Stadtgeschichte

Vor 50 Jahren in Mannheim: So war die Eröffnung der Bundesgartenschau 75

Glanzvoller Auftakt für ein grandioses sommerlanges Fest in Mannheim: Erinnerungen an den ersten Tag, an Bundespräsident Scheel und was daraus geworden ist.

Von 
Peter W. Ragge
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Wer damals Kind war, hat von der Bundesgartenschau vor allem das Ballgebirge „Babbelplast“ auf der Freizeitwiese im Luisenpark in Erinnerung. © Marchivum

Mannheim. Was für ein Tag! Er endet damit, dass 40.000 Menschen ein eindrucksvolles Feuerwerk über dem Luisenpark bestaunen. 1700 Feuerwerkskörper, 200 davon 18 Kilogramm schwer, ergeben am Nachthimmel einen bunten Chrysanthemenstrauß. Es ist das Finale eines bedeutenden Tages und der Beginn eines wunderbaren Halbjahres. Das Feuerwerk bildet vor 50 Jahren den Abschluss des ersten Tages der Bundesgartenschau 1975.

Das erste halbe Tausend Besucher kommt bereits am Tag zuvor. 500 Journalisten aus dem In- und Ausland informiert Erster Bürgermeister Wilhelm Varnholt darüber, dass die Stadt zwei Grünflächen mit 70 Hektar neu gestaltet hat. Der Luisenpark ist um die frühere „Rennwiese“ erweitert und der zuvor arg heruntergekommene Herzogenriedpark um weitere Flächen, Wohngebiet und Kleingärten ergänzt, beide Parks ganz gewaltig aufgewertet worden.

Man hat dazu 690.000 Kubikmeter Erde bewegt, 50.200 Quadratmeter neue Wasserflächen geschaffen, 557 Bäume gepflanzt, 22,3 Kilometer Wege angelegt und unzählige Blüten zum Blühen gebracht sowie Werbung gemacht mit 2,5 Millionen Prospekten, fünf Millionen Brief-Aufklebern, 500.000 Plakaten und über 650 Werbeauftritten von Fred Reibold als „Jäger aus Kurpfalz“. Schließlich peile man einen Besucherrekord an, heißt es da bereits.

Besucherrekord zeichnet sich schnell ab

Und der zeichnet sich bereits am ersten Tag ab. Die Tore zu Luisenpark und Herzogenriedpark werden eine Stunde früher geöffnet als geplant. Schon vor der Eröffnung sind 150 000 Dauerkarten verkauft, allein am Eröffnungstag kommen 814 dazu. Schnell zeigt sich, dass Bundespräsident Walter Scheel Recht behält. Er sagt in seiner Eröffnungsrede voraus, es werde einen „Strom der Besucher“ geben. Und er prophezeit, die Bundesgartenschau 1975 „wird in der Geschichte nachklingen“.

Oberbürgermeister Ludwig Ratzel begrüßt Scheel mit Chef-Hostess Elke Ehrenfeld sowie dem „Jäger aus Kurpfalz“, als er auf dem Flugplatz Neuostheim aus dem Grenzschutz-Hubschrauber steigt. Vor dem Rosengarten spielt die Dinkelsbühler Knabenkapelle, Fahnenschwinger aus Florenz werfen geschickt die wehenden Tücher empor und fangen sie wieder. Im Mozartsaal, vor 2200 geladenen Gästen, erheben über 500 Sänger der Fischer-Chöre ihre Stimmen. „Die Sonne wird heller scheinen, für uns am hohen Himmelszelt“ singen sie. Dazu gibt es dann eine Symbiose von Pop und Klassik: der „Mannheim-Sound“, eine Cannabich-Sinfonie („Mannheimer Schule“) von Fischer-Chören gesungen, vom Kurpfälzischem Kammerorchester und der Band Joy Unlimited gespielt.

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Peter W. Ragge
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Scheel hält eine Rede, die auch heute noch aktuell wirkt. „Muss das sein?“, fragt er. Sei ein sommerlanges Fest nur eine „schöne Fassade, mit der man unschöne Gegebenheiten freundlich zudeckt?“. Aber er verteidigt nachdrücklich die Ausgaben von damals letztlich 65 Millionen D-Mark für die Bundesgartenschau. „Wir suchen nach keiner Entschuldigung dafür“, betont er. „Bei Bundesgartenschauen geht es nicht nur darum, Blumen zu zeigen, eine Stadt mit Grün zu verschönern. Es geht letztlich darum, das Städtechaos zu überwinden und Menschen, die auf engem Raum zusammenleben, den Zugang zur lebensspendenden und lebenserhaltenden Natur zu schaffen“, ruft Scheel aus und bescheinigt Mannheim, es sei „ein bilderbuchartiges Beispiel“ dafür.

Bundespräsident Scheel begeistert Mannheim: Ein Festtag

Das inspiziert er ausführlich. Scheel fährt erst im Ausstellungsbähnchen durch den Herzogenriedpark, steigt dann in den Aerobus zum Luisenpark, geht zum Mittagessen in den Fernmeldeturm. Dort wird das Menü serviert, das auch 1907 für den Großherzog bei der Eröffnung der Internationalen Kunst- und Großen Gartenbauausstellung aufgetischt wurde. Vorher gibt es schon knackige Radieschen für das Staatsoberhaupt, als er die Blumenschau in der Merohalle am Neuen Meßplatz besucht. Käse und Küsschen bekommt er auch – von holländischen Meisjes, die während der Bundesgartenschau Werbung für Käse aus Holland machen.

