Mannheim. Seit Anfang der Woche steht fest: Nach der tödlichen Messerattacke am Mannheimer Marktplatz übernimmt die Bundesanwaltschaft, die oberste deutsche Anklagebehörde, die Ermittlungen. Dies zeigt die Bedeutsamkeit und die Schwere des Mannheimer Verbrechens. Nur, wenn es um schwerwiegende Fälle im Staatsschutz, um die innere und äußere Sicherheit geht, zieht die Bundesanwaltschaft Fälle an sich.
Die oberste deutsche Anklagebehörde geht bei dem tödlichen Messerangriff in Mannheim von einer Straftat aus, die „geeignet ist, die innere Sicherheit in Deutschland“ zu gefährden, sagte eine Sprecherin auf Anfrage dieser Redaktion. Demnach handele es sich bei dem Angriff des 25-jährigen Afghanen am vergangenen Freitag in Mannheim um eine „religiös motivierte Tat“ - eine, die „einen Angriff auf die Meinungsfreiheit und die freiheitliche Ordnung darstellen könnte“.
Zunächst hatte die Staatsschutzabteilung bei der Karlsruher Staatsanwaltschaft die Ermittlungen rund um den mutmaßlichen Terrorakt vom Freitag aufgenommen, nachdem bekanntgeworden war, dass der 25 Jahre alte Mann auf dem Mannheimer Marktplatz bei einer islamkritischen Kundgebung mehrere Menschen mit einem Messer teils schwer verletzt hatte. Bei dem mutmaßlichen Terrorakt wurde der 29 Jahre alte Polizist Rouven L. so schwer am Kopf und am Hals verletzt, dass er kurze Zeit später starb. Ein Obduktionsergebnis wird im Laufe der Woche erwartet.
Prozess vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart
Im Falle einer Anklageerhebung wird der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts in Stuttgart verhandelt werden. Sollte Anklage erhoben werden, ist vor 2025 nicht mit einem möglichen Prozessbeginn zu rechnen. Tendenziell dauert es bei Verfahren dieser Art eher länger, bis es zum Prozessbeginn kommt, allerdings gibt es hier kaum Anhaltspunkte für eine zuverlässige Prognose, da vieles vom Gang der Ermittlungen abhängt. Bislang konnte der Angreifer laut Landeskriminalamt noch nicht vernommen werden. Zur Schwere und Art der Verletzungen des Mannes wollte sich ein LKA-Sprecher auf Anfrage nicht äußern.
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Ermittlungen, die um Staatsschutzdelikte kreisten, gab es in Mannheim zuletzt 2020 wegen rechtsradikaler Wahlplakate. Vier Jahre zuvor machte ein Fall Schlagzeilen, bei dem Unbekannte Brandsätze auf ein Vereinsheim des FC Türkspor in den Quadraten geworfen hatten. Im Herbst 2015 leitete die Karlsruher Behörde, die für Staatsschutzdelikte zuständig ist, Ermittlungen gegen einen 15-jährigen deutschen Schüler aus Mannheim ein - wegen des Verdachts der Vorbereitung einer staatsfeindlichen Gewalttat. Der Jugendliche soll seine Ausreise nach Syrien geplant haben, um sich dem Islamischen Staat (IS) anzuschließen. Er soll unter anderem einen entsprechenden Facebook-Eintrag verfasst haben, teilten die Ermittler damals mit. Ein halbes Jahr später wurden die Ermittlungen jedoch eingestellt.
Frühere Fälle, in denen die Bundesanwaltschaft in einem Mannheimer Fall die Ermittlungen führte, finden sich in den vergangenen zwanzig Jahren keine. In der Stadt gab es zwar bundesweite Razzien und Ermittlungen gegen in Mannheim lebende Menschen - etwa wegen Verbrechen im IS-besetzten Gebiet oder gegen einen ruandischen Milizenführer, der zeitweilig in Mannheim lebte. Aber hier lag der Schwerpunkt der bundesanwaltlichen Ermittlungen nicht in der Stadt.
Zentrale Anlaufstelle für Opfer des Verbrechens in Berlin
Da die Bundesanwaltschaft inzwischen die Ermittlungen führt, verlagert sich auch die zentrale Anlaufstelle für Betroffene, Hinterbliebene, Verletzte, Zeuginnen und Zeugen sowie Ersthelferinnen und Ersthelfer. Zuständig ist nun der Bundesopferbeauftragte Pascal Kober (FDP), der am Justizministerium als zentraler Ansprechpartner für alle Betroffenen von terroristischen oder extremistischen Anschlägen im Inland fungiert.
Das Amt des Bundesopferbeauftragten wurde nach dem islamistischen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz 2016 eingeführt. Der Bundesopferbeauftragte arbeitet dabei eng mit seinen Kollegen auf Landesebene zusammen - etwa um psychosoziale oder finanzielle Hilfen zu vermitteln, heißt es auf der Internetseite des Justizministeriums. In Baden-Württemberg obliegt diese Aufgabe Alexander Schwarz, der bis vor vier Jahren die Mannheimer Staatsanwaltschaft leitete.
Gemeinsam mit Schwarz habe der Bundesopferbeauftragte bereits ein psychosoziales Beratungstelefon geschaltet, sagte eine Sprecherin des Justizministeriums auf Anfrage. Unter der Nummer erhielten Betroffene der Tat schnelle psychosoziale Beratung. „Unser Anliegen ist es, die Betroffenen nun mit all unserer Kraft zu unterstützen“, so Pascal Kober in einer Mitteilung des Ministeriums.
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