Mannheim. Der Weg zurück in die Normalität fällt schwer. Noch immer bestimmt der Anschlag vom Freitag die Gespräche. Viele haben Redebedarf. Viele haben Fragen.
Mannheim kommt auch deshalb nicht zur Ruhe, weil der Tod von Rouven L. Gefahr läuft, politisch instrumentalisiert zu werden. Der Oberbürgermeister hat deshalb menschlich richtig gehandelt, indem er den Marktplatz für die nächsten Tage zum Gedenkort erklärt hat, an dem Veranstaltungen oder Versammlungen untersagt sind. Für die Gesellschaft sei es wichtig, in Ruhe und Würde trauern und gedenken zu können, sagte Christian Specht dazu. Recht hat er.
Trotzdem herrscht Unruhe in der Stadt. Das liegt auch am Angriff auf den AfD-Politiker Heinrich Koch am Dienstag. Der ist mit nichts zu entschuldigen und gehört genauso scharf verurteilt wie Angriffe auf andere Politikerinnen und Politiker.
Dass die AfD einen politischen Hintergrund in dem Angriff sieht, überrascht nicht. Auch weil AfD-Politiker vergleichsweise häufig angegriffen werden. Gleichzeitig verweisen ermittelnde Behörden in diesem Fall darauf, dass es für einen politischen Hintergrund keine Anzeichen gebe. Auf das Sicherheitsgefühl hat der neuerliche Angriff fatale Auswirkungen. Und auch das politische Miteinander nimmt weiteren Schaden.
Auch deshalb wirkt das Hin und Her bei den Demonstrationen am Freitag unwürdig. Protest – Gegenprotest – Streit um Orte. Die Frage, wie man Rouven L. ein würdiges Andenken in den Tagen nach seinem Tod bewahren kann, droht zur Farce zu verkommen, weil Akteure zeigen, dass es wichtiger ist, eigenes politisches Kapital aus der Tragödie zu schlagen. Die Kommunal- und Europawahlen werfen ihre Schatten voraus. Nicht falsch verstehen: Dass die AfD gegen die Allgemeinverfügung klagen will, ist ihr gutes Recht. Dieses moralisch zu verurteilen, gehört sich nicht. Gerichte müssen entscheiden. So funktioniert der Rechtsstaat.
Weil die Stadt eine Alternative als Ort angeboten hat, muss die Frage aber erlaubt sein, ob die Kundgebung wirklich um jeden Preis auf dem Marktplatz stattfinden muss. Gerade in aufgeheizten Zeiten, gerade auf dem Platz, der als Tor zur islamischen Gemeinde gilt, birgt das Motto „Islamismus stoppen!“ Konfliktpotenzial. Die Grenzen zwischen Islam und Islamismus können in Wahlkampfreden (bewusst?) schnell verschwimmen.
Diesen Konflikt braucht Mannheim nicht. Nicht an diesem Ort. Nicht in dieser Woche. Und schon gar nicht genau eine Woche nach dem Anschlag. In Ruhe trauern ist so unmöglich.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/meinung/kommentare_artikel,-kommentar-so-kann-mannheim-nicht-in-ruhe-trauern-_arid,2212985.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar So kann Mannheim nicht in Ruhe trauern!
Der Weg zurück in die Normalität fällt Mannheim schwer. Der Angriff auf einen AfD-Politiker sorgt für Unsicherheit. Zudem droht die Trauer um Rouven L. politisch zur Farce zu werden, kommentiert Sebastian Koch