Messerattacke

Kondolenzbuch im Rathaus: „Tiefe Verletzung der Mannheimer Seele“

Während die AfD Klage angekündigt hat, um doch noch auf dem Marktplatz demonstrieren zu dürfen, liegt im Rathaus nun ein öffentliches Kondolenzbuch aus. Der MIttwoch in Mannheim hat aber auch viele Fragen offen gelassen

Von 
Sebastian Koch und Susanne Merz
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Im Mannheimer Rathaus können sich Trauernde seit Mittwoch in ein öffentliches Kondolenzbuch eintragen. © Thomas Tröster

Mannheim. Es ist ein merkwürdiger Mittwoch in Mannheim. Einer, der symptomatisch für die Stimmung in der ganzen Stadt steht. Die Trauer und Anteilnahme auf der einen Seite konkurriert mit dem Kampf um die politische Deutungshoheit des Attentats vom Marktplatz auf der anderen Seite. Das könnte dazu führen, dass in den kommenden Stunden Gerichte darüber entscheiden müssen, ob der Marktplatz nun ein Platz zum Gedenken oder zum Demonstrieren sein soll. Aber der Reihe nach.

Der Mittwochmorgen wird von der Nachricht des Angriffs auf AfD-Gemeinderatskandidat Heinrich Koch am Vorabend überschattet. Aber nicht nur deshalb hat der Mannheimer AfD-Vorsitzende Rüdiger Ernst über den Tag hinweg alle Hände voll zu tun. Schließlich soll am Nachmittag in einem Gespräch zwischen Landesverband und Stadtverwaltung entschieden werden, ob die AfD am Freitag auf dem Marktplatz demonstrieren darf. Dafür mobilisiert die Partei bereits seit Tagen bundesweit. Doch nachdem Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) am Dienstag eine Allgemeinverfügung unterzeichnet hat, nach der der Marktplatz ein Ort des Gedenkens sein soll, auf dem in den kommenden Tagen bis auf den Wochenmarkt keine Veranstaltungen stattfinden dürfen, ist der Ort der Kundgebung weiter unklar.

Am Nachmittag informiert eine Sprecherin der Versammlungsbehörde diese Redaktion auf Nachfrage zwar, dass die Stadt der AfD den Paradeplatz als Alternative zum Marktplatz angeboten habe. Die AfD aber pocht weiterhin auf den Marktplatz als Ort ihrer Kundgebung unter dem Motto „Islamismus stoppen!“, zu der auch die Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier und Martin Hess erwartet werden.

Gegenproteste zu AfD-Kundgebung in Mannheim erwartet

„Wir werden notfalls gegen diese Allgemeinverfügung klagen“, erklärt Ernst am späten Nachmittag, nachdem er vom Landesverband über den Vorschlag der Stadtverwaltung informiert worden war. Seiner Partei erschließe es sich nicht, weshalb sie die Kundgebung nicht auf dem Marktplatz abhalten dürfe, nachdem dort am Montag noch etwa 8000 Menschen für eine Gedenkkundgebung zusammengekommen waren. Gleichzeitig widersprach Ernst Gerüchten vehement, zur Kundgebung werde auch der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner erwartet. „Das ist völliger Quatsch“, erklärte der Mannheimer Parteivorsitzende.

Weiterhin viele Fragezeichen gibt es auch bei möglichen Gegenkundgebungen. Die Sprecherin der Versammlungsbehörde bestätigt am Nachmittag, dass eine solche auf dem Alten Meßplatz angemeldet sei. Nach Informationen dieser Redaktion soll es sich dabei um eine Versammlung verschiedener Verbände, Kirchen und Gewerkschaften handeln. Unter dem Motto „Mannheim hält zusammen“ erwartet die Versammlungsbehörde ab 17 Uhr etwa 2500 Personen.

Zudem soll es eine Demonstration des Bündnisses „Mannheim gegen Rechts“ geben, erklärt ein Sprecher des Bündnisses. Die Demonstration unter dem Motto „Gegen Islamismus und Rassismus - Zusammenhalt für Vielfalt“ soll gegen 17.30 Uhr vom Alten Meßplatz aus loslaufen. Weitere Informationen sollen in den kommenden Tagen folgen. Am Mittwoch war der Sprecherin der Versammlungsbehörde die Demonstration allerdings noch nicht bekannt.

Offenes Antifaschistisches Treffen zieht Anmeldung zurück

Verwirrung herrscht indes auch um eine geplante Versammlung des Offenen Antifaschistischen Treffens (OAT). Nachdem die Gruppe bereits am Montag eine Gegendemonstration zur AfD-Kundgebung öffentlich gemacht hatte, teilt am Mittwochnachmittag die Sprecherin der Versammlungsbehörde mit, dass die Anmeldung für die Versammlung zurückgezogen worden sei. Eine Anfrage dieser Redaktion ans OAT bliebt bis zum Abend unbeantwortet. Am vergangenen Sonntag hatte das OAT ohne offizielle Anmeldung gegen eine Kundgebung der Jungen Alternative, der Nachwuchsorganisation der AfD, demonstriert.

Kondolieren im Buch im Rathaus ist Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr möglich

Unterdessen steht das Rathaus seit Mittwoch im Zeichen der Trauer. Links neben dem Eingang ist ein Kondolenztisch aufgebaut. Ein Bouquet aus weißen Rosen steht hinter dem Buch, in dem Mannheimerinnen und Mannheimer ihre Trauer und Anteilnahme ausdrücken können. Links daneben erinnert ein Foto an Rouven L., den auf dem Marktplatz getöteten Polizisten.

Der 29 Jahre alt gewordene Polizist wirkt auf dem Foto freundlich, offen, sympathisch. Viel zu früh wurde der junge Mann aus dem Leben gerissen. Es wird Zeit brauchen, bis sich die Stadt und ihre Bewohner und Bewohnerinnen von diesem Schock erholt haben. Um den Menschen bei der Trauer zu helfen, hat die Stadt das öffentliche Kondolenzbuch ausgelegt.

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Von Montag bis Freitag zwischen 8 und 18 Uhr können sich Menschen in das Buch eintragen, um ihre Beileidsbekundungen und Erinnerungen niederzuschreiben. Oberbürgermeister Specht hat sich auf der ersten Seite eingetragen: „Der heimtückische Mord an einen jungen und hochgeschätzten Polizeibeamten hat mich tief erschüttert. Dass Rouven bei seinem Einsatz zum Schutz des Lebens anderer sein eigenes Leben auf so sinnlose und brutale Weise verloren hat, lässt mich entsetzt und fassungslos zurück.“

Zudem wies Specht darauf hin, welch hohes persönliches Risiko Polizisten und Polizistinnen eingingen, um die Demokratie zu schützen. Specht sprach der Familie und allen Freundinnen und Freunden sein Beileid aus.

Auch die Stadtdekane Ralph Hartmann und Karl Jung tragen sich am Mittwoch in das Buch ein. Die Trauer ist ihnen anzusehen. Der katholische Dekan Jung ringt um Fassung, schluckt und holt Luft, bevor er sich äußert. „Ich bin auch völlig geschockt und die Ereignisse wirken stark nach. Ich bin jeden Tag auf dem Marktplatz gewesen. Es ist eine große Dichte von Menschen, die dort trauern und auch Trost suchen. Rouven hat sich eingesetzt, um andere zu schützen. Ausgerechnet er wurde dabei selbst sinnlos getötet.“

Der evangelische Dekan Hartmann weist auf die Tragweite für das Selbstverständnis der Stadt Mannheim hin: „Es ist eine tiefe Verletzung der Mannheimer Seele, dass willkürlich Menschen getötet und verletzt werden. Wo wir immer sagen, wir kommen gut zurecht mit religiösen, kulturellen und nationalen Unterschieden. Aber das hat die Grundfeste tief erschüttert.“

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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