Mannheim. Dieser Satz fiel, so oder ähnlich, in den vergangenen Jahren bei praktisch allen offiziellen Anlässen in Mannheims jüngstem Stadtteil - fast so sicher wie das Amen in der Kirche: „In Franklin wird Zukunft gebaut.“ Doch für Karl Schäfer ist das alles nur Marketing-Gerede mit wenig Substanz. Denn ein entscheidender Baustein für diese Zukunft ist seiner Meinung nach vergessen worden oder zumindest nicht ausreichend berücksichtigt: E-Mobilität.
Um das zu verstehen, muss man die ganze Geschichte kennen: Im Februar 2023 ist der frühere Coca-Cola-Mitarbeiter nach Franklin gezogen, in eine neue Drei-Zimmer-Wohnung im George-Sullivan-Ring. In elf Häusern hat dort ab Frühjahr 2020 das Frankfurter Immobilienunternehmen Industria 187 Wohnungen errichten lassen. Im Untergeschoss gibt es eine gemeinsame Tiefgarage mit 190 Stellplätzen. Und dort liegt Schäfers Problem.
Franklin-Bewohner verärgert: „Komplett inakzeptabel“
Er würde sich, erzählt er, nämlich gerne ein Auto mit Elektromotor kaufen. An seinem derzeitigen Stellplatz hat er jedoch keinen Stromanschluss, um ein solches laden zu können. Also hat er sich an den Vermieter gewandt. Das war Mitte Januar. Doch bis Anfang April habe er, sagt er, nichts von Industria gehört. Gar nichts. Obwohl er dreimal nachgehakt habe: „Das ist, gerade auch, weil ein anderer Bewohner dieses Thema schon im Frühjahr 2024 angesprochen hat, komplett inakzeptabel.“
Zumal er nicht der Einzige sei, dem es so gehe, erzählt er weiter. In der Whatsapp-Gruppe der Bewohner gebe es mehrere, die sich ebenfalls für ein E-Auto interessierten – aber aufgrund der Situation in der Tiefgarage vor dem klimafreundlichen Umstieg zurückschreckten. „Der persönliche Wechsel zur Elektromobilität“, fasst Schäfer zusammen, „wird vor Ort ausgebremst.“
Dass er als Mieter selbst einen Handwerker beauftragen muss, um sich die sogenannte Wallbox installieren zu lassen, mit der E-Autos geladen werden, weiß der Rentner. Ebenso, dass er die Kosten dafür bezahlen muss, die laut ADAC stark variieren und bei einem Mehrfamilienhaus 2022 zwischen 1045 und 5200 Euro lagen – ohne die Kosten für die Wallbox selbst.
Laut Deutschem Mieterbund hat er zwar einen gesetzlichen Anspruch auf Gestattung der baulichen Veränderungen, die der Vermieter nur verweigern darf, wenn es ihm nicht zumutbar ist. „Der Mieter kann aber weder verlangen, dass der Vermieter die Arbeiten ausführen lässt, noch, dass dieser dafür irgendwelche Kosten übernimmt“, stellt Jutta Hartmann vom Deutschen Mieterbund klar. Und der erste notwendige Schritt ist ohnehin die Zustimmung des Vermieters. Ohne diese darf kein Mieter bauliche Maßnahmen veranlassen. Werde die Genehmigung verweigert, so Hartmann weiter, sei der nächste Schritt eine Klage auf Zustimmung.
Aber was macht man, wenn der Vermieter gar nicht reagiert? „Wieso können die sich das erlauben“, kritisiert Schäfer, „wo doch das ganze Quartier hier nachhaltig sein soll?“ Ohnehin versteht er nicht, dass dieser wesentliche Teil der Infrastruktur für die Zukunft der Mobilität in einem neuen Stadtviertel, das als „Zukunftsquartier“ geplant worden sei, nicht gleich mitgedacht wurde. Wo doch die Stadt Mannheim und ihre Tochtergesellschaft MWSP, die für die Entwicklung der Konversionsflächen verantwortlich ist, die wesentlichen Rahmenbedingungen gesetzt haben.
Stadt und MWSP machten Franklin-Investoren keine Vorgaben zu Ladepunkten
Zwar hat die städtische Wohnungsbaugesellschaft GBG, Mutterunternehmen der MWSP, bei ihren neuen Immobilien auf Franklin den künftigen Bedarf berücksichtigt: So seien beispielsweise im ab 2021 gebauten E-Hochhaus alle Tiefgaragen-Stellplätze für eine potenzielle Ladeinfrastruktur vorausgerüstet, erklärt ein Sprecher. Eine Vorgabe für die anderen Investoren, wie viele private Lademöglichkeiten sie in ihren Gebäuden zur Verfügung stellen müssen, habe es bei der Entwicklung des Stadtteils jedoch nicht gegeben.
Die MWSP habe sich darauf konzentriert, „Anreize zu schaffen und das Quartier als Ganzes so zu planen, dass genügend öffentliche Lademöglichkeiten zur Verfügung stehen“, erklärt der Unternehmenssprecher. Und da eine eigene Ladeinfrastruktur im Rahmen des Entwicklungsprozesses als zusätzliche Qualität bewertet worden sei, hätten viele Investoren auch so Ladepunkte geschaffen. „Insgesamt ist Franklin inzwischen wohl der Stadtteil mit den meisten öffentlichen und privaten Ladepunkten“, so der Sprecher.
Und es kommen laufend welche hinzu. Seit Frühjahr 2021, also ein Jahr nach Baubeginn am Sullivan-Ring, gilt nämlich das sogenannte Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz. Dessen Kern: Beim Neubau von Wohngebäuden mit mehr als fünf Stellplätzen muss jeder mit Schutzrohren für Elektrokabel ausgestattet sein.
Womöglich bekommt sogar Karl Schäfer mittelfristig eine Lademöglichkeit in seiner Tiefgarage: Zwar erfordere die Nachrüstung mit Wallboxen „technische Planung, rechtliche Abstimmung und oft auch bauliche Maßnahmen“, teilt sein Vermieter Industria auf Nachfrage mit. Weil etwa geprüft werden müsse, ob die bestehende Elektroinstallation ausreichend dimensioniert sei, ein zentrales Lastmanagement-System benötigt werde oder eventuell sogar Brandschutzkonzepte angepasst werden müssten. „Entsprechende Prüfungen“ nehme man aktuell jedoch vor, erklärt eine Sprecherin: „Aufgrund der Komplexität nimmt dies einige Zeit in Anspruch.“
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