Reiss-Engelhorn-Museen

Mannheim will afrikanische Museums-Exponate zurückgeben

Sie sind bekannt als Benin-Bronzen, auch wenn sie teilweise aus Holz oder Elfenbein stammen. Wo sie herkommen und was nun mit ihnen passieren soll.

Von 
Peter W. Ragge
Lesedauer: 
Geraubt aus ihren Herkunftsländern und jetzt in Mannheimer Museen: Die Benin-Bronzen sollen nun an ihre rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben werden. © rem

Mannheim. Zwei Elefantenstoßzähne, Relieffragmente, Porträtköpfe, ein Musikinstrument aus Elfenbein und vieles mehr: Die Reiss-Engelhorn-Museen wollen 29 Exponate an Nigeria zurückgeben. Der Kulturausschuss des Gemeinderats soll die Eigentumsübertragung an das afrikanische Land am Dienstag beschließen.

Die Zustimmung des Gemeinderats am 29. Juli gilt dann nur noch als Formsache, da bei den meisten Fraktionen dazu schon lange große Einigkeit herrscht. Allerdings ist der Zeitplan noch unklar, zumal ein Teil der als Benin-Bronzen bekannten Objekte auch als Dauerleihgabe weiter in Deutschland bleiben könnte.

Noch gibt es keine Rückgabeforderung und wir wissen nicht, wann und an wen
Wilfried Rosendahl Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen

„Noch gibt es keine Rückgabeforderung und wir wissen nicht, wann und an wen“, sagt Wilfried Rosendahl, der Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen. „Es geht darum, dass wir jetzt die Voraussetzungen schaffen“, erläutert er. Denn da die Exponate derzeit Eigentum der Stadt sind, muss der Gemeinderat zustimmen, dass sich die Stadt von einem – so ist es formal – Vermögenswert trennt. Der politische Wille ist zwar schon lange signalisiert, aber der formaljuristisch nötige Beschluss soll jetzt erfolgen.

Berlin, Dresden, Köln, Hamburg – bislang haben nur Museen aus solchen großen Städten Schlagzeilen damit gemacht, dass sich jahrhundertealte Skulpturen aus dem heutigen Nigeria in ihren Beständen finden. Die weltweit größte Sammlung gibt es in London. Schließlich hatten britische Truppen 1897 das afrikanische Königreich Benin überfallen. Sie plünderten den Königspalast und nahmen als Trophäen 500 Jahre alte Gusstafeln, Gedenkköpfe sowie Tier- und Menschenfiguren mit. 4000 einzelne Teile landeten später in Museen und im Kunsthandel, etwa 1000 davon in Deutschland.

Raubkunst in Mannheim: Weniger Exponate betroffen als zunächst gedacht

Heute steht der Begriff Benin-Bronzen oder auch Benin-Hofkunst meist stellvertretend für Kunstgut, das frühere Kolonialmächte raubten – zumal geplant war, dass ein Teil von ihnen im neuen Berliner Humboldt-Forum gezeigt werden sollte. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz entschloss sich indes 2021, die Exponate an Nigeria zurückzugeben.

Daraufhin verabschiedete auch der Gemeinderat eine entsprechende Grundsatzerklärung. Eine Auswahl erster Objekte der Museen mit den umfangreichsten Sammlungen (Berlin, Hamburg, Leipzig, Linden-Museum Stuttgart und Köln) wurde im Dezember 2022 von einer Delegation der Bundesregierung nach Nigeria überführt

Die Reiss-Engelhorn-Museen gingen anfangs davon aus, dass sich 66 Exponate in ihren Depots befinden - denn ausgestellt wird nichts davon. Generaldirektor Rosendahl legt großen Wert auf Provenienzforschung, also die Klärung der Fragen zur Herkunft der Kulturgüter. Das Haus beteiligte sich daher an einem vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderten Forschungsprojekt.

Danach handelt es sich nur um 29 Objekte. Dazu zählen drei Relieffragmente, ein Becher, zwei kunstvoll beschnitzte Elefantenstoßzähne, ein Hocker mit Schlangendekor, eine kleine Bronzemaske, mehrere Porträtköpfe und Bronzemasken aus einer Kupferlegierung sowie eine Viereckglocke in Gestalt eines Pyramidenstumpfs. Ein Schwert und eine Lanze sind ebenso dabei wie ein Löffel mit Griff in Form einer weiblichen menschlichen Gestalt, zwei Holzgefäße oder die Wandbekleidung aus dem Königspalast von Benin mit menschlicher Darstellung (Krieger und Querhornbläser).

