-Neckar. „Etwas holprig“ sei der Beginn gewesen, erinnert sich Matthias Grimm, Leiter der Abteilung Marketing. Und Betriebsleiter Franz-Wilhelm Coppius weiß noch: „Je näher der Tag kam, desto stärker wurde das Kribbeln.“ Zwei Jahrzehnte ist das jetzt her. Nun feiert die Rhein-Neckar-Verkehr (RNV) ihr 20-jähriges Bestehen am Sonntag um 12 Uhr mit einer Parade historischer Bahnen aus der ganzen Region durch die Mannheimer Innenstadt, und längst kribbelt nichts mehr.
Regionale Kooperation beim Nahverkehr ist indes nicht vor 20 Jahren erfunden worden. Bereits die Pferdebahn im 19. Jahrhundert und die vor 125 Jahren eingeführte elektrische Straßenbahn fahren in Mannheim ebenso wie in Ludwigshafen, bis 1965 von einem Betrieb aus geleitet. Aber 1972 wird ein großer Schritt getan: Da entsteht die Zentralwerkstatt für Verkehrsmittel Mannheim (ZWM), womit zum ersten Mal Reparaturen und Hauptuntersuchungen an Fahrzeugen aus Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg unter einem Dach erfolgen – in den 1970er Jahren ist solch eine Kooperation noch absolut unüblich.
Straßenbahn-Parade
Am Sonntag, 29. Juni, verkehrt in Mannheim eine Straßenbahn-Parade mit Fahrzeugen aus Jahrgängen ab 1928 ab 12 Uhr für gut eine Stunde durch die Breite Straße und die Planken. Moderiert wird die Veranstaltung am Paradeplatz von Oberbürgermeister Christian Specht sowie Radiomoderator und Stadtbahnfahrer Jens Schneider.
Im Anschluss werden im 20-Minuten-Takt bis etwa 18.30 Uhr Fahrten mit historischen Fahrzeugen zwischen Innenstadt und Betriebshof Möhlstraße angeboten, in welchem das Nahverkehrsmuseum depot5 ist. Das ist Sonntag, 29. Juni 13 bis 18 Uhr und sonst donnerstags von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Da es ehrenamtlich betrieben wird, bitte vorher anmelden per E-Mail mail@depotfuenf.de. pwr
Aber noch werden verschiedene Fahrzeuge bestellt, gelten unterschiedliche Fahrpläne und Tarife. Erst 1989 entsteht der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) als Zusammenschluss von Kommunen, Landkreisen und 50 Verkehrsunternehmen mit einheitlichem Tarifsystem. Man kommt nun mit einem Fahrschein von der elsässischen Grenze bis ins Taubertal - also auch weit über die Metropolregion hinaus.
Es bedarf noch fünf Jahre langer Verhandlungen, steigendem Kostendruck und der Zwänge des europaweit freigegebenen Wettbewerbs, bis die Einsicht wächst und alle Signale auf Kooperation statt Konkurrenz gestellt werden. Den Vertrag dazu unterzeichnen die Oberbürgermeister Beate Weber (Heidelberg), Eva Lohse (Ludwigshafen) und Gerhard Widder (Mannheim) auf einem Schiff auf dem Neckar – damit nur ja keine der Städte bevorzugt wird.
Deutschlands größtes Meterspurnetz
Danach geht der Betrieb der Mannheimer Verkehrs-AG (MVG), der Verkehrsbetriebe Ludwigshafen am Rhein (VBL), der Heidelberger Straßen- und Bergbahn GmbH (HSB) und der Rhein-Haardt-bahn (RHB) auf der RNV über. Die Mannheimer Kommunalbeteiligungen (MKB), die Mutter vieler städtischer Gesellschaften Mannheims, hält 49,99 Prozent an der neuen Firma, die HSB 27,83 Prozent, die VBL 18,36 Prozent und die RHB 2,42 Prozent. Anfangs fährt die RNV im Auftrag ihrer Eigner, seit 2009 ist sie ein eigenständiges Verkehrsunternehmen mit eigenen Konzessionen für den Linienverkehr. Die OEG, die zunächst weiter existiert, wird 2010 aufgelöst.
Aber das alles passiert nur hinter den Kulissen, ist allein eine Frage von Gesellschafts- und Steuerrecht. „Die Ansage war: Niemand darf etwas merken!“, weiß Coppius noch. Die Busse und Bahnen müssten nach der RNV-Gründung weiterfahren wie zuvor, ohne Auswirkungen auf die Fahrgäste. Und er weiß auch noch von langen, kontroversen Verhandlungen und einer Nachtsitzung in der Mannheimer Rheingoldhalle, wo der Hausmeister den Strom abdrehen will, so lange zieht sie sich hin. Es habe „Vorbehalte der Standorte“ gegeben, die RNV sei „keine Liebesheirat“ gewesen, „aber sie hat sich großartig entwickelt und ist heute eine moderne Dienstleisterin“.
Die Fahrgäste merken ab 20o6, mit der Auslieferung der ersten zehn Variobahnen, dass es die RNV gibt - denn die sind in der neuen RNV-Optik (verkehrsorange und dunkelblau) lackiert. Ab 2008 gibt es einheitliche Dienstkleidung, vom Modeinstitut Berlin entworfen, und ebenso 2008 werden die Betriebszentralen Schriesheim, Heidelberg und Ludwigshafen mit Mannheim zusammengelegt. Das erste große RNV-Neubauprojekt ist die Stadtbahnlinie Nord in Mannheim mit 6,4 Kilometern Gleisen und 14 Haltestellen, gefolgt 2015 vom „Mobilitätsnetz Heidelberg“ mit neuen Haltestellen und Linien. Kurz zuvor scheitert ein anderes Projekt: Die Erweiterung der Eppelheimer Stadtbahnstrecke nach Plankstadt und Schwetzingen wird bei einem Bürgerentscheid in Plankstadt abgelehnt.
Inzwischen sorgen rund 2.500 Mitarbeiter mit 214 Bahnen, 140 eigenen und 125 angemieteten Bussen auf 101 Linien dafür, dass täglich rund 592.000 Fahrgäste täglich gut ankommen. Mit 175 Millionen Fahrgästen pro Jahr gehört die RNV nicht nur zu den zehn größten Nahverkehrsanbietern in Deutschland, sie unterhält auch Deutschlands längstes zusammenhängendes Meterspurnetz, das sich vom Odenwald bis zum Pfälzer Wald über drei Bundesländer erstreckt.
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