Auf Schritt und tritt wird dem Bundespräsidenten zugejubelt, bekommt er Hände entgegengestreckt. Als er Gondoletta fährt, begleiten ihn in stets gutem Abstand im Motorboot zwei Leibwächter, und Scheel sieht wegen der gelben Sonnendächer viele Parallelen zu seinem Lieblingslied „Hoch auf dem gelben Wagen“. Und immer winkt er in die Menge . . .

Als er weg ist, wird in Mannheim weitergefeiert. Im ganzen Herzogenriedpark etwa gibt es Vorführungen von Sängern, Fanfarenzügen, Bands, Turnerinnen, Faustballern und Theatergruppen, während im Luisenpark weiter die Fischer-Chöre zu vernehmen sind, Kinderzirkus ebenso wie Box-Schaukämpfe stattfinden. 3812 Gäste werden abends bei einem festlichen Ball in allen Räumen des Rosengartens, von der Konzertagentur Klaus Hoffmeister mit Daliah Lavi als Stargast, der Bundeswehr-Big-Band unter Günther Noris sowie der Big-Band von Wolf Kaiser, gezählt.

Veranstaltungen zum Jubiläum



Mit dem Jubiläumsmotiv „50 Jahre Flower Power“ und dem Stadtpark-Emblem, in das die Zahl „50“ integriert ist, feiern Luisenpark und Herzogenriedpark das ganze Jahr, dass die Bundesgartenschau 1975 nun 50 Jahre zurück liegt und sie seither in der heutigen Form bestehen.

Vom 19. bis 29. Juni soll es eine Jubiläumswoche geben, offiziell eröffnet vom Oberbürgermeister im Luisenpark und mit einer Abschlussveranstaltung im Herzogenriedpark.

Am 21. Juni wird es auf der Seebühne eine Abba-Show geben.

Am Sonntag, 22. Juni, ist ein Ökumenischer Gottesdienst auf der Seebühne mit den beiden Stadtdekanen vorgesehen.

Am 29. Juni ist ein Jazz-Abend mit Thomas Siffling auf der Seebühne geplant sowie am 20. Juli „Mannheim Soul Voices Celebrating Aretha Franklin “.

Auch das Musical „Joy Fleming - Ein Lied kann eine Brücke sein“ kommt an acht Terminen wieder. pwr

Am ersten Wochenende erleben die Veranstalter dann „einen Besucherstrom mit Macht“. Allerdings hat der Ansturm sofort seine nachteiligen Seiten. „Babbelplast“, das für Kinder so herrliche, mit Netzen überspannte Ballgebirge auf der Freizeitwiese, zeigt Ermüdungserscheinungen. Ab da werden die Bälle jeden Tag frisch aufgepumpt, später ersetzt. Solch kleine Nachbesserungen gibt es mal da, mal dort - etwa an den künstlerisch gestalteten Keramik-Trinkwasserbrunnen, wo anfangs Schildchen fehlen, dass es sich wirklich um Trinkwasser handelt.

Das Eröffnungswochenende ist der Beginn eines 185 Tage währenden, grandiosen Fests mit über 1500 Veranstaltungen, darunter Auftritten aller Stars der 1970er Jahre. Allein in den ersten drei Tagen strömen 200.000 Besucher, insgesamt dann 8,1 Millionen Besucher – so viel wie noch nie und nie mehr danach bei einer Bundesgartenschau.

Mannheim hat sich „über Nacht schön gemacht“

„Zurück bleibt nicht nur das Erlebnis einer rauschenden Ballnacht, sondern die Gewissheit, dass die Bundesgartenschau 1975 die Stadt weiter nach vorn gebracht hat und den Bürgern und Besuchern ein Fest bescherte, das Mannheim in seiner Wirkung nach innen und außen veränderte“, schreibt der damalige Gartenschau-Pressesprecher, Klaus E. R. Lindemann, in seinem Buch „Ein Fest verändert eine Stadt“. „Mensch Meier, wer hätte das gedacht, Du hast Dich über Nacht schön gemacht“, bescheinigt Joachim Schäfer, damals schon als Joakin ein populärer Musiker, in seinem Lied „Aauwauwauwauwau - Bundesgartenschau“ seiner Heimat.

Schließlich sind Mannheim nicht nur zwei herrliche, nach wie vor auch überregionale Besuchermassen anziehende Parks geblieben. Bereits im Oktober 1978 und noch mal im Juli 1986 verpasst die Fachzeitschrift „Deutscher Gartenbau“ dem Luisenpark die Auszeichnung „Eine der schönsten Parkanlagen Europas“. Aber auch die ganze Herzogenriedbebauung mit Gemeindezentrum, Fernmeldeturm, Rosengarten-Mozartsaal, Fußgängerzone und vieles mehr wären ohne die Bundesgartenschau undenkbar gewesen. Die Stadt, besonders gebeutelt von der damals gerade grassierenden Wirtschaftskrise und dem Strukturwandel der Industrie, erlebt plötzlich eine ungeahnte Euphorie, einen Ruck, einen Aufschwung wie seither nie mehr. Daher ist in Mannheim die Erinnerung an das grandiose sommerlange Blütenfest nie verblasst.

Redaktion Chefreporter

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