Raubkunst aus der Kolonialzeit: Alle Bestände auch in den REM online für Forschung zugänglich

Ein Elfenbeinstoßzahn als Querhorn („Oliphant“) ist erst 2001 von Evamaria und Dieter Freudenberg ans Museum gelangt, als sie ihre große Sammlung europäischer und außereuropäischer Musikinstrumente verschiedener Epochen den Reiss-Engelhorn-Museen schenkten. Drei Reliefs waren 1921 ein Geschenk vom Ethnologischen Museum Berlin.

© Markus Proßwitz | masterpress

Ein Großteil der Objekte hat Mannheim 1921 oder 1925 von Kunsthändlern erworben. Zudem kamen 1935 drei zuvor in Karlsruhe befindliche Exponate des badischen Staates nach Mannheim – im Zuge eines von den Nationalsozialisten angeordneten Ringtauschs völkerkundlicher Ausstellungsstücke zwischen badischen Museen. Da die Kunstwerke bereits 1897 aus Benin ausgeführt wurden, ist weiter unklar, wo und in wessen Eigentum sie zwischen 1897 und den 1920er Jahren waren.

Alle Bestände sind aber in der Online-Datenbank der Kontaktstelle Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten als auch im Projekt Digital Benin erfasst und damit Forschern international wie auch dem Herkunftsland zugänglich.

Der Zeitplan ist bisher noch völlig offen

Mit der National Commission for Monuments and Museums (NCMM) von Nigeria laufen schon länger Gespräche, allerdings gab es dort im Herbst 2024 einen Führungswechsel. Die Organisation hat mit dem Oba von Benin, also dem traditionellen Herrscher über die dortigen Völker, einen Vertrag zur Eigentumsfrage und Verwahrung der restituierten Hofkunst geschlossen. Danach ist er offiziell Eigentümer, aber er übergibt die Zuständigkeit für die Verwahrung der Hofkunst und die Verhandlungen mit den deutschen Museen an die NCMM. „Eine Veräußerung der Kunstwerke schließt der Vertrag explizit aus“, informieren die Reiss-Engelhorn-Museen den Kulturausschuss. Zudem habe „die nigerianische Seite deutlich gemacht, dass die Priorisierung und Zeitplanung bei den Restitutionsbestrebungen von der NCMM vorgenommen wird“, sprich: Wann sie was wollen, legen die Nigerianer selbst fest.

Mehr zum Thema

Kino

So war die exklusive Film-Preview von „Jurassic World“ in Mannheim

Veröffentlicht
Von
Bernhard Haas
Mehr erfahren
Umwelt

Wasser: Lebensnotwendige Ressource im Fokus der Diskussion im Reiss-Engelhorn-Museum

Veröffentlicht
Von
Christian Gerards
Mehr erfahren
Das Interview

„Nicht schießen. Das waren gute Menschen“

Veröffentlicht
Von
Stefan M. Dettlinger
Mehr erfahren

Wenn der Gemeinderat jetzt formal der Rückgabe zustimmt, informiert das Museum die Kontaktstelle für Sammlungsgut sowie das Auswärtige Amt, diese dann das NCMM. „NCMM entscheidet, wann und in welchem Umfang das Vorhaben weitergeführt wird“, heißt es von der Stadt. Es gebe dafür aber einen Mustervertrag mit Regelungen zu Transportfragen, Versicherungen, Ausstellungen und Bildrechten. Geplant sei, dass etwa zwei Drittel der Objekte gemäß der 2022 zwischen der Bundesrepublik und Benin unterzeichneten gemeinsamen Erklärung als Dauerleihgabe in Deutschland bleiben. Für die Exponate, die zurückgehen, müsste Mannheim die Transportkosten tragen, wohl mindestens 25.000 Euro. Allerdings gibt es Hoffnung auf einen durch den Bund zentral organisierten Sammeltransport gemeinsam mit anderen Museen.

Über die Benin-Bronzen hinaus laufen an den Reiss-Engelhorn-Museen weitere Forschungsprojekte zu ihrem kolonialen Erbe. Immerhin umfasst allein die Weltkulturen-Sammlung rund 40.000 Exponate aus fünf Kontinenten.

Redaktion Chefreporter

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke