Mannheim. Der Hintereingang des Hauptbahnhofs zum Lindenhof hin ist ein ganz gutes Beispiel. Für den Bau des Fahrradparkhauses musste er drei Wochen gesperrt werden. Kann man das einfach so machen? Oder sind die Auswirkungen so groß, dass man sich etwas einfallen lassen sollte? Vor dieser Frage stand die Stadtverwaltung unlängst - und hat sich an die Smart City Gesellschaft gewandt.
„Das war relativ einfach für uns“, sagt Geschäftsführer Robert Thomann. „Wir haben einen kleinen Sensor installiert und der hat gezählt, wie viele Leute zu welchem Zeitpunkt da durch sind.“ So stand nach kurzer Zeit fest: An jedem Werktag wird der Durchgang rund 10 000 Mal genutzt. „Somit hatte die Verwaltung valide Daten, um zu entscheiden, wie sie mit der Sperrung umgeht“, sagt Thomann. „Und genau das ist unsere Aufgabe: Wir sind das Schnellboot, das innerhalb kürzester Zeit Daten und folglich Erkenntnisse liefert.“ So sollen bessere Entscheidungen getroffen werden.
Smart City
- Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff schlaue oder intelligente Stadt.
- Treffender ist jedoch der Begriff vernetzte Stadt. Denn es geht hauptsächlich darum, die Digitalisierung voranzutreiben und zu nutzen: Digitale Daten sollen gesammelt und aus verschiedenen Bereichen zusammengeführt werden, um Erkenntnisse zu gewinnen und Synergien zu nutzen. Dadurch soll die Stadt letztlich lebenswerter werden.
- Neben diesem Kern hat die Gesellschaft Smart City Mannheim noch zwei weitere Aufgaben: Sie soll eine Datenstrategie für die Stadt entwickeln und den Stromverbrauch von Stadtverwaltung, Eigenbetrieben und Schulen auf erneuerbare Energien umstellen.
- Um Letzteres zu schaffen, werden der GmbH zufolge Anlagen mit einer Leistung von etwa 40 Megawatt benötigt. Installiert man auf den Dächern aller öffentlicher Gebäude Solarmodule, werden 6 bis 7 Megawatt erreicht. Bislang hat die Smart City Gesellschaft Anlagen mit einer Leitung von 3 Megawatt beauftragt.
Mit dieser Aufgabenstellung ist das gemeinsame Tochterunternehmen von Stadt und MVV im Frühjahr 2021 gegründet worden. Finanziert wird es bis 2027 durch eine Bundesförderung von zwölf Millionen Euro, zu denen sechs Millionen Euro von der Stadt hinzukommen. Nachdem der Gemeinderat vor knapp einem Jahr die Smart-City-Strategie verabschiedet hat, ist die Planungsphase beendet. „Jetzt sind wir in der Umsetzungsphase“, sagt Thomann.
Klimamessnetz für Mannheim wird ein Jahr später fertig
Und in dieser stehen die drei Themenbereiche im Mittelpunkt, um die sich die - im Lindenhof neben dem Gründungszentrum Mafinex angesiedelte - Gesellschaft kümmern soll: Klima, Mobilität und Ressourcen.
„Im Bereich Klima sind wir am weitesten“, berichtet Thomann. Vor zwei Jahren ist der erste Klimasensor installiert worden. Inzwischen gibt es 385, die laufend Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit und manchmal auch die Windgeschwindigkeit messen. Ende dieses Jahres soll das Messnetz fertig sein - ein Jahr später als ursprünglich geplant.
Die Mannheimerinnen und Mannheimer sollen davon jedoch schon vorher profitieren. In etwa vier Monaten will die Smart City Gesellschaft ihre Internetseite so umgestalten, dass auch Normalverbraucher etwas mit den Klimadaten dort anfangen können. Nach und nach soll das Angebot dann ausgebaut werden, so dass in zwei Jahren beispielsweise Hobbygärtner von ihrem Wohnzimmer in der Innenstadt aus erkennen können, wie viel es in ihrem Schrebergarten im Wohlgelegen geregnet hat oder ob dort Frostgefahr droht.
Für die Stadtplanung ist sogar ein noch deutlich komplexeres Vorhaben in Arbeit: „Wir entwickeln eine Klimakarte mit einer Auflösung von zehn mal zehn Metern und Daten in Echtzeit“, erzählt Thomann. Darin eingearbeitet ist ein Stadtmodell, das weiß, wo Betonflächen, Hausfassaden oder Grünflächen sind. „Damit kann man dann Fragen beantworten“, erklärt er: „Was passiert, wenn die Temperatur um ein Grad zunimmt? Wo wird es besonders heiß? Wie verändert sich die Windrichtung? Was passiert, wenn ich Flächen entsiegele? Und was muss geschehen, um die Temperatur in der Innenstadt nicht über einen bestimmten Wert steigen zu lassen?“ Das komplette Stadtklima lasse sich so simulieren. „Damit sind wir in diesem Bereich Vorreiter.“
Smartes Verkehrsmodell soll fast alle Fragen beantworten
Auch beim Verkehr sollen Daten künftig den richtigen Weg weisen. Im innerstädtischen Ring gibt es bereits 20 Infrarotkameras: Gesichter und Schriften erkennen sie nicht, dafür aber die Umrisse von Lkw, Autos, Radfahrern und Fußgängern. So liefern sie rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr Erkenntnisse über Verkehrsströme. Erste Fragen zur städtischen Verkehrspolitik könnten damit bereits dieses Jahr beantwortet werden, sagt Thomann. In zwei Jahren soll ein Verkehrsmodell für ganz Mannheim fertig sein, das sein Team zusammen mit der Universität entwickelt. Dieses könne Antworten auf alle möglichen Fragen liefern: „Was passiert, wenn hier Stau ist? Was, wenn man diese Straße sperrt? Wenn die Ampelschaltung dort verändert wird? Und welche Parkhäuser sind am verkaufsoffenen Sonntag genutzt worden?“
Beim dritten Themenbereich, den Ressourcen, sammeln die Datenexperten beispielsweise Infos zum Grundwasserpegel, zum Füllstand von Glas- und Abfallcontainer oder zu Ladevorgängen bei E-Autos. „Unsere Aufgabe ist es, einzelne Sektoren und Themen zusammenzubringen“, erklärt Thomann, „damit aus eins plus eins nicht zwei wird, sondern mehr.“ Man könnte auch sagen: Damit aus vielen einzelnen Informationen eine vernetzte, intelligente Stadt wird.
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