Mannheim. Mannheim zum Fühlen, Sehen und Begreifen - das gibt es ab dem kommenden Sonntag. Um 11 Uhr, vor Beginn des verkaufsoffenen Sonntags, wird Oberbürgermeister Christian Specht am Plankenkopf bei P7 ein bronzenes Stadtmodell einweihen. Initiiert und gestiftet worden ist es vom Verein Stadtbild mit Unterstützung einiger Mannheimer Rotary Clubs und weiterer Spender.
Ein dreidimensionales, maßstabsgetreues Abbild aus Bronze – das steht schon in vielen Städten der Region, etwa in Heidelberg, Heppenheim oder Weinheim. Sie laden zum Berühren und Entdecken ein: Kinder, Blinde und Sehbehinderte, aber auch viele andere Besucher. Man könne „Plätze, Straßen und historische Gebäude nicht nur sehen, sondern auch erfühlen“, beschreibt Andreas Lochbühler, der im Vorstand des Vereins die Initiative ergriffen und das ganze Projekt koordiniert hat, die Idee.
Der Verein Stadtbild wolle damit „Gästen Orientierung verschaffen, Teilhabe für Blinde ermöglichen und auch Mannheimer an manche bauliche Situation erinnern, wie sie noch vor dem Zweiten Weltkrieg war – sprich Identität schaffen“, sagt Helen Heberer, Vorsitzende des Vereins Stadtbild.
Man könne anhand des Modells quasi „auf Fingerkuppen durch die Straßen spazieren“, erläutert Lochbühler das Konzept. Durch das Modell ließen sich „die Anordnung der Plätze und Gebäude ertasten, die Größenunterschiede zwischen Häusern und Kirchen erkennen, Architektur und Stadtgeschichte erfahren“. Dabei habe man in erster Linie an blinde Menschen gedacht, aber nicht nur. Lochbühler ist sich sicher, dass sich das Modell „zum Anziehungspunkt für Touristen und Mitbürger entwickelt“, weil es „durch den ungewöhnlichen Blickwinkel ganz neue Perspektiven auf die Heimatstadt“ biete und sich die bauliche Struktur der Quadrate leichter erschließen lasse.
Die Vorbereitungen reichen schon weit über ein Jahr zurück. Zwar gibt es mehrere Anbieter, aber der Verein Stadtbild entschied sich schnell für den Bildhauer Egbert Broerken aus der Nähe von Soest in Westfalen, der vor über 30 Jahren für Münster das erste Modell von einem Teil der Altstadt herstellte. Zusammen mit Sohn Felix hat er inzwischen mehr als 250 Stadtmodelle geschaffen, die „einen wertvollen Beitrag zur Inklusion leisten“, so der Künstler, zumal er kleine Punkte in Blindenschrift (Braille) dazu anbringt. Seine Werke seien daher „nicht nur ein künstlerischer, sondern auch ein menschlicher Beitrag zur Integration behinderter Mitbürger“, so Broerken.
Die Modelle werden aus Kunstbronze mit Zinnanteil hergestellt, die sich im Sommer nicht zu heiß und im Winter nicht zu kalt anfühlt. Das Werk wird einer Schicht aus Carnaubawachs überzogen, die sich leicht reinigen lässt und zugleich das Material widerstandsfähig macht. Filigrane Teile, etwa Kirchtürme, erhalten einen Edelstahlkern, damit man sie nicht abbrechen kann.
Suche nach passendem Standort war enorm schwierig
Durchschnittlich fünf bis zehn Monate arbeiten die Künstler an einem Projekt, ausgehend vom Fotografieren aller Gebäude und Häuserzeilen über den Bau maßstabgetreuer architektonischer Modelle, dem künstlerischen Modellieren der Wachsmodelle bis hin zum Bronzeguss. Die ganze Vorarbeit hat der Verein Stadtbild gemacht, in Zusammenarbeit mit dem Badischen Blinden- und Sehbehindertenverein und unterstützt von der Stadt. „Wir haben viel zusammengetragen an bauhistorischen Fakten und hatten es uns von Anfang an zur Aufgabe gemacht, das Stadtbild vor der Kriegszerstörung zu zeigen“, erläutert Helen Heberer.
Schwierig war indes die Finanzierung des etwa 65.000 Euro – ohne ehrenamtliche Leistungen – teuren Vorhabens und die Suche nach dem geeigneten Standort. Gerade die Standortfrage sei „außerordentlich schwierig und zeitaufwendig“ gewesen, so Heberer: „Wir haben mit der Stadt alles, wirklich alles Mögliche geprüft“, nennt sie als Kriterien Sichtbarkeit, Erreichbarkeit oder Konflikte mit Stadtmöblierung und technischen Einrichtungen. Man habe auf Bodenbeschaffenheit, die Verhinderung von Beeinträchtigung von Bäumen und Grünanlagen, Verkehrssicherheit, aber auch die Einsatzfähigkeit von städtischen Reinigungsmaschinen achten müssen – bis hin zu Festen.
Der jetzige Standort weise „von allen zu bewältigenden Problemen die wenigsten Hindernisse auf“ – außer dass er bei Stadtfesten als fest eingezeichneter Ort für einen Getränkeausschank vorgesehen ist. „Wir haben mit der Stadt deshalb als Lösung angedacht, dass bei solchen Anlässen das Modell eingehaust wird und als Tisch benutzt werden kann“, so Heberer: „Vielleicht wird es so zum gelegentlichen Mannheim-Stammtisch, an dem es sich gut feiern lässt!“, hofft die Vorsitzende.
Spenden der Rotary Clubs Mannheim, Mannheim-Brücke, Mannheim-Amphitrite sowie Heidelberg-Mannheim International, von der Firma Lochbühler Aufzüge, der Firma Sax + Klee, von Bloomaul Peter Hofmann, der Heinrich-Vetter-Stiftung, der VR Bank, dem Ingenieurbüro Bräuer und Späh, der m:con - mannheim:congress GmbH und der GBG Unternehmensgruppe machten es laut Heberer möglich, dass der Verein Stadtbild „das Modell der Stadtgesellschaft zum Geschenk machen“ könne, ein „schönes, werthaltiges, informatives, bleibendes, nachhaltiges Objekt“.
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