Mannheim. „Passt auf euch uff!“, ruft Torsten Kaufmann zweien seiner Kinder zu, die sich gerade - eher Richtung Wiese als Richtung Wasser - von ihm entfernen. Die beiden sind schon älter und durch ihr Hobby Wasserskifahren schwimmerprobt, erzählt der vierfache Vater im Gespräch mit der Redaktion. „Aber die Jüngeren gehen da nicht allein rein.“ Während Kaufmann ein Schlauchboot aufpumpt, planscht seine Frau mit ihnen im Vogelstangsee.
Am vergangenen Samstag hatte eine Mutter ihre achtjährige Tochter nach einem Besuch der Toilette am Vogelstangsee aus den Augen verloren. Erst nachdem sie länger vergeblich gesucht hatte, alarmierte sie die Polizei, die sofort einen Großeinsatz von Feuerwehr und Wasserrettern veranlasste. Taucher der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) hatten das Mädchen dann drei Meter tief unter der Wasseroberfläche entdeckt. Sie war bereits länger bewusstlos und starb dann in der Klinik. Nach Angaben der DLRG konnte die Achtjährige nicht schwimmen.
Am Montagnachmittag gegen 16 Uhr ist es am Vogelstangsee fast leer, ein paar junge Erwachsene, ein paar Senioren und nur wenige kleine Familien tummeln sich dort. „Das kann daran liegen, dass heute Schule war“, mutmaßt Maria Prusko, „vielleicht aber auch an dem Vorfall.“ Sie und ihr Mann Joachim sind mit ihrer Enkelin am Gewässer. „Aber nicht zum Baden, sondern zum Eisessen.“ Schwimmen, so die beiden, gehen sie mit ihrer Enkelin lieber im Freibad. „Da, wo es bewacht ist“, so Joachim Prusko.
Schwimmhilfen reichen nicht
Manuela Ranff hat für ihre zweieinhalbjährige Tochter einen Pool im Garten, erzählt sie. An den Vogelstangsee geht sie lieber, wenn es leer ist. Sie lässt ihr Kind nie aus den Augen, denn „Kinder können keine Gefahren einschätzen“. Sie beobachtet jedoch, dass manche Eltern während des Seebesuchs am Handy hängen. Gerade wenn der See am Wochenende überfüllt ist, würden sie dann Gefahr laufen, den Überblick zu verlieren. Michael Schneider ist ohne seine drei Kinder von Frankfurt aus an den Vogelstangsee gekommen. „Wenn sie dabei wären, hätte ich gar keine Ruhe.“
Die DLRG ruft Eltern nach dem tödlichen Badeunfall dazu auf, mehr auf ihre Kinder zu achten. „Die wichtigste Regel ist, die Kinder niemals unbeaufsichtigt zu lassen“, sagt Thorsten Großstück, der stellvertretende Vorsitzende und Leiter Einsatz der Organisation. Das gelte für Schwimmbäder und Badeseen.
Der DLRG-Einsatzleiter hat selbst zwei Kinder im Alter von fünf und sieben Jahren. „Man muss einfach höllisch aufpassen“, warnt er, „gerade am Wasser.“ Selbst Schwimmhilfen wie Gummitiere oder Schwimmnudeln vermittelten „trügerische Sicherheit“. Kinder bewegten sich anders im Wasser und gingen leider ohne einen Laut oder hektischen Bewegungen unter. „Kinder sinken schneller, weil sie einen anderen Körperschwerpunkt haben“, warnt Großstück. Sie könnten den Kopf nicht über Wasser halten und würden vor Angst erstarren, aber nicht Schreien. „Ertrinken dauert nur 30 bis 60 Sekunden“, mahnt er. Die Behauptung, ein Kind könne schwimmen, sei relativ: „Wir sprechen von sicheren Schwimmern ab dem Schwimmabzeichen Bronze, also nicht Seepferdchen!“, stellt er klar.
Keine ständige Aufsicht am See
Die DLRG habe den Einsatz am Vogelstangsee noch einmal besprochen. „Wir waren zügig mit all unserer Ausrüstung am See, haben mit der Feuerwehr gut zusammengearbeitet“, fasst der Einsatzleiter zusammen. Auch aus Sicht der Helfer sei es wichtig, zu wissen, dass man alles getan habe, was möglich war - doch das Kind sei einfach schon viel zu lange unter Wasser gewesen. Die Kriminalpolizei ermittelt in dem Fall und hat eine Obduktion veranlasst, die nähere Hinweise auf die Umstände des Todes bringen soll. Ergebnisse gab es am Montag aber auf Anfrage noch nicht.
Ständig präsent ist die DLRG am Vogelstangsee nicht. Schon jetzt betreibe man im Auftrag der Stadt am Strandbad eine Erste-Hilfe-Station, sei ständig am Stollenwörthweiher und in allen Freibädern der Stadt im Einsatz. Dazu kommen Schwimmkurse, die - weil die Hallenbäder im Winter wegen der Pandemie geschlossen waren - nun im Sommer laufen. Daher seien jedes Wochenende 30 bis 50 Mitglieder ehrenamtlich im Einsatz. „Das ist schon ein Kraftakt“, so Großstück.
Zudem ist seit Ende Dezember täglich, Montag bis Sonntag, ein DLRG-Aktiver - ebenso wie Mitglieder aller anderer Rettungsorganisationen - bei den mobilen Impfteams dabei. Für eine ständige Präsenz am Vogelstangsee fehlten daher das Personal und auch das passende Gebäude vor Ort. Weil das Schwimmen dort nur geduldet, der Strand aber nicht als offizielles Badegewässer der Stadt ausgewiesen ist, gibt es dort keine ständige Aufsicht. Sonst müsste die Stadt auch Eintritt erheben und den Zugang zum See einzäunen.
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